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Warum die einen gut sind - und die anderen nicht

von Dieter Golombek

Erkenntnisse aus 30 Jahren Deutscher Lokaljournalistenpreis

Die Frage, ob Zeitungen besser oderschlechter werden, verfolgt mich, seitich vor über 40 Jahren begonnen habe,mich mit Lokaljournalismus und Zeitungenzu befassen. Die Frage stellt sich verschärft,seitdem die Krise den Zeitungsmarkt erreichthat.

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Ich will es mir nicht zu leicht machen und sagen, dass für eine seriöse Beantwortung dieser Frage die rund 10 000 Einsendungen nicht ausreichen, die die Jury in 30 Jahren Preisgeschichte erreicht haben. Schließlich bewerben sich die Einsender um einen der renommiertesten deutschen Journalistenpreise. Also müssen und wollen sie Herausragendes präsentieren. Die Einsendungen spiegeln nicht die lokaljournalistische Normalität wider, sie haben nicht das Typische zum Inhalt, sondern das Außergewöhnliche – zumindest aus Sicht der Einsender.

Es verbietet sich, auf einer solchen Materialbasis allgemeingültige Aussagen über den Allgemeinzustand des deutschen Lokaljournalismus machen zu wollen, seinen Aufstieg oder Niedergang zu beschreiben. Auch Vergleiche zwischen den 143 Einsendungen für den ersten Preisjahrgang 1980 und den 560 im zurückliegenden Wettbewerb sind problematisch, Erkenntnisse sind trotzdem möglich. An einer groben Klassifizierung hat sich in den fast drei Jahrzehnten Preisgeschichte wenig geändert. Da gibt es die Tollkühnen, die, ausgestattet mit großem Selbstbewusstsein, Beiträge einsenden, die – streng genommen – nicht hätten gedruckt werden dürfen.

Da sind die Einsender, die Durchschnittsware einreichen, auch hier lässt sich mangelnde Selbstdistanz nicht verkennen. Und da sind schließlich die guten bis sehr guten Einsendungen, die den größten Respekt abnötigen. Die besten 30 machen es der Jury jedes Jahr sehr schwer, die Allerbesten auszuwählen. Der Anteil der guten und sehr guten Einsendungen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, ebenso hat die Qualität dieser Arbeiten zugenommen. Sie ist höher zu veranschlagen als die vor 10, 15 oder 20 Jahren. Es besticht das konzeptionelle Denken, eine ganze Reihe von Redaktionen besinnt sich auf die eigenen Stärken und füllt die Marktlücken aus, die der Zeitung erhalten geblieben sind. Viele andere tun nach wie vor so, als hätte sich nichts getan.

So gesehen sind die Niveauunterschiede zwischen den Zeitungen noch dramatischer geworden als vor 30 Jahren. Warum ist die Schere auseinander gegangen? Das hängt sicher damit zusammen, dass die Verlage an manchen Stellen zu viel sparen. Eine Lokalredaktion braucht eine Grundausstattung an Personal, um guten Journalismus machen zu können. Wenn für die Redaktion die Zeit nur dazu reicht, um Pressemitteilungen zu redigieren und ins Blatt zu heben, kann nichts Gutes dabei herauskommen. Diejenigen aber, die sich durch hohe Qualität auszeichnen, haben sich von falschen Routinen befreit.

Ihr Zeitungsmachen ist bewusst und durchdacht. Sie denken in Konzepten. Die Redakteure sind auch bei ihnen weniger geworden, aber sie haben mehr darüber nachgedacht, was man besser machen kann und was man selber will. Bei den guten Zeitungen ist es gelungen, den Auftrag der Zeitung im Zeitalter des Internets neu zu denken und danach zu handeln. „Schreiben, was ist“ – auf diesen drei Worten des rasenden Reporters Egon Erwin Kisch gründet der journalistische Urauftrag. Aber was ist „Was“? Jeden Tag trifft jede Redaktion Entscheidungen, was sie ihren Lesern bieten will, das „Was“ betrifft aber auch die sehr grundsätzliche Frage, wie sich Zeitung im Zeitalter von Internet, Radio und Fernsehen versteht, was unter den aktuellen Medienbedingungen ihr Kerngeschäft sein soll und sein kann. Sie muss neu bestimmen, was für die Leser wichtig ist und interessant und was man getrost anderen Medien überlassen kann.

Die klugen Zeitungen haben bei dieser Suche nach ihrer Marktlücke ihre Leser miteinbezogen. Sie wissen deshalb, dass ihre Leser Qualität schätzen. Gute Zeitungen setzen also nicht auf News um jeden Preis, sondern auf Zusammenschau und Erklärung. Sie stellen Fragen aus der lokalen und regionalen Perspektive. Und wenn sie es gut machen wollen, sind die Leser ihre Hauptverbündeten. Die guten Zeitungen wissen es, und sie tun es, sie machen sich mit einer Qualität unverzichtbar, die andere Medien nicht bieten können. Nur wer das Besondere bietet, wer originäre Inhalte vorweisen kann, hat Chancen, in einer Medienwelt zu bestehen, die sich im Umbruch befindet. Für Lokal- und Regionalzeitungen liegt es nahe, diese Unverwechselbarkeit im Lokalen zu suchen.

Sie finden ihre Stärken da, wo sie sie noch haben können. Nirgendwo ist der Journalist den Menschen so nah wie im lokalen und regionalen Raum. Nur die Zeitung, die sich aus dem Lokalen heraus begreift, hat Überlebenschancen. Hier, in der Region und für die Region, kann und muss sie ihre Glanzlichter setzen. Wie man glänzen kann, machen die Besten der Guten Jahr für Jahr vor. Wie aber bitte bestimmt die Jury, wer in der Bestenliste eines Jahrgangs ganz vorne steht? Wenn Zeitungen Herausragendes zu bieten haben, nutzen sie gelegentlich ihren Standortvorteil. Oder sie profitieren von einer Vorlage, die ein einmaliges Ereignis bietet, sei es ein Skandal oder eine Katastrophe. Wenn die Mauer fällt, haben die Berliner Zeitungen einen Standortvorteil. Der Skandal um den Bau des internationalen Kongresszentrums in Bonn ist eine klassische Vorlage für eine Zeitung, die nicht schönschreiben will, was nicht schönzuschreiben ist.

Eine Vorlage, die sich keine Redaktion wünscht, ist ein Ereignis wie der Amoklauf von Winnenden. Welche Redaktion hat schon für ein solches Katastrophenszenario die richtigen Rezepte in der Schublade? Von jetzt auf gleich müssen die Entscheidungen fallen, die vor den Lesern bestehen können. Eine gute Redaktion zeichnet sich auch in einer solchen Extremsituation aus. Es gibt schließlich noch Vorlagen, die alle Redaktionen gleichermaßen zur Verfügung stehen, wie die Erinnerung an die Verabschiedung des Grundgesetzes vor 60 Jahren. Den Rückblick kann die Zeitung pflichtgemäß abhandeln, sie kann die Erinnerung aber auch mit einer ungewöhnlichen Idee angehen und das große Thema mit Reportagen regionalisieren.

Die Jury vergibt in diesem Jahr den ersten Preis an ein Konzept, das ohne Vorlage im oben beschriebenen Sinne auskommt. Der Weser -Kurier setzt neue Akzente für den lokaljournalistischen Alltag, holt Menschen ins Blatt, die sonst nur selten in der Zeitung stehen, und bietet Dienstleistungen, die ihren eigenen Charme haben. „Zeitungen dürfen nicht müde werden, nach neuen Wegen zu suchen, um Leser zu gewinnen und sie von ihrer Qualität zu überzeugen.“ Diese Worte hat der Ex-Bundespräsident Horst Köhler den Redaktionen anlässlich der letztjährigen Preisverleihung im Braunschweiger Dom mit auf den Weg gegeben. In Bremen hat eine Redaktion gesucht und viel gefunden.

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Dr. Jochen Blind

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jochen.blind@kas.de +49 30 26996-3227

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