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Offizielle Gründung der deutsch-französischen Brigade in Böblingen, Unterstellung erster Truppenteile

von Michael Hansmann
„Dem Besten verpflichtet“ – „Devoir d’excellence“, so der Wahlspruch der Deutsch-Französischen Brigade. Ausgehend von einer deutsch-französischen Initiative ist sie zu einem wichtigen Bestandteil der europäischen multinationalen militärischen Zusammenarbeit geworden, die mit dem Eurokorps weiter ausgebaut wurde. Sie verkörpert den politischen Anspruch Deutschlands und Frankreichs, Motor der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu sein. Die Aufstellung der Brigade war ein historischer Schritt und stellte die deutsch-französische Freundschaft auf ein neues Niveau.

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Grundlagen und Entwicklung

Bereits seit Anfang der 1980er Jahre hatten der französische Staatspräsident François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl begonnen, die deutsch-französische Zusammenarbeit auf militärischem Gebiet auszubauen.

Noch vor dem Fall der Berliner Mauer und den Umbrüchen im Osten Europas fassten Helmut Kohl und François Mitterrand auf dem Deutsch-Französischen Gipfeltreffen am 13. November 1987 in Karlsruhe den Beschluss, einen gemeinsamen militärischen Verband zu gründen. Grundlage der Entscheidung zur Weiterentwicklung der deutsch-französischen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet war der 1963 vom französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer abgeschlossene Elysée-Vertrag.

Im Rahmen der Jubiläumsfeiern zum 25-jährigen Jahrestag des Elysée -Vertrages wurden am 22. Januar 1988 sowohl der deutsch-französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat als auch die Deutsch-Französische Brigade ins Leben gerufen.

François Mitterrand und Helmut Kohl wollten damit einerseits die deutsch-französischen Beziehungen auf militärischer Seite vertiefen und andererseits Motor für multinationale Anstrengungen zur Verbesserung der konventionellen Verteidigungsfähigkeit im Westen Europas sein.

Bereits am 1. Oktober 1988 wurde in Böblingen ein gemeinsamer deutsch-französischer Aufstellungsstab eingerichtet. Er stand unter dem Kommando des französischen Brigadegenerals Jean-Pierre Sengeisen. Nach einer einjährigen Vorbereitungszeit wurde die gemeinsame Brigade am 2. Oktober 1989 am Standort Böblingen offiziell gegründet und ihr wurden erste Truppenteile unterstellt. Am 17. Oktober 1990, also kurz nach der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, fand die feierliche Indienststellung der Deutsch-Französischen Brigade in Malsheim durch den deutschen Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg und seinen französischen Amtskollegen Jean-Pierre Chevènement statt. Während der Aufbauphase erfolgte 1992 die Verlegung des Brigadestabs nach Mülheim in die Robert-Schuman-Kaserne. Der gemeinsame Aufbau der Brigade nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit stand auch unter dem Eindruck des Abzugs der französischen Streitkräfte aus Deutschland, um die engen Bindungen zwischen den beiden Streitkräften langfristig zu sichern und auszubauen.

Am 1. Oktober 1993 wurde die Deutsch-Französische Brigade dem neu gegründeten Eurokorps als Kerneinheit unterstellt, was u.a. einen Meilenstein auf dem Weg zur gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bedeutete.

Zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli 1994 nahmen erstmals deutsche und französische Einheiten der gemeinsamen Brigade an der Parade in Paris teil.

In den ersten Jahren des Bestehens der Brigade wurden gemeinsame Grundsätze für Ausbildung, Übungen und Einsätze hervorgehend aus den jeweiligen nationalen Dienstvorschriften abgestimmt. Dies war wichtig für die Interoperabilität der Truppenteile aus beiden Ländern.

Die Organisation und der gemeinsame Betrieb der Brigade wurden in bilateralen Verwaltungsvereinbarungen geregelt, diese betreffen u.a. auch die Rechtsstellung der Soldaten und die Lastenverteilung.

Ein Höhepunkt in der konzeptionellen Entwicklung der gemeinsamen Brigade wurde die am 26. Oktober 2004 in Kabul vom deutschen und französischen Inspekteur des Heeres unterzeichnete „Vereinbarung über die Deutsch-Französische Brigade“. Hierin wurde der Auftrag der Brigade in drei Bereichen definiert:

  1. Sie sollte einen Beitrag zur deutsch-französischen Freundschaft und zur Erhaltung des erreichten Vertrauens durch die Entwicklung gemeinsamer Grundsätze, Verfahren und Regelungen leisten.
    • Die militärische Effizienz der Brigade wird durch Harmonisierung von Verfahren, Standardisierungen und Interoperabilität verbessert.
    • Es sollte ein einsatz- und leistungsfähiger Großverband mit einer Grundbefähigung für militärische Anfangsoperationen geschaffen werden.

In einer Ergänzung für den operativen Bereich wurde am 19. Dezember 2004 ein Leitbild geschaffen. Die Deutsch-Französische Brigade wird darin als binationaler Großverband definiert, der aus den jeweiligen nationalen Planungen gelöst wird, um vorrangig binational eingesetzt zu werden. Sie soll zudem das gesamte mögliche Spektrum von EU- und NATO-Einsätzen abdecken können und als Kern einer schnellen Eingreiftruppe der NATO dienen. Die Deutsch-Französische Brigade soll als „vernetzter Großverband mit einem Höchstmaß an Interoperabilität richtungsweisend in Europa werden“.

Bei Übungen und im Einsatz ist die gemeinsame Brigade Bestandteil des Eurokorps. Die Einheiten sind als schnelle Eingreifverbände aufgebaut, können neben humanitären Einsätzen bei Bedarf auch zu friedenserzwingenden Operationen eingesetzt werden.

Auf der 45. Münchner Sicherheitskonferenz 2009 einigten sich der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf die Stationierung eines deutschen Truppenteils der Deutsch-Französischen Brigade in Frankreich. Die Aufstellung des deutschen Jägerbataillons 291 erfolgte ab April 2010 in Illkirch-Graffenstaden im Elsass und die Einheit wurde am 10. Dezember 2012 durch den deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und dem französischen Verteidigungsminister Alain Juppé in Straßburg feierlich in Dienst gestellt. Im gleichen Zeitraum erfolgte die Verlegung des französischen Husarenregiments von Immendingen nach Metz in Frankreich. Die Einheiten der gemeinsamen Brigade, die bis 2009 ausschließlich in Deutschland stationiert waren, sind nun in beiden Ländern stationiert.

Nach einer Ankündigung des französischen Verteidigungsministeriums am 31. Oktober 2013 entschied Frankreich im Rahmen der Umstrukturierung der französischen Streitkräfte, den letzten in Deutschland verbliebenen Kampfverband, das 110. Infanterieregiment, bis Mitte 2014 aufzulösen, was den Abschluss des Rückzugs der französischen Armee, der Anfang der 1990er Jahre begann, bedeutet. Um die gemeinsame Brigade nicht zu schwächen, wird mit dem 1. Infanterieregiment (1er Régiment d'Infanterie) aus Sarrebourg, ein in Frankreich stationierter Verband der Brigade unterstellt.

 

Einsätze

Seit ihrer Gründung wurden Einheiten der Deutsch-Französischen Brigade in fast allen Einsatzgebieten eingesetzt, in denen die Bundeswehr mit Heereskräften präsent war oder ist, wie beispielsweise in Bosnien-Herzegowina, Mazedonien (FYROM), dem Kosovo und Afghanistan. Neben rein militärischen Aufgaben wurde die Brigade auch zu humanitären Einsätzen wie etwa nach dem schweren Sturm „Lothar“ 2000 im Schwarzwald, nach der Öl-Katastrophe durch den Untergang des Öl-Tankers „Erika“ an der bretonischen Küste oder dem Elbhochwasser 2002 eingesetzt.

Neben diesen Einsätzen ist die Brigade an vielen multinationalen Übungen beteiligt und zeigt dort ihre Einsatz- und Leistungsfähigkeit. Zu nennen sind hier u.a. die trinationale Übung „Concordia“ mit Polen, mit dem Eurokorps, der Übung „Brilliant Ledger“ zur Zertifizierung der NATO Response Force 2006, der NATO-Übung „Steadfast Jaguar“ zur Demonstration der schnellen Verlegefähigkeit und Einsatzfähigkeit auf den Kapverdischen Inseln.

 

Struktur und Gliederung

Die Deutsch-Französische Brigade ist ein mobiler binationaler Verband mit einer Stärke von ca. 5.500 (Stand 2009) Soldatinnen und Soldaten, vom Typus einer leichten Infanteriebrigade mit verstärkter Versorgungs- und Aufklärungskapazität. Neben rein nationalen Verbänden gibt es gemischte Einheiten in der Brigade wie den gemeinsamen Brigadestab sowie das Deutsch-Französische Versorgungsbataillon. Dazu stellt die Bundeswehr zwei Jägerbataillone (Infanterie/Aufklärung), ein Artilleriebataillon sowie eine Panzerpionierkompanie mit ca. 3.200 Soldaten. Frankreich stellt mit ca. 2.200 Soldaten derzeit ein Husarenregiment (Aufklärung und Panzerabwehr) und ein Infanterieregiment.

Die Führung der Brigade rotiert im Zweijahresrhythmus zwischen Deutschland und Frankreich. Stellt die eine Seite den Brigadekommandeur, besetzt die andere Seite den Stellvertreter. Dies gilt ebenfalls für weitere Dienstposten, wie beispielsweise dem Chef des Stabes.

Deutsch und Französisch sind die offiziellen Sprachen der Brigade, wobei Englisch als operative Sprache genutzt wird.

Die Soldaten der Brigade tragen die jeweiligen nationalen Grunduniformen, haben allerdings gemeinsame Uniformbestandteile und ein gemeinsames Verbandsabzeichen. So tragen alle Truppenteile ein marineblaues Barett mit dem Barettabzeichen der Deutsch-Französischen Brigade, welches die Flaggen Deutschlands und Frankreichs stilisiert zusammenführt.

 

Literatur:

  • Hass, Sebastian: „Joyeux anniversaire!“ oder „Alles Gute zum Ehrentag“ – die deutsch-französische Brigade feiert ihren 20. Geburtstag, in: Civis mit Sonde, Heft 4/2009, S. 13-15.​​​​​​Siemes, Thomas: „le devoir d’excellence“ – 20 Jahre Deutsch-Französische Brigade, in: Dokumente/Documents (Sondernummer) 65 (2009), Seite 27-30.
  • Richter, Oliver; Stangs, Peter; Fischer, Lars: 20 Jahre Deutsch-Französische Brigade, in: Europäische Sicherheit, 10/2009, S. 17-20.
  • Wunder, Oliver; Jungmann, Antje: Für den Einsatz gerüstet – die Deutsch-französische Brigade, in: wt V/2010, S. 58-63.
  • Webpräsenz der Deutsch-Französischen Brigade

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