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Veranstaltungsberichte

Vertrauen muss wachsen

Über die politische Bedeutung von Vertrauen

Vertrauen wird seit der Finanzkrise nicht mehr nur in Bezug auf etwas Persönliches, Intimes benutzt, sondern bezeichnet als Begriff auch zunehmend die Haltung eines Großteils der Gesellschaft zu ihren Institutionen.

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Wie sehr vertrauen Sie der Bundesregierung? Und dem Bundesgerichtshof? Den Kirchen? Oder gar Ihrer Tageszeitung? Eine Studie von 2001 hat gezeigt, dass 54 Prozent der Deutschen tatsächlich „nichts und niemandem“ mehr vertrauen. Auch spätere Studien haben diesen Trend bestätigt. Sie zeichnen fast durchweg das Bild des sinkenden Vertrauens der Bevölkerung hierzulande in gesellschaftliche Institutionen bis hin zum Nachbarn.

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Dr. Martin Hartmann

Doch was ist Vertrauen eigentlich? Dieser Frage geht eine neue Veranstaltungsreihe der Konrad-Adenauer-Stiftung nach. Zum Auftakt ging der Soziologe und Philosophieprofessor Dr. Martin Hartmann von der Universität Luzern nicht nur der grundlegenden, sondern auch der politischen Bedeutung dieser Haltung auf den Grund. Die Wissenschaft sieht ihm zufolge in Vertrauen eine optimistische und kooperative Haltung, dass ein persönlich wichtiges Ereignis oder eine Handlung mit den eigenen Wünschen und Erwartungen übereinstimmen wird. „Der Kern von Vertrauen jedoch ist“, sagt Hartmann, „dass niemand vorhersagen kann, ob das Ereignis genauso auftritt, wie es erhofft wird. Es gibt daher immer ein Risiko, enttäuscht zu werden.“

Hängt also auch das sinkende Vertrauen in Institutionen mit stetiger Enttäuschung zusammen? Hartmann zeigte, dass dieser Entwicklung auch andere Ursachen zugrunde liegen können, als nur vertrauensunwürdiges Verhalten: „Entweder nimmt die Ehrlichkeit tatsächlich ab und Menschen zögern deswegen zu vertrauen, oder sie selbst sind skeptischer und paranoider geworden. Schließlich erhalten wir aber heutzutage vielleicht auch einfach viel mehr Informationen über die möglicherweise schon lange bestehende Unehrlichkeit des anderen, z.B. über Politiker durch die Medien.“ Zudem komme es auch vor, dass dort, wo es an Vertrauen mangelt, vorher keines benötigt wurde. Zur Veranschaulichung dieser These nennt Hartmann die Demokratisierung der südosteuropäischen Staaten. „Diese Länder hatten zuvor keinen Bedarf, in eine Demokratie zu vertrauen, denn die kannten sie nicht“, sagt er.

Wie sehr das Volk auf bestimmte Behörden vertraut, wird meist über Umfragen erhoben. Die Wissenschaft setzt sich momentan damit auseinander, ob Vertrauen nicht viel stärker durch das tatsächliche Verhalten gemessen werden muss. Ein polnischer Forscher hat sich daher dem Agieren seiner Landsleute nach dem Ende des Sozialismus gewidmet, um die Stimmung im Volk zu untersuchen. Er fand diverse Hinweise darauf, dass sie der Demokratie als neuere Regierungsform nicht genügend vertrauen. Der Mangel zeigte sich ihm zufolge in der Vielzahl an Leuten, die bereit sind auszuwandern, an der niedrigen Wahlbeteiligung, an der steigendem Zahl von Schülern, die eine Privatschule besuchen, aber auch an Aspekten wie einer hohen Affinität zu Glücksspielen. Jemand der lange studiert, könnte ebenfalls ein Indikator sein - wer keine Zukunftsaussichten hat, verlängert wahrscheinlich eher die Zeit seiner Ausbildung.

Schließlich stellt sich die Frage, ob Institutionen und im Speziellen die Regierungen etwas tun können, um das Vertrauen in sie zu stärken. „Die Forschung auf diesem Gebiet hat gezeigt, dass eine Regierung besonders verlässlich handeln und dennoch nichts an der Vertrauenshaltung seines Volkes ändern kann“, erklärt Hartmann, der zum Thema Vertrauen sowohl promoviert als auch habilitiert hat. Institutionen, so sagt er, würden vor allem danach beurteilt, wie sehr ihr Handeln am Gemeinwohl und nicht egozentrisch oder strategisch orientiert ist. „Da Politiker meist aber auch bei ihren Entscheidungen eine potentielle Wiederwahl im Hinterkopf haben, fällt den Bürgern das Vertrauen hier schwer.“ Im Falle der Südosteuropäischen Länder sieht Hartmann nur ein Hilfsmittel: Zeit. „Das Vertrauen in die Demokratie muss in diesen Ländern kulturell wachsen, man kann ihnen nicht einfach diese bisher unbekannte Regierungsform aufstülpen und gleich vollstes Vertrauen erwarten“, sagt der Soziologe.

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Über diese Reihe

Die Konrad-Adenauer-Stiftung, ihre Bildungsforen und Auslandsbüros bieten jährlich mehrere tausend Veranstaltungen zu wechselnden Themen an. Über ausgewählte Konferenzen, Events, Symposien etc. berichten wir aktuell und exklusiv für Sie unter www.kas.de. Hier finden Sie neben einer inhaltlichen Zusammenfassung auch Zusatzmaterialien wie Bilder, Redemanuskripte, Videos oder Audiomitschnitte.

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Berlin Deutschland