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„A place to be“: Warum die Kampagne von Barack Obama so erfolgreich war

von Dr. Kristina Hucko

Eindrücke von einer Reise nach Washington und Ohio

Der teuerste und längste Präsidentschaftswahkampf in der Geschichte der Vereinigten Staaten ist mit einem überragenden Sieg von Barack Obama zu Ende gegangen.

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Für Mark Mellman, einen der führenden Kommunikationsstrategen und Inhaber der Mellman Group, war von Anfang an klar, dass der demokratische Kandidat/in die Wahl gewinnen wird. In den bisherigen Präsidentschaftswahlen hat sich gezeigt, dass die Chance zum Wahlsieg relativ groß ist, wenn die regierende Partei zum zweiten Mal antritt („second party term“). Beim dritten bzw. vierten Anlauf wird es dagegen sehr schwierig, weil die Wechselstimmung überwiegt. Erschwerend für den republikanischen Kandidaten kommt hier hinzu, dass nie zuvor in der Geschichte ein amtierender Präsident bei der Bevölkerung so unbeliebt war wie George W. Bush, der vor allem mit dem Irakkrieg identifiziert wird. Auf die Frage „sind Sie der Meinung, das Land ist auf dem richtigen oder auf dem falschen Weg?“ antworten 96 % der Befragten „auf dem falschen Weg“ (wrong track). Mellman geht sogar soweit zu sagen, dass der Vorsprung bei einem anderen (nicht schwarzen) Kandidaten noch größer ausgefallen wäre. Umgekehrt hätte nach Ansicht eines republikanischen Insiders kein anderer Kandidat als John McCain eine Chance gegen Barack Obama gehabt. Als „Maverick“ (Außenseiter) in der republikanischen Partei konnte er noch am ehesten Distanz zu Präsident Bush wahren, der ihn vor acht Jahren in den Vorwahlen geschlagen hat. Das Dilemma, Wahlkampf gegen einen demokratischen Herausforderer und gleichzeitig gegen den amtierenden Präsidenten der eigenen Partei zu führen, verfolgte ihn jedoch bis zum Schluss.

Mit der Zuspitzung der Finanz- und Wirtschaftskrise im September hat der Wahlkampf noch einmal eine neue Dynamik gewonnen. Seit Franklin D. Roosevelt und seinem „New Deal“ ist die Wirtschaft in den USA ein Thema, das den Demokraten nutzt. Die Republikaner haben dagegen seit jeher einen Kompetenzvorsprung beim Thema nationale Sicherheit. So kam es, dass McCain während er Georgien-Krise im Sommer in den Umfragen kräftig zulegen konnte. Der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers und der folgende Banken- und Hypothekencrash haben dann jedoch alle anderen Entwicklungen in den Schatten gestellt. Besser als McCain ist es Obama in dieser Situation gelungen, mit seiner Botschaft durchzudringen, die darin bestand, die Schuldigen zu bestrafen, die Steuern der Reichen zu erhöhen und die kleinen Leute zu entlasten. Schließlich wurde die Schuld für die aktuelle Krise auf Seiten der amtierenden Regierung ausgemacht.

Auch McCain musste in der Schlussphase versuchen, mit dem Wirtschaftsthema zu punkten. Anstatt eigene Vorschläge zu präsentieren, beschränkte er sich jedoch darauf, Ängste vor der „Umverteilungspolitik“ seines Gegners zu schüren. Dabei sollte ihm „Joe the Plumber“ helfen, der Obama nach einer Kundgebung angesprochen hatte. Er, Joe Wurzelbacher, wolle die Firma, in der er täglich hart arbeitet, kaufen. Durch Obamas Steuerpläne fühle er sich jedoch als Selbständiger benachteiligt. McCain nutzte diese Szene, indem er den Klempner als Zeugen für die „gebeutelte Mittelschicht“ stilisierte. Journalisten fanden schnell heraus, dass Joe gar keine Lizenz als Klempner besitzt, die Firma, in der er arbeitet, nur aus zwei Personen besteht und er außerdem Probleme mit den Finanzbehörden hat. Ein handwerklicher Fehler, der bezeichnend für die Kampagne McCains war.

McCains Wahlkampf bestand gerade in den letzten Wochen überwiegend aus Angriffen auf seinen Gegner Obama. Neben der Warnung vor „sozialistischen Verhältnissen“ wurde Obama, vor allem in den zahlreichen Fernsehspots, immer wieder als Risiko dargestellt und indirekt mit Terroristen in Verbindung gebracht. Zwar ist „Negative-Campaigning“ in den USA durchaus gängig. Gerade die Republikaner haben dieses Instrument in früheren Jahren erfolgreich genutzt. In diesem Fall schlugen die Attacken jedoch auf McCain zurück, dem zwei Drittel der Bevölkerung die Verantwortung für die „schmutzige“ Kampagne gaben. McCain hat das „Blame-Game“ verloren. Obamas besonnenes Auftretens (vgl. z.B. seine Reaktion auf die Benennung Sarah Palins als Vizekandidatin) und sein Charisma machten ihn gewissermaßen immun gegen Negative-Campaigning, das nicht bei allen Kandidaten und in allen Situationen zum Erfolg führt. Umgekehrt genügte es Obama, seinen Gegner McCain in den Spots mit dem republikanischen Amtsinhaber Bush (oder zuletzt mit dem ebenso unbeliebten Vize Cheney) in Verbindung zu bringen. Die bloße Nennung des Namens oder das Einblenden eines Bildes war hier ausreichend.

Analysten vergleichen den Wahlkampf Obamas mit dem von Ronald Reagan 1980. Auch hier ging es um Zukunft, Hoffnung und positives Denken. Sogar viele Intellektuelle schlugen sich damals auf die Seite der republikanischen Bewegung. Diesmal dagegen war die demokratische Bewegung der „place to be“. Mit seinen Slogans „Hope“ und „Change“ ist es Obama gelungen, sich als Hoffnungsträger für die gesamte Nation zu präsentieren. Er hat die Befindlichkeit der Bevölkerung getroffen und die Emotionen, die in Amerika immer eine große Rolle spielen, für sich geweckt. Sein Motto „yes we can“ gab den Wählern das Gefühl, Teil einer Bewegung zu sein und die Geschichte des Landes in einem entscheidenden Moment beeinflussen zu können. Trotz der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Situation ging von seiner Kampagne eine Aufbruchstimmung aus, die viele neue Wähler an die Wahlurnen trieb. Dabei nutzte ihm seine Fähigkeit als begnadeter Redner besonders. Die Reden Obamas gehörten bei Youtube zu den am häufigsten gesehenen Videos, was der These widerspricht, dass Inhalte gerade für die junge Generation nicht von Bedeutung sind.

Für seinen Wahlkampf, der als beste Kampagne eines demokratischen Kandidaten in die Geschichte eingehen wird („a hell of a campaign“), hatte Obama bis September eine Rekordsumme von 600 Millionen Dollar an Spendemitteln zur Verfügung. Von Vorteil war der ungewöhnlich lange Vorwahlkampf der Demokraten, der es ermöglichte, viele neue Unterstützer und Spender zu rekrutieren. Während der „Primaries“ konnte Obama in den wichtigen Staaten eine Infrastruktur aufbauen, die ihm später die Arbeit an der Basis erleichterte. Während McCain phasenweise das Geld ausging, hatte Obama mehr Geld zur Verfügung, als er sinnvoll ausgeben konnte. Allein in Florida gab es mehr Feldbüros von Obama als von McCain im ganzen Land. Der Faktor Geld ist für den Erfolg der Kampagne wichtig, aber nicht ausreichend. Ein Gesprächspartner hat es so formuliert: Obama hat die richtigen Leute angestellt und auf sie gehört. Die Kampagne Obamas wird als Durchbruch der Online-Kommunikation in die Geschichte eingehen, ähnlich wie Kennedy`s Kampagne 1960 als erster Fernsehwahlkampf. Zwar diente das Internet in den USA bereits 1994 als wichtiges Wahlkampftool. Mit dem Web 2.0 jedoch hat es als interaktive Plattform eine neue Dimension erreicht. Besonders die Verbindung der virtuellen Welt mit der realen Welt ist in Obamas Kampagne erfolgreich gelungen. Indem der Nutzer frühzeitig aufgerufen wird mitzumachen („take action“), wird er Teil der Kampagne. Dabei geht es immer um die Erfüllung konkreter Aufgaben in der unmittelbaren Nachbarschaft (z. B. fünf Nachbarn ansprechen oder ein Grillfest zu organisieren). Ziel ist es, ähnlich wie früher bei Kettenbriefen, den Kreis der Unterstützer (und der Adressen) ständig zu erweitern. Die Datenbasis wird dann genutzt, um potentielle Wähler kurz vor dem Wahltag noch einmal (oder mehrmals) zu kontaktieren und damit den „Turnout“ zu erhöhen.

Die Kampagne von Obama wird oft als „Grassroote-Campaign“ oder „Movement“ bezeichnet. Dies klingt spontan und improvisiert, was aber nur zum Teil der Realität entspricht. Im Grunde handelte es sich um eine perfekt geplante und durchorganisierte Kampagne, bei der nichts dem Zufall überlassen wurde. Allein der Aufbau einer Datenbank mit sieben Millionen E-Mail-Adressen ist eine Meisterleistung, die neben der Nutzung neuester Technik auch ein hohes Maß an Fleiß und Disziplin erfordert. Auch die Auftritte Obamas wurden minutiös geplant. Gezielt wurden solche Orte ausgewählt, wo der Kandidat nach den Umfragen noch schwach war, z. B. bei der weißen Arbeiterschaft und in kleineren Städten. Neben der Wiederholung der Schlüsselbotschaften baute Obama in den letzten Wochen zunehmend persönliche Aspekte (z. B. zu seiner Mutter oder seiner krebskranken Großmutter) in die Reden ein, um dem Image des Abgehobenen, Elitären zu entgegnen.

In McCains Kampagne gab es dagegen Widersprüche und handwerkliche Fehler. Das vielversprechende Image des „Maverick“ hat er nicht konsequent durchgehalten. Stattdessen versuchte er, u. a. mit der Benennung Sarah Palins die konservative Basis der republikanischen Partei für sich zu gewinnen. Dies wäre jedoch gar nicht nötig gewesen, da ein möglicher Präsident Obama und die Gefahr einer demokratischen Machtkonzentration im Kongress und Weißem Haus als Motivation für diese Wählergruppe genügt hätte. Für andere Stammwähler hat die Auswahl der unerfahrenen Sarah Palin, über die immer mehr peinliche Details bekannt wurden und die zum Schluss ungewollt zum Comedey-Star avancierte, das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie verweigerten McCain ihre Stimme.

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