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„Die Preistreiberei wurde von allen mitgemacht“

Nach dem Vortrag im Juli von Dr. Werner Böhler, dem Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Südafrika, ist die Reihe des „Außenpolitischen Gesprächskreises“ mit einem weiteren Termin fortgesetzt worden. Diesmal hat Andreas Klein, Leiter Auslandsbüros der KAS in Lettland, die Akademie in Berlin besucht.

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Andreas Klein, Leiter Auslandsbüros der KAS in Lettland

Klein referierte ausführlich über die wirtschaftliche und politische Situation Lettlands sowie über die Arbeitsschwerpunkte des KAS-Büros im Baltikum. Dabei zeichnete Klein ein eher düsteres Bild der Region, die schwer von der Finanzkrise betroffen ist.

Im Jahr 2008 war das EU-Mitglied Lettland gezwungen ein Kreditpaket von der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 7,5 Mrd. Euro aufzunehmen, um einen Staatsbankrott zu verhindern. Voraussetzung für den Kredit waren extrem hohe Einsparungen, die sich nun vor allem auf dem Gesundheits- und Bildungsbereich bemerkbar machen.

„Um die Kreditbedingungen zu erfüllen, werden Krankenhäuser und Schulen massiv geschlossen“, erklärte der Leiter des lettischen KAS-Büros. Laut Klein müssen im Jahr 2009 allein im Gesundheitssektor ca. 150 Mio. Euro eingespart werden. Gab es in Lettland noch letztes Jahr 72 Krankenhäuser, sind dieses Jahr nur noch 59 davon übrig – weitere 32 sollen noch geschlossen werden.

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Teilnehmer des „Außenpolitischen Gesprächskreises" in der Akademie der KAS

Die Gehälter von Angestellten im öffentlichen Dienst, Lehrern und Ärzten sind drastisch gesenkt worden. Verdiente ein Lehrer in Lettland im Jahr 2008 ca. 420 Euro im Monat, sind es dieses Jahr lediglich 325 Euro. Zudem leidet das Land mit seinen rund 2,3 Mio. Einwohnern an der sprunghaft gestiegenen Arbeitslosigkeit – von einer Arbeitslosenquote von fünf Prozent im letzten Jahr auf momentan fast 19 Prozent. „Das lettische Sozialsystem ist nicht dafür ausgelegt, diese Leute zu unterstützen“, sagte Klein und fügte hinzu: „Der Sommer hat vieles weggeblendet, doch besonders im Winter werden noch mehr Menschen die Konsequenzen dieser Krise zu spüren bekommen.“ Und zwar dann, wenn sie ihre Heizkosten nicht mehr bezahlen können.

Als Verantwortliche der lettischen Krise nannte Klein drei Akteure: die (zumeist) skandinavischen Banken, der lettische Staat selbst und die Individualhaushalte. Nach dem EU-Beitritt haben ausländische Investoren an die Boom-Region Baltikum geglaubt und pumpten Geld in die Republik Lettland, vor allem in die Bau- und Immobilienbranche. Das Geld heizte den Konsum an und trieb Preise in die Höhe. „Der Staat hat die Bodenhaftung verloren und in überdimensionale Projekte investiert. Auch die Letten selber kauften sich neben Häusern und Wohnungen insbesondere Konsumgüter zu günstigen Krediten. Die Preistreiberei wurde von allen mitgemacht“, so Klein.

Die Gefahren der Krise bestehen nach Ansichten der KAS-Büroleiters vor allem in der Politik: „Die Sehnsucht der Letten nach einem Führer, der wieder Ordnung in das Land bringt, sind groß. Und diese Sehnsucht wird wachsen, je mehr die Finanzkrise beim Wähler zu spüren ist.“ Klein befürchtet, dass sich oligarchische Systeme wie in den 90er Jahren wieder etablieren könnten.

Die Arbeit des KAS-Büros knüpft genau hier an. Eines der Schwerpunktthemen in Lettland, sagte Klein, ist die Stabilisierung des Parteiensystems. Eine besondere Schwierigkeit liegt dabei im sich weiter fragmentierenden Parteiensystem, das der KAS die Partneridentifizierung erschwert. Ein weiterer Schwerpunkt sei die Förderung der EU-Nachbarschaftspolitik. „Vor allem der ‚Demokratietransfer’ ist ein zentraler Arbeitsbereich. Die historischen Erfahrungen unserer baltischen Freunde im demokratischen Transformationsprozess in die Nachbarstaaten zu vermitteln, ist eines der Ziele der Stiftungsarbeit und findet über unsere politischen Netzwerke in den Baltischen Ländern sowie Belarus, und den ehemaligen Sowjetrepubliken im Kaukasus bereits in Ansätzen statt.“, erklärte Klein.

Abschließend bemerkte der Leiter des lettischen KAS-Büros, er wünsche sich ein noch stärkeres und längerfristiges Interesse Deutschlands für das Baltikum. „Vor allem im Energiebereich kann Deutschland sich noch stärker politisch, aber ebenso wirtschaftlich engagieren.“


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