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von Ralf Güldenzopf

Tele-Townhall: Mischung aus dezentraler, aber dennoch interaktiver Bürgerversammlung und Telefonkonferenz

In den USA sind Tele-Townhalls längst fester Bestandteil des politischen Wahlkampfs. Können sich die telefonischen Bürgerversammlungen auch in Deutschland durchsetzen?

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Politiker sind gerade in diesen Tagen bemüht, die oft zitierte Kluft zum Bürger auch mit mehr Kommunikation zu überwinden. Eines der neuesten und vielversprechendsten Instrumente ist die sogenannte Tele-Townhall – eine Mischung aus dezentraler, aber dennoch interaktiver Bürgerversammlung und Telefonkonferenz. Politikexperten gehen davon aus, dass bei den US-Kongresswahlen im vergangenen Jahr rund 90 Prozent der Kandidaten Tele-Townhalls eingesetzt haben. Präsident Barack Obama nutzte das Format unter anderem, um Senioren während der Diskussionen über seine Gesundheitsreform Rede und Antwort zu stehen. Der Erfolg der Telefonversammlungen mit zehntausenden Teilnehmern ist aber nicht auf die USA beschränkt.

Tele-Townhalls sind web-basiert und auf eine Datenbank angewiesen, in der beispielsweise die Adressen von Parteimitgliedern, potenziellen Unterstützern oder Wählern gespeichert sind. In der Regel reicht eine Excel-Tabelle. Die Mindestanforderung sind logischerweise die Telefonnummern. Die Organisatoren sollten diese jedoch um die Namen und die Aufenthaltsorte der Teilnehmer ergänzen. Das erspart Arbeit während der Veranstaltung, erlaubt eine persönliche Ansprache und hilft bei der Beantwortung von Fragen, die im Laufe der Veranstaltung nicht gestellt werden konnten.

 

Der Politiker als Moderator

Während der Teilnehmer lediglich sein Telefon braucht, gibt es für den Gastgeber der Tele-Townhall zwei web-basierte Oberflächen, die mit jedem herkömmlichen Browser passwortgeschützt geöffnet werden können: Eine Oberfläche für den Politiker, die andere für seine Helfer. Erfahrungsgemäß reicht dafür eine einfache DSL-Leitung. Der Politiker kann in seiner Moderatorenrolle die aktuelle Teilnehmerzahl, Kommentare und Fragen in Echtzeit sehen. Die Helfer hingegen nehmen im Hintergrund – wie bei einer Radiosendung – Fragen und Kommentare entgegen und bereiten diese für den Politiker auf.

Das Programm wählt zu einem vom Politiker bestimmten Zeitpunkt die ausgewählten Adressaten der Zielgruppe in wenigen Minuten parallel an. Ob dabei eine Handy- oder Festnetznummer angerufen wird, ist egal: Das Gespräch ist für den Teilnehmer kostenlos. Über eine automatische Ansage – meist spricht der Politiker diese selbst ein – werden die Teilnehmer gefragt, ob sie an der Sitzung teilnehmen wollen. Für sie besteht also auch die Möglichkeit, auszusteigen. Nimmt niemand den Anruf entgegen, wird eine im Vorfeld aufgezeichnete Botschaft auf die Mailbox gesprochen. So oder so: Die Botschaft kommt an.

Die Teilnehmer haben mehrere Möglichkeiten, sich an der Tele-Townhall zu beteiligen: Sie können passiv bleiben und den Diskussionen lediglich zuhören. Sie können sich aber auch aktiv einbringen und Fragen stellen. Dazu muss der Teilnehmer eine bestimmte Taste auf dem Telefon drücken. Umgehend wird er zu einem Helfer im Hintergrund durchgestellt, der die Frage entgegennimmt und in seine Web-Oberfläche eintippt. Während der Teilnehmer der Konferenz weiter zuhört, erscheint die Frage auf dem Bildschirm des Politikers. Dieser kann nun entscheiden, ob er den Fragesteller in die Diskussion einbindet. Mit einem Klick kann der Politiker diesen live zuschalten, um seine Frage für jedermann hörbar zu stellen – die Frage wird also nicht nur vom Politiker vorgelesen. Sind vor der Konferenz Name und Ort des Teilnehmers in die Datenbank aufgenommen worden, kann das Programm die Fragen mit diesen Daten verknüpfen.

Doch die Teilnehmer haben noch eine andere Möglichkeit, sich einzubringen: über Live-Umfragen. Die Organisatoren der Tele-Townhall müssen die Fragen bereits vor der Konferenz in das Programm eingegeben haben. Der moderierende Politiker kann dann entscheiden, welche Umfrage er wann abfragt. Dazu liest er die Frage mit einem Hinweis zum Ablauf der Abstimmung vor und gibt sie frei. Die Teilnehmer stimmen über die Tasten auf ihrem Telefon ab. Die Fragen und die Ergebnisse speichert das Programm automatisch in der Datenbank. Ein Vorteil für die Parteien: Sie können so individuelle Interessen abfragen und für spätere Kontakte benutzen. Dadurch ist es auch möglich, Fragesteller, die im Lauf der Konferenz nicht aufgerufen werden konnten, noch einmal zu kontaktieren.

Ähnlich der zielgruppengenauen Briefsendung („Direct Mail“) sind die Erfahrungen mit Tele-Townhalls zu gut, als dass Polit-Strategen sie ignorieren könnten. Das europäische Ausland beweist es: In Ungarn rief ein Kandidat für ein Lokalparlament fast 8000 Bürger an, von denen er über die Hälfte im Lauf einer Tele-Townhall live erreichte. In Frankreich nutzt die UMP, die Partei von Präsident Nicolas Sarkozy, Tele-Townhalls, um mit Spendern in Kontakt zu bleiben. Die Datenbank umfasst dort mehrere zehntausend Personen. Wann etabliert sich diese Form der politischen Kommunikation also in Deutschland?

Im November vergangenen Jahres veranstaltete die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zum achten Mal ihre „Internationale Konferenz für Politische Kommunikation“ – und führte dabei erstmals auch in Deutschland eine Tele-Townhall durch. Die KAS wollte zeigen, dass es neue Instrumente gibt, die helfen können, Politik besser zu vermitteln und die Distanz zwischen Parteien und Bevölkerung zu verringern. Dabei konnte die Stiftung auf zwei erfahrene CDU-Politiker zurückgreifen: den saarländischen Generalsekretär Roland Theis und seinen thüringischen Amtskollegen Mario Voigt. Diese übernahmen die Rolle der Gastgeber und kontaktierten einen Teil ihrer Mitglieder.

 

Einfach, unkompliziert, schnell

Insgesamt wurden für die Tele-Townhall rund 6800 Personen angerufen, von denen knapp über 3000 direkt erreicht wurden; rund 1600 von ihnen nahmen teil (53 Prozent), fast 2000 bekamen eine automatisierte Nachricht auf ihre Mailbox gesprochen. Im Schnitt waren die Teilnehmer zehn Minuten lang am Apparat, eine Dauer weit über dem Durchschnitt. Die Tele-Townhall dauerte insgesamt 35 Minuten, zu jedem Zeitpunkt waren mindestens 300 Personen in der Leitung. Insgesamt wollten 68 Teilnehmer live eine Frage stellen, die Zeit reichte allerdings nur für acht aus.

Diese Zahlen zeigen, dass eine Tele-Townhall in der Lage ist, viele Teilnehmer zu binden. Doch dürfen die Organisatoren eins nicht vergessen: die Kosten. Abhängig von der Verweildauer der Teilnehmer und der Art des Anrufs (auf eine Handy- oder Festnetznummer) ergeben sich pro Kontakt Kosten zwischen 20 und 60 Cent. Bei 15.000 angewählten Festnetznummern müssen die Veranstalter 3600 Euro einplanen. Die Teilnehmerzahlen und die Kosten müssen jedoch ins Verhältnis zu den bisherigen Instrumenten gesetzt werden: Wie viele Bürger erreicht der Kandidat während einer „normalen“ Wahlkampfveranstaltung? Wie viele Mitglieder kann er durch Briefe erreichen? Und in welchem Aufwand steht dazu eine Regionalkonferenz mit mehreren hundert Teilnehmern?

Polit-Strategen in Deutschland haben mit der Tele-Townhall die Möglichkeit, regelmäßig mit Unterstützern, der Partei und Bürgern ins Gespräch zu kommen. Die einfache Planung und die Chance, Informationen unkompliziert weiterzugeben, ermöglichen es auch, schnell auf Krisen zu reagieren. Ein direkter Austausch ist durch die Reaktion der Teilnehmer und den Dialog mit ihnen möglich. Doch die Parteien müssen wissen, dass sie Unterstützer über die eigene Mitgliedschaft hinaus nur dann erreichen, wenn sie ihre Datenbanken ausbauen. Das ist nicht nur notwendig, sondern – entgegen vielerlei Annahmen – auch möglich. Die Parteien müssen nur damit beginnen.

Erschienen in: politik & kommunikation (Heft 2/11)

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Helios Media Verlag

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Berlin Deutschland