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Das Zentralkomitee der SED entlässt Honecker und weitere Mitglieder des Politbüros

von Wolfgang Tischner
Am 18. Oktober 1989 gab die DDR-Nachrichtenagentur ADN bekannt, dass der SED-Generalsekretär Erich Honecker aufgrund seines Gesundheitszustandes um Entpflichtung von seinen Ämtern gebeten habe. Mit dem Sturz Honeckers brach das Machtgefüge der DDR in den folgenden Wochen Stück für Stück ein, bis mit der Öffnung der Mauer am 9. November die Friedliche Revolution unumkehrbar wurde.

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Der Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrates, Erich Honecker, empfing im Hause des ZK die Vorsitzenden der Blockparteien und den Präsidenten des Nationalrates der Nationalen Front zu einem Gespräch. Hartmut Reiche/Bundesarchiv
Der Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrates, Erich Honecker, empfing im Hause des ZK die Vorsitzenden der Blockparteien und den Präsidenten des Nationalrates der Nationalen Front zu einem Gespräch. v.l.n.r.: Prof. Dr. Manfred Gerlach (LDPD), Gerald Götting (CDU), Dr. Günther Maleuda (DBD), Prof. Dr. Heinrich Homann (NDPD) und Prof. Dr. Lothar Kolditz (NR). Weiter nahmen daran teil v.r.: Joachim Herrmann, Günter Mittag und Karl Vogel, Abteilungsleiter des ZK.

Aufstieg aus dem Milieu

Der 1912 in Neunkirchen geborene Erich Honecker durchlief die klassische Sozialisation eines Kommunisten. Aus einem linkssozialdemokratisch organisierten Elternhaus stammend, engagierte er sich früh in der kommunistischen Jugendbewegung und später im „Saarkampf“ gegen den

Wiederanschluss an das Deutsche Reich. Von der Gestapo gefasst und 1937 zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, überlebte er mit knapper Not das Kriegsende. Schon vor der NS-Zeit war Honecker als „Führungskader“ ausersehen: Er durfte 1930 in Moskau studieren. 1945 setzte sich die Karriere bruchlos fort: die personell ausgeblutete KPD brauchte einen durchsetzungsfähigen Jugendfunktionär. Honecker wurde 1946 erster Sekretär der neugegründeten „Freien Deutschen Jugend“, eine Funktion, in der er die formal überparteiliche Jugendorganisation gleichschaltete. Honecker sorgte bei aller zur Schau gestellten Kameradschaftlichkeit persönlich dafür, dass ernstzunehmende Konkurrenten wie der aus der katholischen Jugendbewegung stammende CDU-Vertreter Manfred Klein von den Sowjets verhaftet wurden. Als FDJ-Vorsitzender gehörte Honecker seit den 1950er Jahren zur Führungsspitze der SED. Zielstrebig baute er seine persönlichen Kontakte aus, sowohl zu den sowjetischen „Freunden“ wie innerhalb der Partei. Nach einigen gescheiterten Beziehungen heiratete Honecker 1953 Margot Feist, die später als Volksbildungsministerin der DDR unter ihrem Mann amtierte. Beim Bau der Berliner Mauer 1961 war Honecker einer der hauptverantwortlichen Organisatoren.

 

SED-Generalsekretär und Vorsitzender des DDR-Staatsrates

1971 gelang es Honecker mit sowjetischer Unterstützung, den immer eigenwilliger agierenden Walter Ulbricht zu stürzen. Honeckers Politik der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ Anfang der 1970er Jahre lenkte Investitionsmittel aus der Wirtschaft in den Konsum um, um durch eine verbesserte Versorgungslage die Zustimmung zum Regime in der Bevölkerung zu erhöhen. Dies gelang nur teilweise, da das Regime, wie etwa die Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 zeigte, nicht zu einer grundlegenden innenpolitischen Liberalisierung bereit war. Auch die Beibehaltung der Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze ist Honecker persönlich zuzurechnen. Die zur Aufrechterhaltung des Konsums aufgenommenen Kredite im Westen sowie die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise schränkten den Spielraum der SED jedoch mehr und mehr ein. Außenpolitische Erfolge wie die de-facto-Aufgabe der Hallstein-Doktrin durch die Bundesregierung und die Rolle der DDR im KSZE-Prozess verloren im Zuge der Auseinandersetzungen im Gefolge des sowjetischen Einmarschs in Afghanistan 1979 und der Nachrüstungsdebatte Anfang der 1980er Jahre an Bedeutung.

 

Kampf gegen Gorbatschows Politik von „Glasnost“ und „Perestroika“

Als in der Sowjetunion unter Michail Gorbatschow Mitte der 1980er Jahre mit „Glasnost“ (Transparenz) und „Perestroika“ (Umgestaltung) eine tiefgreifende Reform des sozialistischen Gesellschaftssystems begann, verweigerte sich Honecker in der klaren Erkenntnis, dass sich damit früher oder später die Existenzfrage für die DDR stellen würde. Freilich verärgerte die orthodoxe Haltung der SED-Spitze die sowjetische Führung. 1987 konnte Honecker zwar mit dem lange aufgeschobenen Besuch in der Bundesrepublik noch einen Erfolg feiern, die dabei von der Regierung Kohl durchgesetzten Gegenleistungen im Bereich des Reiseverkehrs dürften aber viel zum Zerfall des SED-Staates beigetragen haben. Innenpolitisch gewann die sich unter dem Dach der Kirchen sammelnde Bürgerrechtsopposition an Kraft, und auch innerhalb der SED formierten sich Kritiker um den Wirtschaftshistoriker Jürgen Kuczynski. Als im Sommer 1989 die Weigerung Ungarns, DDR-Bürgern den Weg in den Westen zu versperren, zu einer Massenflucht führte, zeichnete sich der Zusammenbruch der SED-Herrschaft ab. Der 40. Jahrestag der DDR-Gründung am 7. Oktober 1989 war schon von Massenprotesten der Bevölkerung begleitet. Im Politbüro der SED, dem eigentlichen Machtzentrum der DDR, wandte sich die Stimmung gegen Honecker, der dann in bester kommunistischer Parteidisziplin am 17. Oktober mit für seine eigene Absetzung stimmte.

 

Prozess und Lebensende

Schon wenige Wochen nach seinem Sturz wurde Honecker aus der SED ausgeschlossen. Nach der Flucht nach Moskau und der Auslieferung an die Bundesrepublik wurde der Prozess gegen ihn nach einigen juristischen Querelen 1993 eingestellt, da Honecker unheilbar an Leberkrebs erkrankt war. Das Ehepaar Honecker wanderte nach Chile aus, wo ihre Tochter wohnte. Dort starb der ehemalige Staats- und Parteichef am 29. Mai 1994.

 

 

 

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