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Länderberichte

Senegal startet Offensive gegen Nahrungsmittelknappheit

von Dr. jur. Stefan Gehrold

Kritiker sind nicht überzeugt

Mit viel Pomp und in Anwesenheit Tausender feierte Präsident Wade am 27. Oktober auf dem Place de l’Indépendance das Erntedankfest und den Erfolg des GOANA-Programms. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Nahrungsmittelknappheit vom Juni durch die reichhaltigen Regenfälle statt durch das staatliche Subventionsprogramm GOANA überwunden wurde.

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Rückblick: Ob Reis, ob Mais: Millionen Menschen in Senegal leben von Getreide. Doch das Korn wird unbezahlbar. Es kommt zu Hungerprotesten.

Hungerproteste

Auf den T-Shirts der Demonstranten steht: „Es reicht! Wir haben Hunger.“ Eine Frau erklärt: „Wir können nicht mehr! Reis, Zucker, Speiseöl, alle Preise ist gestiegen. Wir stehen hier mit leeren Reis-säcken und leeren Speiseölflaschen, um der Welt zu zeigen, dass wir vor Hunger sterben werden, wenn das so weitergeht. Es reicht jetzt.“ Hintergrund: Anfang des Jahres 2008 kam es zu Protesten und Unruhen aufgrund von Preissteigerungen bei Lebensmitteln. Die Preise haben sich gemäß Weltbank innerhalb von drei Jahren verdoppelt.

Senegal beschuldigt FAO

Senegals Staatschef Abdoulaye Wade fordert die Abschaffung der UNO-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) und stattdessen den Ausbau eines weltweiten Landwirtschaftshilfsfonds. Trotz der Verdienste ihres senegalesischen Chefs Jacques Diouf sei es „Geldverschwendung“, an der FAO festzuhalten. Wade wirft der FAO zudem vor, die hohen Preise für Lebensmittel mit verursacht zu haben.

Hohe Preise, kein Regen

Der Index der Grundnahrungsmittelpreise ist zwischen 2007 und 2008 von 35 auf 150 Prozent hochgeschnellt. In Senegal, einem armen Land in der Sahelzone, verkauften während der Hitzeperiode man-che Familienväter sogar ihre wenigen Rinder, um ihre Familie ernähren zu können. In der westafrikanischen Republik bestimmt der Regen die landwirtschaftlichen Zyklen. Nur ein kleiner Teil der Nutzfläche wird bewässert. Bleibt der Regen aus, kann nichts geerntet werden und auch das Vieh hat nichts zu fressen. Aus dem Dorf Tabi Fall beispielsweise fliehen wegen der Lebensmittelkrise regelmäßig fünf bis sechs junge Leute pro Haushalt in die Stadt Dakar. Die Nichtregierungsorganisation Oxfam schätzt, dass circa 300 Millionen Menschen weltweit aufgrund der Nahrungsmittelkrise in die Armut abgleiten werden.

Senegal ohne Ernte

Missernten durch Klimawandel, die stetige Verringerung von Anbauflächen für Nahrungsmittelpflanzen und die drastische Reduzierung der Investitionen im Agrarsektor – die Nahrungsmittelkrise hat viele Ursachen. Sie ist unter anderem die Konsequenz einer Vielzahl absehbarer globaler Entwicklungen und politischer Fehlentscheidungen. Weiterhin haben die Getreidebestände weltweit das niedrigste Niveau seit 25 Jahren erreicht und sind im Jahr 2008 um weitere fünf Prozent gesunken. Steigende Ölpreise, zunehmende Verwendung von Getreide für Bio-Kraftstoff: Die Probleme addieren sich und führen zur Verärgerung der Bevölkerung.

Die Rückkehr des Hungers?

Abdoulaye Wade indessen ist davon überzeugt, dass es weder eine Lebensmittelknappheit noch eine Hungersnot in Senegal gibt und verweist auf sein Programm GOANA (Große Offensive für Nahrungsmittel im Überfluss) vom Mai 2008 zur Förderung der Landwirtschaft. Dadurch soll Senegal langfristig unabhängiger von Nahrungsmittelimporten werden.

Die Ernte eines Versäumnisses

Senegal ist eines der importabhängigsten Länder, was Nahrungsmittel betrifft. Es importiert mehr als 50 Prozent der konsumierten Nahrungsmittel. Die Ursache dieser Abhängigkeit liegt weit zurück: Die französischen Kolonialherren beschlossen Anfang des 20. Jahrhunderts, Senegal auf die Produktion von Erdnüssen zu spezialisieren und Reis aus ihren Kolonien in Indochina für die wachsende Bevölkerung der Städte zu importieren.

GOANA als Lösung?

GOANA soll nun eine ausreichende Lebensmittelselbstversorgung innerhalb von sechs Jahren für umgerechnet einen Betrag von 524 Millionen Euro garantieren. GOANA ist nicht der erste Versuch einer senegalesischen Regierung, sich aus der Nahrungsmittelabhängigkeit zu befreien. Schon die Vorgänger Wades entwarfen entsprechende Pläne, die jedoch alle scheiterten. Daraus scheinen die Verantwortlichen nicht gelernt zu haben.

Vorgesehen ist eine Produktionssteigerung von jährlich zwei Millionen Tonnen Mais, drei Millionen Tonnen Maniok, 500 Tausend Tonnen Reis und weitere zwei Millionen Tonnen anderer Getreidearten wie beispielsweise Hirse und sogar angepasste Weizensorten, 400 Millionen Liter Milch und 435 Tausend Tonnen Fleisch.

GOANA erstreckt sich allerdings nicht auf den Anbau von Erdnüssen, Tomaten, Zwiebeln und Baumwolle. Diese Felder sind somit große Verlierer des Programms.

Die Produktion von Maniok beläuft sich überdies momentan auf 170 Tausend Tonnen pro Jahr und deckt damit bei weitem den nationalen Bedarf ab. Durch GOANA soll die Produktion um das Achtzehnfache vermehrt werden. Aber: Für wen? Weder ist das Produkt über die Region hinaus bekannt, noch ist ansatzweise eine Strategie zur Vermarktung auf dem globalen Markt für landwirtschaftliche Erzeugnisse ersichtlich.

Ein weiterer fundamentaler Fehler des Programms ist die Verknüpfung der Subvention mit der Pflicht zum Anbau bestimmter Früchte. Ferner setzt die Förderung die Nutzung aller Flächen voraus, auch die derjenigen, die bislang nicht landwirtschaftlich genutzt wurden, z. B. Wälder. Kritiker befürchten die Beschleunigung der Brandrodung.

Beobachter befürchten auch, dass vor allem Großbauern, regionale Oberhäupter und islamische religiöse Führer von dem Programm profitieren werden. Es bleibt folglich abzuwarten, ob das Programm GOANA entgegen den Erwartungen doch noch eine Wende der langjähri-gen Nahrungsmittelkrise herbeiführen kann.

Senegal könnte Nettoexporteur sein

Welche Alternativen gibt es? Senegal ist ein reiches Land mit fruchtbaren Regionen und ausreichend Wasser, zumindest nach guten Regenzeiten. Das Land könnte Nettoexporteur agrarischer Produkte bei guter Bewirtschaftung sein. Aber dazu bedarf es des Willens auf allen Ebenen. Es gibt kein landwirtschaftlich genutztes Privateigentum. Nach dem Tod eines Nutzungsberechtigten fällt das Land automatisch wieder in die Verfügungsgewalt des Staates. Dieses Relikt aus sozialistischen Zeiten hält niemanden zur Investition im Agrarbereich an. Der private Erwerb landwirtschaftlich genutzter Flächen müsste ermöglicht werden. Die Flächen sind fast durchgehend viel zu klein um extensive Bewirtschaftung zu ermöglichen. Große Agrarbetriebe müssten her. Die entwickeln sich aber wegen der Eigentumssituation nicht. Dennoch könnte die Einrichtung von landwirtschaftlichen Genossenschaften hilfreich sein. Das geschieht aber nicht. Selbst im Kleinen ist man in der Bevölkerung nicht bereit, gemeinsam landwirtschaftlich genutzte Flächen zu bewirtschaften. Es bedürfte also der Sensibilisierung diesbezüglich. Gerade daran sind jedoch schon viele sinnvolle Initiativen gescheitert.

Hinsichtlich der Fruchtfolge müsste diversifiziert werden. Tatsächlich baut man liebend gern die relativ einfach zu kultivierenden Erdnusspflanzen an. Diese werden dann verkauft, helfen aber kaum bei der Ernährung der Bevölkerung. Pflanzen, deren Anbau größere Anstrengungen oder ganzjährige Wasserzufuhr erfordern, wie Gemüse zum Beispiel, gehören nicht zu den Favoriten der senegalesischen Bauern.

Es fehlt auch im Hinblick auf den Nahrungsmittelexport an vernünftigen Marktanalysen. Tatsächlich wächst der Markt im Bereich Bioerzeugnisse in den deutschsprachigen Ländern in den letzten drei Jahren jährlich um circa 30 Prozent. Gemüse und Obst werden wegen des sicheren Klimas fast ausschließlich aus Ägypten eingeführt. Warum nicht aus dem Senegal? Dann aber müsste auch die Infrastruktur (Schiene und Straße) so entwickelt werden, dass ein teurer Kühlcontainer mit Gemüse nicht tagelang vom Anbaugebiet bis zum Hafen nach Dakar benötigt. Um dort nochmals lange zu liegen, weil die Abfertigung zu langsam oder gar nicht erfolgt, weil mal wieder einer der zahlreichen Feiertage entgegen steht. Bis zur Löschung in Rotterdam oder Hamburg ist die Frucht dann verdorben.

Größtes Problem: Mentale Hürden

In einem Gespräch mit dem Staatspräsidenten war dieser von der Idee angetan. Aber die Vorschläge seiner Berater bewiesen deutlich, dass man hier nicht weiter kommt: Die Deutschen sollten dann mal kommen und hier in die Landwirtschaft investieren. Man wäre auch bereit, mit ihnen zu kooperieren und ihnen entgegen zu kommen. Dass Biofoodketten in Europa keine eigenen Anbauflächen haben, war offensichtlich unbekannt. Entscheidend ist also ein Umdenken: Erst müssen die Senegalesen ihre Hausaufgaben machen, dann kommen die Europäer und machen mit ihnen Geschäfte, die beiden Seiten etwas bringen. Denn bereits machen die Franzosen und Libanesen gute Geschäfte im Senegal. Aber eben nur im Import. Wertschöpfung entsteht dadurch nicht.

Zu guter Letzt: Die Casamance

Die Region leidet nach wie vor unter einem schwelenden Konflikt um ihren Status. Die ehemalige Reiskammer des Landes liegt danieder. Und damit die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Viele Bauern sind auf der Flucht oder vertrieben. Viele Gebiete sind nach wie vor vermint und können nicht bewirtschaftet werden. Zugewachsene Landschaften einerseits und Brandrodung andererseits sind die Konsequenz. Eine endgültige Befriedung des Konflikts könnte helfen. Und damit das Land vor Instabilität und seine Bevölkerung vor Hunger bewahren.

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Kontakt

Dr. Hardy Ostry

Dr

Leiter des Auslandsbüros Washington, D.C.

hardy.ostry@kas.de

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