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Resonanz in Frankreich auf die aktuelle Finanzkrise

Nicolas Sarkozy als Krisenmanager

In den französischen Medien findet die internationale Finanzkrise seit ihrer Verschärfung ab Mitte September 2008 einbreites Echo. Alle wichtigen Presseorgane informieren über aktuelle Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten. Dabei wird nicht nur über die Auswirkungen der Krise auf die französische Wirtschaft, sondern auch über die Konsequenzen in den europäischen Nachbarländern und den USA berichtet.

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Bewertung der Krise in der veröffentlichten Meinung

In den französischen Medien findet die internationale Finanzkrise seit ihrer Verschärfung ab Mitte September ein breites Echo. Alle wichtigen Presseorgane informieren über aktuelle Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten. Dabei wird nicht nur über die Auswirkungen der Krise auf die französische Wirtschaft, sondern auch über die Konsequenzen in den europäischen Nachbarländern und den USA berichtet.

Nachdem sich die Turbulenzen auf den Finanzmärkten zu Beginn noch mit anderen aktuellen Themen die Schlagzeilen teilten, wird die Berichterstattung über die Krise spätestens seit den Verhandlungen um die Zukunft der belgisch-niederländischen Bank Fortis zum zentralen Gegenstand der französischen Presse. Dieses Ereignis wird von der konservativen Tageszeitung Le Figaro mit der Schlagzeile „Die Bankenkrise erreicht Europa“ als Initialzündung des europäischen Dilemmas gewertet und ist bezeichnend für die anfängliche Wahrnehmung der Krise seitens der Medien als ein in erster Linie in den USA wütendes Phänomen, von dem Europa zwar auch, aber nur sekundär betroffen sei.

Kritisch bewertet wurde von einigen Medien die anfängliche Zurückhaltung Deutschlands beim europäischen G4-Gipfel vom 4. Oktober im Hinblick auf einen gemeinsamen europäischen Konsens. Allgemeiner Tenor war, Deutschland versuche einen „Alleingang“ und würde seiner Verantwortung als stärkster europäischer Wirtschaftsmacht nicht nachkommen. In diesem Zusammenhang kristallisiert sich heraus, dass viele Medien ein kohärentes Vorgehen der Europäischen Union in Krisenzeiten wie diesen propagieren. Daher spiegelte die Presseberichterstattung anlässlich des G7-Treffens der Finanzminister am 10. Oktober in Washington große Erwartungen wider. Der am 12. Oktober im Rahmen des Gipfels der Eurogruppe gemeinsam verabschiedete Plan zur Eindämmung der Finanzkrise wird von der französischen Presse unterschiedlich bewertet. Le Figaro titelt „Ein historischer Plan um Vertrauen wiederherzustellen“ und beurteilt die Maßnahmen im Leitartikel zwar positiv, stellt aber auch fest, dass die „koordinierte Antwort“ letztlich doch nationale Einzelaktionen bedeuteten.

Die Medien kommentieren darüber hinaus die Haltung der französischen Regierung und bewerten insbesondere die in den Reden vom 23. September 2008 vor den Vereinten Nationen und vom 25. September in Toulon getätigten Aussagen des französischen Staatspräsidenten angesichts der wirtschaftlichen Notlage. Nicolas Sarkozy wird dabei aufgrund seiner Initiativen zur Rettung angeschlagener französischer Finanzkonzerne und seines Engagements bezüglich eines europaweit abgestimmten Verhaltens im Angesicht der Finanzkrise teils ernsthaft, teils ironisch als „Retter“, „Krisenpräsident“ und „schützender Vater der Franzosen“ bezeichnet. Die französischen Medien verfolgen das Vorgehen der Regierung auch vor dem Hintergrund der schon vor der Finanzkrise initiierten Gesetzes- und Reformvorhaben und spekulieren darüber, ob nicht das ein oder andere Vorhaben, z. B. die neuen Umweltgesetze, der Krise zum Opfer fallen würde.

Analyse der Krise durch Staatspräsident Sarkozy und führende französische Politiker

Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat sich in seiner Rede vor der 63. Nationalversammlung der Vereinten Nationen am 23. September in New York erstmals öffentlich zur Finanzkrise geäußert. Französische Politiker sind zwar im allgemeinen zurückhaltender geworden mit dem einst oft reflexartigen Verdammen des angelsächsischen Kapitalismus, dennoch treten sie gegenüber marktwirtschaftlichen Mechanismen und den Finanzmärkten häufig als Bedenkenträger auf. In seiner Funktion als EU-Ratspräsident hat Nicolas Sarkozy in New York ein Plädoyer für eine bessere Überwachung des kapitalistischen Systems gehalten und forderte die Schaffung eines „regulierten Kapitalismus“: Es dürfe keine Zeit verschwendet werden, „den Finanzkapitalismus zu moralisieren und einen regulierten Kapitalismus aufzubauen“. Noch vor Jahresende sollen auf Betreiben Frankreichs in einer Zusammenkunft der von der Finanzkrise am heftigsten betroffenen Länder die Lehren aus der Finanzkrise gezogen und Maßnahmen zur Reorganisation der Weltwirtschaft beschlossen werden.

Diese Gedanken entwickelte Nicolas Sarkozy am 25. September in Toulon in einer viel beachteten Grundsatzrede zum Kapitalismus weiter. Er greift zunächst die Ängste der Menschen gegenüber den Folgen der Finanzkrise auf und betont, dass es in dieser schwierigen Phase wichtig sei, den Franzosen die Wahrheit über das Ausmaß der Krise zu sagen. Nur mit Aufrichtigkeit könne diese überwunden werden.

Sarkozy kritisiert die bisherigen Marktmechanismen, die keinerlei staatlicher Kontrolle und Regulierung unterlegen hätten. Dieses System sei „une folie dont le prix se paie aujourd’hui“, aber es sei nicht identisch mit der Marktwirtschaft oder dem Kapitalismus. Die Marktwirtschaft sei vielmehr ein Wettbewerb, von welchem alle Konsumenten profitierten, und der Kapitalismus keine kurzfristige Angelegenheit, sondern ein auf langfristiges Wachstum angelegtes Wirtschaftssystem. Den Kapitalismus definiert Sarkozy weiterhin als ein System, in dem ehrliche Arbeit, Anstrengung und Eigeninitiative belohnt würden, dazu gehöre Privateigentum, die Verantwortung und das Engagement jedes einzelnen. Er hebt hervor, dass allein dem Kapitalismus der überdurchschnittliche Wohlstand der westlichen Zivilisationen zu verdanken sei, und dass die aktuelle Finanzkrise nicht eine Krise des Kapitalismus sei, sondern die Krise eines Systems, das sich von den fundamentalsten Werten der Kapitalismus entfernt habe. In diesem Zusammenhang spricht er auch von einem Verrat am „Geist des Kapitalismus“ und von einem „historischen Fehler“ wenn man glaube, dass der Antikapitalismus eine Lösung der Krise darstelle.

Sarkozy gibt sich überzeugt, dass man gestärkt aus der Krise hervorgehen könne, wenn man die nötigen Anstrengungen unternähme und sich den neuen Gegebenheiten anpasse. Man müsse die Lehren aus der Krise ziehen und den Kapitalismus auf der Basis einer Ethik der Arbeit und Anstrengung („éthique de l’effort et du travail“) neu begründen, in der ein Ausgleich zwischen Freiheit und Regulierung, kollektiver und individueller Verantwortung geschaffen würde. Und es bedürfe eines neuen Gleichgewichtes zwischen Staat und Wirtschaft sowie neuer Beziehungen zwischen Wirtschaft und Politik. Der Staat müsse eine entscheidende Rolle bei der Neubegründung des Kapitalismus spielen.

Die Finanzkrise müsse zu einer tiefgreifenden Umstrukturierung des weltweiten Bankenwesens und einer Reglementierung des Finanzsystems führen; dazu sei es notwendig, dass tiefgreifende Maßnahmen, wie sie auch auf der Konferenz von Bretton-Woods nach Ende des Zweiten Weltkrieges ergriffen wurden, lanciert würden.

Europa müsse sich unter diesen besonderen Umständen die nötige Handlungsfreiheit verschaffen und bestehende Dogmen und Regeln neu überdenken. In diesem Zusammenhang betont Sarkozy, dass die beste Antwort auf die Krise eine europaweit einheitliche Antwort sei.

Den Franzosen, die um den Verlust ihrer Spareinlagen im Zuge der Finanzkrise fürchten, garantiert Sarkozy, dass der Staat alles daran setzen werde, das Fortbestehen des Banken- und Finanzsystems des Landes zu sichern. Kein Privatkunde solle für den Leichtsinn und das unverantwortliche Handeln der Finanzakteure geradestehen. Insbesondere den mittelständischen Betrieben sagt Sarkozy die Unterstützung des Staates zu und kündigt auch im Immobiliensektor Reformmaßnahmen an.

Der Staatspräsident thematisiert in Zusammenhang mit der Finanzkrise die von der französischen Regierung eingeleiteten Reformen, die es nun zu beschleunigen gelte. Zu diesen Reformen gehörten die Einführung der RSA sowie die Anhebung der Grundversorgung im Alter, der Witwenrente und der Minimalsätze für Sozialhilfeempfänger.

Er sprach sich zudem gegen eine Austeritätspolitik und gegen neue Steuern und Abgaben im Zuge der Krise aus, da dies die Kaufkraft der Franzosen schwäche, sowie gegen zusätzliche Belastungen für Unternehmen, die dadurch in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt würden. Alle von der Regierung angestrebten Reformen verfolgten ein gemeinsames Ziel: die Arbeit für Arbeitgeber günstiger und für Arbeitnehmer rentabler zu machen, um ihre Kaufkraft zu stärken. Sarkozy betont, dass trotz der Finanzkrise, an den geplanten Reformvorhaben seiner Regierung festgehalten werde, und mit Hilfe einer nachhaltigen Politik den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden solle. Insbesondere den Veränderungen durch Umweltverschmutzung, Klimawandel und Rohstoffmangel müsse dabei Rechnung getragen werden.

In seiner Rede vom 8. Oktober vor den Abgeordneten der französischen Nationalversammlung thematisierte Premierminister François Fillon die von Staatspräsident Sarkozy und der französischen Regierung initiierten Maßnahmen als Folge der Finanzkrise. Dabei ging er auch auf die am 4. Oktober, anlässlich des Zusammentreffens der Vertreter der G4 in Paris besprochenen Schritte ein. Fillon spricht in diesem Zusammenhang von „décisions capitales“ (entscheidenden Maßnahmen) und betont, dass der Wille zum gemeinsamen Handeln Europas besonders der Initiative Frankreichs zu verdanken sei. Er unterstreicht die Gedanken zum Kapitalismus aus der Grundsatzrede von Sarkozy, verweist allerdings auch auf die möglichen Konsequenzen der Krise auf Wachstum, Beschäftigung und die Kaufkraft in Frankreich.

Der französische Europaminister Jean- Pierre Jouyet hatte bereits am 20. September in einem Gastbeitrag der Tageszeitung Le Monde die Notwendigkeit einer starken Ordnungs- und Finanzmarktpolitik in Europa gefordert und auf den „fehlerhaften Aufbau des kapitalistischen Systems rekurriert“. Er plädierte für ein besser strukturiertes und integriertes Regulierungssystem in Europa zur Kontrolle der zunehmend transnationalen Gruppen; einen Frühwarnmechanismus und „Konsenskonferenzen“, in denen die wichtigsten internationalen Finanzakteure zusammenkommen, um Notfallmaßnahmen zu verabschieden, mehr Marktnähe in der Regulierung, damit genau die Risiken eingeschätzt werden können, die alle Finanzinstitute angehen; und schließlich Rechnungslegungsstandards, die eine gesunde Bewertung der Aktiva ermöglichen, anstatt zu Spekulationen und Volatilität zu ermuntern, wie es in den letzten Jahren der Fall war. Jouyet fordert die Europäer auf, sich für eine neue Etappe wirtschaftlicher und finanzieller Integration einzusetzen.

Die Bereitschaft französischer Politiker, die Finanzkrise zu einer Verstärkung des regulativen Rahmens der Märkte zu nutzen, bestätigte auch der Präsident des Conseil d’analyse économique, dem wirtschaftspolitischen Think-Tank der Regierung. Der Internationale Währungsfonds (IWF) solle reformiert werden und sich statt auf monetäre Aspekte auf die Herausforderungen der Finanzmärkte konzentrieren. Die französische Regierungspartei UMP lobpreist das bisherige Management der internationalen Finanzkrise von Staatspräsident Sarkozy. „Europa sei nie so aktiv gewesen wie gegenwärtig auf der Weltbühne“ – so Patrick Devedjian, der Generalsekretär der UMP im Hinblick auf die Rolle der EU in der Georgienkrise sowie in der aktuellen Finanzkrise. Eine „Rückkehr des politischen Europas“ sei Sarkozy zu verdanken. Die Rolle der Partei sei es nun, die Lösungsvorschläge des Präsidenten mit Maßnahmen für eine tiefgehende kurzfristige und mittel- fristige Wirtschaftsreform zu ergänzen. Die UMP unterstützt dabei die Forderung Sarkozys, den Kapitalismus neu zu begründen. In diesem Zusammenhang beginnt die Partei bereits in dieser Woche mit einer Reihe von Workshops, sog. „ateliers du changement“, im Rahmen derer die Themen „Rahmenbedingungen des finanziellen Kapitalismus“, „Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs“ sowie „die Rolle des Staates in der Wirtschaft“ diskutiert werden. Die Krise bietet der UMP die Möglichkeit, sich finanz- und wirtschaftspolitisch neu zu positionieren.

François Hollande, der Erste Sekretär der französischen sozialistischen Partei (PS), bezeichnet die aktuelle Lage als das „Zusammenbrechen des Wirtschaftsliberalismus“ und wirft der Regierung vor, die Krise seit einem Jahr unterschätzt bzw. verharmlost zu haben. Um die Krise zu bewältigen, sollten nach Meinung der PS viel weiterreichende Maßnahmen ergriffen werden – vor allem in Bezug auf die Unterstützung der KMU, im Sektor der privaten Kredite sowie im Bereich der staatlichen Investitionen.

Auswirkungen der Krise in Frankreich

Die unmittelbaren wirtschafts- und finanzpolitischen Auswirkungen für Frankreich sind die Einführung einer strikteren Regelung für Managergehälter, die verstärkte Unterstützung des Mittelstandes und die Beschleunigung der Fusion der französischen Sparkassen und der Genossenschaftsbank Banques Populaires.

Nicolas Sarkozy hatte in seiner Rede in Toulon betont, dass die Ausschweifungen des Finanzkapitalismus ein Hindernis für die Entwicklung eines Unternehmer- Kapitalismus seien, dessen Ziel die Förderung des Wohlstandes sei und in diesem Zusammenhang zu Neuregelungen bei der Vergütung von Unternehmenschefs aufgerufen. Am 6. Oktober erfolgten daraufhin Empfehlungen zur Herstellung eines ausgeglichenen Verhältnisses zwischen Leistung und Vergütung vom französischen Arbeitgeberverband Medef und der Vereinigung der Privatunternehmer AFEP, die ein fester Bestandteil des Unternehmensführungskodex werden sollen. Mit diesen Maßnahmen beabsichtigt die Regierung das Vertrauen in den Unternehmer-Kapitalismus wiederherstellen.

Ferner will die französische Regierung in Reaktion auf die Finanzkrise die Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen mit rund 22 Mrd. Euro stützen. Dafür soll vor allem die staatliche Beteiligungsgesellschaft Caisse des Dépôts et Consignations (CDC) herangezogen werden, um eine unmittelbare Belastung der Staatskasse zu vermeiden. Außerdem sollen die privaten Banken zur stärkeren Darlehensvergabe mobilisiert werden. Um die Kreditversorgung für den Mittelstand zu erhalten, will die Regierung das System steuerlich geförderter Sparbücher verändern, das die Beziehungen zwischen CDC und privaten Banken regelt.

Die Regierung will - wie von Sarkozy angekündigt - den Immobiliensektor reformieren und vor allem den Wohnungsbau beleben. Dazu soll eine Tochtergesellschaft der CDC 10.000 Immobilien kaufen, deren Bau durch private Immobilienentwickler aufgrund schwacher Nachfrage ins Stocken geraten ist. Auch die öffentlichen Verwalter von Sozialwohnungen sollen sich engagieren, sodass durch die staatliche Initiative insgesamt 30.000 neue Wohnungen entstehen.

Darüber hinaus wurde die bereits seit einigen Jahren verhandelte Fusion der französischen Sparkassen und der Genossenschaftsbank Banques Populaires durch die Finanzkrise beschleunigt; damit entsteht ein neuer Riese auf dem französischen Bankenmarkt mit 98.000 Beschäftigten, 35 Millionen Kunden, 8.000 Filialen und Einlagen von 458 Milliarden Euro.

Schließlich übernimmt die führende französische Bank BNP Paribas für 14,7 Mrd. Euro den Großteil des belgisch-niederländischen Konkurrenten Fortis, nachdem die geplante Rettung von Fortis durch die Regierungen Belgiens und Luxemburgs Anfang letzter Woche gescheitert ist. Die Regierungen Belgiens, Frankreichs und Luxemburgs haben sich in der vergangenen Woche ebenfalls auf einen Rettungsplan für die Hypothekenbank Dexia geeinigt, wobei nach der jüngsten Kapitalerhöhung voraussichtlich Belgien 60,5%, Frankreich 36,5% und Luxemburg 3% Garantien übernehmen werden.

Laut einer Umfrage zeigen sich die Franzosen durch die Bankenpolitik des Staates beruhigt: 79% der Befragten glauben weiterhin an die Stabilität ihrer Bank.

Außenpolitisch ist seit dem Amtsantritt von Nicolas Sarkozy eine Wiederannäherung an die USA festzustellen, eine Entwicklung, die sich ebenfalls im Verlaufe der Finanzkrise manifestiert. In seiner Rede vor den Vereinten Nationen unterstützte der französische Staatspräsident – vor dem Hintergrund der internationalen Finanzkrise – die Maßnahmen der USA und forderte eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA zur Bewältigung der Krise. Darüber hinaus fühlt sich Frankreich in Anbetracht der internationalen Finanzentwicklungen in seiner Forderung bestärkt, die Erweiterung des UN-Sicherheitsrates und die Umwandlung der G8 in eine G14 - unter Einbeziehung u. a. der großen Schwellenländer China, Indien und Brasilien - auf der außenpolitischen Agenda zu fokussieren. Nicht nur der Dialog mit den Vereinigten Staaten, sondern auch mit Japan und den aufsteigenden Wirtschaftsmächten zwecks einer Koordinierung der Regulierungs- und Überwachungsmethoden solle vertieft werden.

Bei einem Treffen des russischen Präsidenten Dimitri Medwedjew und Nicolas Sarkozy am 8. Oktober in der französischen Stadt Evian unterstützte der russische Präsident den französischen Plan, einen erweiterten G8 Gipfel einzuberufen „um die Probleme in den Griff zu bekommen“. Sarkozy hatte den Krisengipfel der erweiterten G8 noch vor Ende des Jahres zur Neubegründung der internationalen Finanzordnung vorgeschlagen.

Nicolas Sarkozy möchte ebenfalls dem EU-Asien-Gipfel am 24. Oktober eine neue politische Dimension verleihen. Auch Asien solle an dem „Projekt der Neubegründung der globalen Finanzordnung“ teilhaben.

Die Finanzkrise hatte temporär zu vermeintlichen Verstimmungen im deutschfranzösischen Verhältnis geführt, die allerdings vielmehr über die Medien kolportiert wurden. Die französische Finanzministerin Lagarde hatte in einem Interview mit dem Handelsblatt am 2. Oktober für die Idee eines gemeinsamen Europäischen Rettungsfonds nach US-Vorbild geworben, die sofort von der Bundesregierung zurückgewiesen worden war. Nicht nachzuvollziehen ist, ob es sich tatsächlich um einen Alleingang der Ministerin handelte oder aber um einen beabsichtigten Versuchsballon als Stimmungstest unter den europäischen Nachbarn. De facto zog Frankreich den Vorschlag vor dem Pariser Gipfel am 4. Oktober zurück, Medienberichten zufolge sei die Finanzministerin vom Staatspräsidenten zur Ordnung gerufen worden; seine Berater versicherten, Sarkozy habe einen solchen Fonds nie gewollt.

Nach zahlreichen Kommentaren über unterschiedliche Haltungen beider Regierungen im Kampf gegen die Finanzkrise in der französischen und deutschen Presse haben Nicolas Sarkozy und Angela Merkel am 8. Oktober in einer gemeinsamen Erklärung bekräftigt, dass Deutschland und Frankreich ihr Handeln im Umgang mit der Finanzkrise ganz aufeinander abstimmen. Paris und Berlin begrüßten darin die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), an der abgestimmten Zinssenkung mit den anderen Notenbanken weltweit teilzunehmen und Geschäftsbanken der Eurozone die Refinanzierung zu erleichtern.

Im Rahmen des Blaesheim-Treffens im historischen und symbolträchtigen Colombey- les deux-églises am 11. Oktober – dort fand vor 50 Jahren die erste Begegnung von Konrad Adenauer und de Gaulle statt, der Beginn der deutsch-französischen Freundschaft – bestätigten die Bundeskanzlerin und der französische Staatspräsident, dass die Finanzkrise nur gemeinsam zu lösen sei: „Wir werden diese Aufgabe nur bewältigen, wenn Deutschland und Frankreich gemeinsam vorgehen“ (Angela Merkel) und „Europa bleibe in der Krise handlungsfähig, wenn beide Staaten „in vollstem Vertrauen und in bespielloser Freundschaft zusammenarbeiten“ (Nicolas Sarkozy).

Als Signal für die neue Einigkeit gilt, dass der Rettungsplan für deutsche Banken zuerst am Sonntag auf dem Gipfeltreffen der Eurogruppe in Paris vorgelegt wurde. Der Pariser Gipfel am 12. Oktober war schließlich die Manifestierung europäischer Einigkeit, indem die Staaten der Euro-Zone und die EZB unter französischer Führung der Finanzkrise einen gemeinsamen Aktionsplan entgegensetzten. Sarkozy sprach „von einer historischen Stunde Europas“ und betonte die Gemeinsamkeit der Aktion.

Unmittelbar nach der Veröffentlichung des europäischen Rettungsplans reagierte die Börse von Paris mit einem Hoch von 11,18 %, was sich auch in den Schlagzeilen der Presse niederschlug. Frankreich will nunmehr zur Stützung seiner Banken eine neue staatliche Einrichtung schaffen, die den Geschäftsbanken Kredite gibt. Damit soll der Handel am Interbankenmarkt wieder in Gang kommen. Diese neue Einrichtung soll über eine staatliche Garantie von 320 Mrd. Euro verfügen. Weitere 40 Mrd. Euro stünden für die Rekapitalisierung von Banken bereit. Die insgesamt 360 Mrd. Euro markieren eine Höchstsumme, die nicht erreicht werde, wenn sich die Finanzmärkte wieder normalisierten.

Das Rettungspaket für die französischen Banken wurde am 14. und 15. Oktober von der Nationalversammlung und im Senat angenommen. Die Linksopposition hatte sich zwar nicht in die von Premierminister Fillon in der Assemblée Nationale propagierte „nationale Union“ einbinden lassen, aber auch nicht dagegen gestimmt. Sozialisten und Grüne hatten sich der Stimme enthalten.

Fazit

Aufgrund der Finanzkrise sind die eigentlichen Themen der französischen EU-Ratspräsidentschaft – Integration/ Immigration, Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Energie- und Klimapolitik, Mittelmeerunion – in den Hintergrund getreten. Die Ratspräsidentschaft hat sich im Zuge des irischen Neins zum Lissabon- Vertrag, des Georgien-Russland- Konflikts und der internationalen Finanzkrise zur Krisenpräsidentschaft entwickelt: Nicolas Sarkozy findet sich in der Rolle des Krisenmanagers wieder – ihm sicher nicht unliebsam. Noch vor der Bundeskanzlerin hat er den französischen Sparern die Einlagen garantiert und sich von Beginn der Krise zur staatlichen Übernahme von Bankkapital bereit erklärt. Wie erfolgreich er seine Rolle als Krisenpräsident – innen- wie außen- und europapolitisch – ausüben wird, wird sich noch zeigen. Innenpolitisch bringt die Finanzkrise den Präsidenten, der mit dem Wahlprogramm angetreten ist, die Kaufkraft der Franzosen zu stärken sowie den Staatshaushalt bis 2012 auszugleichen, unter Zugzwang. Entweder greifen seine finanzpolitischen Rettungsmaßnahmen und er kann sein Reformprogramm langfristig durchsetzen oder aber er instrumentalisiert die Auswirkungen der Finanzkrise, etwaige Misserfolge seines ambitionierten Reformprogramms zu rechtfertigen. Vorläufig gehört Sarkozy zu den Krisengewinnern, sein Krisenmanagement ist von einem gestärkten Vertrauen der Bevölkerung in die Staatsführung begleitet. Laut einer aktuellen Meinungsumfrage betrachtet die Mehrheit der Franzosen (53%) Sarkozy als „guten“ Krisenmanager, was allerdings nichts an der Stagnation der allgemeinen Sympathiewerte für den Präsidenten ändert.

„Nie zuvor wurde Europa mit soviel Intensität regiert“ so das Lob des luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean Claude Juncker an den amtierenden EU-Ratspräsidenten nach dem Gipfel der Euro-Gruppe. Zumindest in Krisenzeiten scheint es Nicolas Sarkozy zu gelingen, die Führungsrolle Frankreichs innerhalb Europas für sich beanspruchen zu wollen.

Beim jüngsten EU-Gipfel in Brüssel am 15. und 16. Oktober konnten sich alle 27 EU-Staaten auf gemeinsame Grundsätze zur Rettung der Banken einigen und ebenfalls vereinbaren, auf einen internationalen Finanzgipfel unter Einbeziehung der großen Schwellenländer China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika hinzuarbeiten – wie von Nicolas Sarkozy vorgeschlagen.

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Dr. Nino Galetti

Dr

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