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Holocaust und Shoa aus der Sicht von Rechtsextremisten

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Feindschaft gegen Juden als Juden, Antisemitismus also, ist eine menschenfeindliche Vorurteilsstruktur, die sich nicht nur bei Rechtsextremisten, teilweise bei Linksextremisten und sehr verbreitet bei Islamisten findet, sondern auch bei Menschen, die demokratischen Prinzipien im Allgemeinen nicht ablehnend gegenüber stehen. Anders verhält es sich mit der Sichtweise auf die singulären Massenverbrechen der Nationalsozialisten an den europäischen Juden, die üblicherweise als Shoa oder Holocaust bezeichnet werden. Diese historisch einwandfrei bewiesenen Verbrechen wird nur leugnen, rechtfertigen oder relativieren, wer ein Interesse daran hat, den Nationalsozialismus rein zu waschen, weil er in ihm ein Vorbild sieht. Und die Sache ist zudem noch schwieriger: Die Leugnung des Holocaust ist in Deutschland strafbar (§ 130 StGB). Rechtsextremisten sinnen also häufig genug auf Umwege, um ihre diesbezüglichen Meinungen formal legal äußern zu können.

Trotz der Strafandrohung kommt die Leugnung der nationalsozialistischen Massenverbrechen dennoch dort vor, wo die Täter glauben, nicht entdeckt und zur Rechenschaft gezogen werden zu können: im Internet, in gesungenen Liedtexten und in mündlichen Äußerungen vor geschlossenem Zuhörerkreis zum Beispiel.

Die NPD wurde von 1991 bis 1996 von Günther Deckert als Parteivorsitzendem geführt. Er hatte die Behauptung, der Massenmord an den Juden sei nicht erwiesen, zu einem der Arbeitsschwerpunkte seiner Parteiführung gemacht (siehe auch Was ist „Geschichtsrevisionismus“?). Zugleich hatte er begonnen, die Partei für bekennende Neonazis zu öffnen. Dieser Kurs wurde von seinem Nachfolger Udo Voigt weitergeführt, sodass eine mangelnde Distanz zum Nationalsozialismus nicht der wahre Grund für Deckerts Amtsenthebung 1995 und seinen Sturz 1996 gewesen sein dürfte. Allerdings war es nicht gerade eine Empfehlung für die NPD gewesen, dass ihr Parteivorsitzender wegen Volksverhetzung im Gefängnis saß. Eine echte Distanzierung von revisionistischen Ideen bedeutete Deckerts Ablösung indessen nicht, denn die Partei würdigt weiterhin Holocaust-Leugner als „politisch Verfolgte“ (1).

Eher schon sucht die NPD das Thema - meist unter Hinweis auf seine Strafbewehrung - zu meiden. Für ihre Funktionäre hat sie dazu eine Sprachregelung getroffen:

„Auf den Themenkomplex Holocaust, Kriegsschuldfrage 1939 und Nationalsozialismus sollte sich mit dem Hinweis auf die Gegenwartsaufgaben der NPD niemand festnageln lassen. Auf dieses rückwärtsgewandte Themenfeld will uns der Gegner locken, weil er a) mit der historischen Ahnungslosigkeit und damit der antifaschistischen Verblendung der Zeitgenossen rechnen kann und b) damit bestens von seinem politisch-ökonomischen Gegenwartsversagen ablenken kann.“

(„Argumente für Kandidaten und Funktionsträger“ des NPD-Bundesvorstandes, 2006, S. 34)

 

Dies ist eine der indirekten Methoden, den verbrecherischen Charakter des NS-Regimes in Zweifel zu ziehen. Eine Reihe von anderen unwürdigen Tricks kommt in einer Stellungnahme der sächsischen Landtagsfraktion der NPD zum Ausdruck. Sie lehnte es darin ab, sich an einer Reise von Parlamentariern in die Gedenkstätte Auschwitz zu beteiligen:

„Die NPD-Fraktion wird sich nicht an einseitigen Sühnebekenntnissen beteiligen - weder in Auschwitz noch anderswo. Wer unbedingt seine Schuldkomplexe pflegen will, der soll das aus seiner Privatkasse tun und nicht auf Kosten des Steuerzahlers. Sollten sich die etablierten Parteien dazu durchringen können, in Nemmersdorf oder einem ähnlich symbolischen Ort auch an die deutschen Opfer von Flucht und Vertreibung zu gedenken, sind wir bereit, über eine gemeinsame Gedenkveranstaltung des Landtages nachzudenken.“

(Erklärung der Landtagsfraktion der NPD vom 10.01.2006, fehlerhafte Formulierung im Original)

Demnach bedient ein Gedenken an die Massenmorde der Nazis einen „Schuldkomplex“, der von den „etablierten Parteien“ bewusst „auf Kosten des Steuerzahlers“ „gepflegt“ werde. Dies bezeichnen Rechtsextremisten gerne als staatlich verordneten „Schuldkult“, mit dem Deutschland in einer Art moralischer „Schuldknechtschaft“ gehalten werden solle. Die Verantwortlichkeit für die Massenverbrechen der Nazis soll dadurch relativiert werden, dass heutige Rechtsextremisten angeblich ebenfalls Unrecht ausgesetzt seien. Meist geht dies mit dem Vorwurf einher, jüdische Organisationen nutzten das Gedenken an die NS-Verbrechen, um finanzielle Forderungen durchzusetzen.

Zwei weitere Agitationsmuster sind in dieser Textpassage zu erkennen. Eines besteht in der sogenannten „Aufrechnungstechnik“. Zweifellos hat es bei der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den früheren deutschen Ostgebieten auch Verbrechen gegeben. Diese Vorgänge waren aber die Folge eines von Deutschland begonnenen Vernichtungskrieges und können von diesem Zusammenhang nicht getrennt werden. Die NPD rechnet sie hingegen gegen die Verbrechen des Nationalsozialismus auf. Damit werden einerseits Ursachen und Folgen vertauscht und die industrielle Massenvernichtung unschuldiger Menschen mit der Vertreibung von anderen aufgerechnet. Zudem erscheinen hier die Deutschen in einer Opferrolle (sogenannte „Täter-Opfer-Umkehr“), obwohl sie die Ursachen für das, was ihnen 1945 und danach widerfuhr, selbst gesetzt hatten.

Das Beispiel zeigt nicht nur, wie geschickt Rechtsextremisten jenseits einer platten Verherrlichung des Nationalsozialismus vorgehen. Es belegt auch ihre völlige Unfähigkeit, zwischen Recht und Unrecht unterscheiden zu können.

Rudolf van Hüllen

 

(1) So gratulierte das Parteiorgan „Deutsche Stimme“ (Ausgabe vom 07.03.2007) beispielsweise dem langjährigen NPD-Funktionär und Verfasser revisionistischer Schriften Udo Walendy zum 80. Geburtstag und gab ihm Gelegenheit, sich zu seiner „politischen Verfolgung“ zu äußern.

Lesetipps:

  • Markus Tiedemann, „In Auschwitz wurde niemand vergast“. 60 rechtsradikale Lügen und wie man sie widerlegt, München 2000.

 

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