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Wahlen zum 2. Deutschen Bundestag

von Kathrin Zehender
Am 9. Oktober 1953 wurde Konrad Adenauer zum zweiten Mal zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Bei der Wahl erreichte die Union einen erdrutschartigen Sieg: Sie gewann 45,2 Prozent der Stimmen und damit die absolute Mehrheit der Mandate. Ob die CDU tatsächlich als Gewinnerin hervorgehen würde, war noch im Jahr vor der Bundestagswahl ungewiss.

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Debatten um Adenauers Politik der Westbindung

Bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz am 29. April 1951 blieb die CDU zwar stärkste Kraft, musste aber herbe Verluste – acht Prozent der Stimmen – hinnehmen. In Niedersachsen war die Lage noch dramatischer: Hier verlor die CDU, die zusammen mit der Deutschen Partei (DP) als „Niederdeutsche Union“ angetreten war, am 6. Mai 13,9 Prozent der Stimmen und schied aus der Koalition mit der SPD aus. Auch die Kommunalwahlen in Hessen am 4. Mai 1952 ließen nichts Gutes erwarten: 12,9 Prozent bei den Gemeinderatswahlen und 17,8 Prozent bei den Kreistagswahlen – weit abgeschlagen hinter der SPD, die 31,6 bzw. 38,5 Prozent erzielte. Die Politik der ersten Regierung Adenauer war – nicht zuletzt aufgrund der umfassenden Veränderungen, die angegangen werden mussten, und aufgrund der klaren Positionierungen Adenauers, beispielsweise in Sachen Westbindung – in breiten Bevölkerungskreisen nicht ganz unumstritten. Erfolge waren noch nicht absehbar.

Gerade um Adenauers Deutschland- und Außenpolitik wurden in den ersten Jahren des Bestehens der Bundesrepublik noch heftige Debatten geführt. Während Adenauer die Westintegration vorantrieb und für alternativlos hielt, gab es selbst in der Union Stimmen, die sich für einen „Dritten Weg“ und einen Ausgleich mit dem Osten einsetzten. Kritiker von Adenauers Politik wie Jakob Kaiser oder Gustav Heinemann befürchteten, dass Adenauers Kurs die deutsche Teilung vertiefen und eine Wiedervereinigung unmöglich machen würde.

Einen Höhepunkt erlebte diese Diskussion im Frühjahr 1952 mit der Stalin-Note. Darin schlug Josef Stalin den Westmächten ein vereintes, souveränes, demokratisches Deutschland vor, das – in begrenztem Umfang – auch über eigene Streitkräfte verfügen dürfte. Im Gegenzug sollte das wiedervereinigte Land Neutralität wahren; alle Besatzungstruppen sollten abgezogen werden. Insbesondere die SPD, aber auch Unionspolitiker wie Kaiser forderten – durchaus im Bewusstsein des damit verbundenen Risikos –, den Vorschlag diplomatisch auszuloten. Die Westmächte hingegen lehnten das vermeintliche Angebot ab. Sie sahen darin den Versuch, die Westbindung zu stören.

Auch die deutsche Wiederbewaffnung, um die in diesen Monaten nicht weniger heftig gerungen wurde, sollte ihrer Ansicht nach so verhindert werden. Adenauer unterstützte die ablehnende Haltung der Westmächte. In den folgenden Jahren sah er sich jedoch dem Vorwurf ausgesetzt, mit seiner Position eine reale Chance zur Wiedervereinigung vergeben zu haben.

Auch vom „Wirtschaftswunder“ konnte im Jahr vor der Bundestagswahl noch keine Rede sein. Besonders pessimistisch sahen die Prognosen noch 1951 aus. So hatte die Korea-Krise zu stark steigenden Rohstoffpreisen geführt, die den wirtschaftlichen Aufschwung bremsten. Erhards Konzept der Sozialen Marktwirtschaft war vor diesem Hintergrund noch längst nicht populär. Erst in der zweiten Jahreshälfte 1952 schlug die Stimmung um, und der wirtschaftliche Aufschwung wurde für die Bevölkerung spürbar: Aus der Korea-Krise wurde der Korea-Boom. Die Arbeitslosigkeit ging immer weiter zurück, und die Menschen konnten sich eigene Konsumwünsche erfüllen. Vom Herbst 1952 an stieg auch Adenauers Zustimmungskurve kontinuierlich.

 

Adenauer in den USA

Der positive Trend setzte sich im Frühjahr 1953 fort. Einen nicht unwesentlichen Beitrag dazu leistete Adenauers erste Reise in die Vereinigten Staaten. Am 6. April 1953 lief der Transatlantikliner „United States“ mit dem Bundeskanzler an Bord in New York ein. In Washington führte er Gespräche mit US-Präsident Dwight D. Eisenhower und US-Außenminister John Foster Dulles. Auf dem Soldatenfriedhof Arlington legte er einen Kranz auf dem Grab des unbekannten Soldaten nieder. Die juristische Fakultät der Georgetown University in Washington verlieh ihm im Rahmen einer Feierstunde einen Ehrendoktor-Titel. Immer dabei in diesen Tagen waren die Kameras, die die bewegenden Bilder festhielten.

So gelang es Adenauer, aus diesem Besuch einen doppelten Erfolg zu machen: In den USA wurde er als Staatsmann anerkannt und in den Medien gefeiert; dass er kurz vor seiner Abreise gegen starke Widerstände noch das Wiedergutmachungsabkommen mit Israel durch den Bundestag bringen konnte, brachte ihm nun in den USA zusätzlich Sympathien ein. Die Bundesrepublik, repräsentiert durch Konrad Adenauer, war wieder ein anerkannter Partner. Zu Hause verfolgten die Menschen derweil an den Bildschirmen Adenauers Reise. Otto Lenz, Staatssekretär im Bundeskanzleramt, verstand es, den Besuch perfekt in Szene zu setzen und machte aus der Reise gar einen Kino-Film. Als Adenauer am 19. April spätabends in Hamburg landete, wurde er von tausenden Begeisterten empfangen.

In der Hansestadt angekommen, ging es für den Bundeskanzler direkt weiter zum Bundesparteitag der CDU. Hier beschloss die Partei ihr Hamburger Programm, das als Wahlprogramm fungierte und Richtschnur für die Politik des kommenden Bundestages sein sollte.

 

Moderner Wahlkampf

Der Hamburger Parteitag läutete den eigentlichen Wahlkampf ein. Mit Blick auf die herben Verluste bei den vergangenen Landtagswahlen 1950/1951 war Adenauer davon überzeugt, dass er – sollte die Union die Wahl gewinnen und er selbst mit der Regierungsbildung betraut werden – auf die kleineren Parteien angewiesen sein würde. Nicht nur auf den Koalitionspartner FDP, sondern auch auf die DP und den Gesamtdeutschen Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE) nahm die Union im Wahlkampf Rücksicht.

Gegen die SPD , die nach dem Tod Kurt Schumachers im August 1952 nun mit Erich Ollenhauer als Spitzenkandidat in den Wahlkampf zog, führte er dagegen einen erbitterten und polarisierten Wahlkampf. Immer wieder machte Adenauer klar, dass die SPD nach wie vor eine „marxistische Klassenpartei“ sei, die alle außenpolitischen Erfolge aufs Spiel setzen würde. „Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau“ lautete einer der bekanntesten Slogans.

Der Bundestagswahlkampf 1953 war überdies der erste moderne, nach amerikanischem Vorbild geführte Wahlkampf. Mit dem Slogan „Deutschland wählt Adenauer“ war er klar auf die Person Adenauer zugeschnitten. Gekonnt wurden die Erfolge des Bundeskanzlers inszeniert: außenpolitisch der Wiederaufstieg Deutschlands vom Kriegsgegner zum anerkannten Partner; innenpolitisch die Fortschritte im Wohnungsbau, die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen, die Stabilisierung der Währung und die verbesserte Versorgungslage der Bevölkerung.

Dabei wurde stets darauf geachtet, Adenauer als Staatsmann zu zeigen, der über dem Parteiengezänk und für den politischen „Kredit“ stand, den er sich durch seine mühsame und zähe politische Aufbauarbeit für die Bundesrepublik in den vergangenen vier Jahren erworben hatte. Wöchentlich fanden mit seinem Wahlkampfteam, zu dem neben Otto Lenz auch Ministerialdirektor Hans Globke und Felix von Eckardt, Leiter des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, gehörten, Strategiebesprechungen statt. Erstmals wurden systematisch Meinungsumfragen genutzt, und nach der USA-Reise konnte Adenauers Team einen sprunghaften Anstieg seiner Zustimmungskurve verzeichnen. Adenauer blieb dennoch pessimistisch und traute diesen neuen Methoden zur Ermittlung der Bevölkerungsmeinung nicht über den Weg.

Eine Besonderheit des Wahlkampfes 1953 war derweil der „Sonderzug“, mit dem Adenauer durch die Bundesrepublik zu Terminen und Wahlkampfveranstaltungen fuhr. Immer dabei: die Presse, für Adenauer eher ein notwendiges Übel. Gerade Otto Lenz war es jedoch zu verdanken, dass Adenauer die Notwendigkeit erkannte, ein produktives Verhältnis mit den Journalisten zu pflegen. Eigens für die Presse wurde im Sonderzug ein Wagon mit Schlafabteil eingerichtet. Im Speisewagen führte er mit ausgewählten Journalisten Hintergrundgespräche. Auch auf diesen Reisen wurde dem Bundeskanzler viel Zustimmung und Begeisterung zuteil.

 

Der 17. Juni 1953

Mit Blick auf Adenauers noch immer umstrittene Deutschlandpolitik war der 17. Juni 1953 von großer Bedeutung. Der Volksaufstand in der DDR hatte alle überrascht. Einen Tag lang revoltierte die Bevölkerung gegen die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Mit Hilfe des Einsatzes sowjetischer Panzer wurde der Aufstand blutig niedergeschlagen. Über 50 Menschen starben, tausende wurden festgenommen.

Alle Wiedervereinigungsangebote von Seiten der Sowjetunion hatten sich damit als leere Versprechen erwiesen.

Gleichzeitig erschien Adenauers Politik der Westbindung nun in einem anderen Licht: War der Bundeskanzler lange als „blinder Antikommunist“ portraitiert worden, war jetzt eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung von der Richtigkeit seiner Politik überzeugt. Gerade die Brutalität, mit der der Aufstand niedergeschlagen worden war, zeigte, wir real die kommunistische Bedrohung war. Am 23. Juni versammelten sich vor dem Schöneberger Rathaus in West-Berlin rund 125.000 Menschen zu einer Trauerfeier. Hier erklärte der Bundeskanzler: „Wir werden nicht ruhen und wir werden nicht rasten – diesen Schwur lege ich ab für das gesamte deutsche Volk –, bis auch sie wieder Freiheit haben, bis ganz Deutschland wieder vereint ist in Frieden und Freiheit.“

 

Wahlsieg und Regierungsbildung

Die Ereignisse im Vorfeld der Bundestagswahl führten dazu, dass sich die Position Adenauers kontinuierlich verbesserte. Das Wahlergebnis überraschte aber doch alle, ganz besonders den Bundeskanzler selbst: CDU und CSU erhielten 45,2 Prozent der Stimmen, die SPD 28,8 Prozent, die FDP 9,5 Prozent, die DP 3,2 Prozent und der GB/BHE 5,9 Prozent. Das Ergebnis war eine eindrucksvolle Bestätigung für die Westintegration und die Politik der Sozialen Marktwirtschaft. Das gute Ergebnis der CDU war aber auch darauf zurückzuführen, dass Adenauer bei dieser Wahl der Einbruch ins protestantische Milieu voll gelungen war. Zudem profitierte die Union von der Einführung der Fünf-Prozent-Klausel. Die Sperrklausel führte zu einer deutlichen Reduzierung der im Bundestag vertretenen Parteien: Weder der KPD noch der Bayernpartei gelang der Wiedereinzug in den Bundestag. Das deutsche Parteiensystem stabilisierte sich.

Rein rechnerisch benötigte Adenauer nur einen einzigen Koalitionspartner. Er ging dennoch ein Bündnis mit FDP und DP ein, um eine möglichst breite Basis zur Absicherung der Westverträge zu haben. Zusätzlich nahm er auch den GB/BHE mit in die Regierung auf, obwohl er damit zwei Minister mit NS-Vergangenheit an seinem Kabinettstisch akzeptierte: Theodor Oberländer und Waldemar Kraft. Adenauer war dazu aus mehreren Gründen bereit: Zum einen zielte die Politik der CDU ohnehin auf eine rasche Integration der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen ab, die die Hauptklientel des GB/BHE darstellten. Gerade der im August 1952 beschlossene Lastenausgleich spielte dabei eine wichtige Rolle. Zum anderen war es Adenauers Ziel, auch die mit einer nationalsozialistischen Vergangenheit belasteten Bevölkerungskreise zu integrieren und für die Demokratie zu gewinnen – sofern sie sich klar von ihrer NS-Vergangenheit distanzierten und zur Mitarbeit am demokratischen Aufbau bereitfanden. Sollte dies gelingen, war sich Adenauer sicher, hätte die rechts gerichtete Partei ohnehin keine Zukunft. Adenauers Kalkül sollte bald aufgehen: Schon 1957 verpasste der GB/BHE den Wiedereinzug in den Bundestag.

Die Regierungsbildung mit den insgesamt fünf Parteien gestaltete sich schwierig, da gerade die kleineren Koalitionspartner darauf bedacht waren, bei der Themensetzung sowie der Verteilung der Ministerien angemessen berücksichtigt zu werden. Besonders die FDP hatte nach ihrem schlechten Wahlergebnis Sorge, dass sie in den „Adenauer-Sog“ geraten könnte. Von 44 FDP-Abgeordneten stimmten nur 24 für eine Regierungsbeteiligung. Insbesondere in Fragen der Außen- und Deutschlandpolitik kam es zu Differenzen. Auch die Saarfrage und die europapolitischen Initiativen Adenauers waren zwischen CDU und FDP umstritten. Vor allem der FDP-Vorsitzende Thomas Dehler attackierte die Politik des Bundeskanzlers immer wieder scharf.

Auch die Verhandlungen mit der Schwesterpartei CSU liefen zeitweise zäh, da Franz Josef Strauß das Verteidigungsministerium für sich beanspruchte. Am Ende konnte er sich jedoch nicht durchsetzen und musste sich mit dem Amt als Minister für besondere Aufgaben zufrieden geben. Mit der eigenen Partei entbrannte ein Streit um das Außenministerium: Seit März 1951 übte Adenauer das Amt des Außenministers in Personalunion aus und wollte daran vorläufig auch nichts ändern. Zu wichtig schienen ihm die anstehenden außenpolitischen Beratungen mit den westlichen Alliierten. Heinrich von Brentano, der mit der Übernahme dieses Amtes bereits fest gerechnet hatte, blieb noch bis 1955 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bevor er zum Außenminister ernannt wurde.

Die Kabinettsbildung zeigte deutlich, wie Adenauer geschickt versuchte, die unterschiedlichen Interessen und Lager der insgesamt fünf Parteien auszugleichen und zu integrieren. Um alle Begehrlichkeiten in dieser großen Koalition zu befriedigen, musste das Kabinett am Ende jedoch von 13 auf 19 Minister erweitert werden. Adenauer selbst empfand diese Wochen als so anstrengend, dass er später erklärte: „Lieber sechs Wochen Wahlkampf als eine Woche Regierungsbildung.“ Nachdem er 1949 aber noch mit nur einer Stimme Mehrheit zum ersten Bundeskanzler gewählt worden war, wurde er nun mit einem guten Ergebnis belohnt: Am 9. Oktober 1953 wurde er im Deutschen Bundestag von 305 Abgeordneten zum zweiten Mal zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt.

 

Literatur:

  • Bösch, Frank: Macht und Machtverlust: Die Geschichte der CDU. Stuttgart 2002.
  • Ders.: Die Adenauer-CDU. Gründung, Aufstieg und Krise einer Erfolgspartei 1945-1969. Stuttgart 2001.
  • Biermann, Werner: Konrad Adenauer. Ein Jahrhundertleben. Berlin 2017.
  • Geppert, Dominik: Die Ära Adenauer. 3. Auflage. Darmstadt 2012.
  • Schwarz, Hans-Peter: Adenauer. Der Aufstieg: 1876-1952. Stuttgart 1986.
  • Ders.: Adenauer. Der Staatsmann: 1952-1967. Stuttgart 1991.

 

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