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Ich war der Hitlerjunge Salomon!

Sally Perel in Emmendingen

Sally Perel, der "Hitlerjunge Salomon", erzählte auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung Freiburg vor Schülern der Hauswirtschaftlich-Sozial-Pflegerischen Schulen Emmendingen seine Lebensgeschichte.

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An die 350 Schülerinnen und Schüler der GHSE Emmendingen warten gespannt auf „Sally Perel“, der seine „Überlebensgeschichte“ aus dem 3. Reich erzählt. Die meisten Schüler der UNESCO Projektschule, die regen Austausch mit Partnerschulen in Israel und Palästina pflegt, haben bereits den Film „Hitlerjunge Salomon“ gesehen. Nun folgen Sie fast zwei Stunden lang gebannt den Worten des Zeitzeugen.

Mit einem freundlichen „Shalom!“ und der Hoffnung auf einen gerechten Frieden im Nahen Osten begrüßt der kleingewachsene, freundliche Mann, dem man seine 86 Lebensjahre überhaupt nicht anmerkt, seine Zuhörer.

„Auschwitz lässt sich nicht, wie Staub vom Mantel schütteln!“ sagt Perel, Zeitzeugen seien die besten Geschichtslehrer. Er ruft alle Jugendlichen auf, einmal im Leben die Auschwitz zu besuchen. „Mit den Tränen der in Auschwitz vergasten Kinder“ will er die Schüler gegen rechtsextremes Gedankengut „impfen“.

„Versteckt unter der Haut des Feindes“ schlug sich der Jude Sally Perel vier Jahre, die ihm wie vier Ewigkeiten vorkamen, als Hitlerjunge durch. Mit der Zeit spielte er keine Rolle mehr, er war der Hitlerjunge. Seine „gespaltene Seele“ mache ihm auch heute noch zu schaffen. Die jahrelange Gehirnwäsche durch die Ideologie der Nationalsozialisten wirke noch bis heute nach. Deutschland sei immer sein Mutterland geblieben, das Land seiner Gefühle. Israel, das Land in dem er seit 63 Jahren lebt, wurde ihm zum Vaterland.

In eindrucksvoller, freier Rede beschreibt Perel seinen einzigartigen Lebensweg. Warmherzig und humorvoll findet der jung gebliebene Mann, für den Facebook und Internet zum Alltag gehören, den richtigen Ton bei den Schülern.

In Peine verbringt Sally Perel eine glückliche Kindheit. Als die Nürnberger Rassengesetze in Kraft treten, wird er - allein wegen seines jüdischen Glaubens - von der Schule geworfen, obwohl er einer der besten Schüler war. Eine Demütigung, die ihm heute noch nahe geht.

Die Familie flieht vor dem Nationalsozialismus nach Lodz. Polen soll dem Jungen zur zweiten Heimat werden. Doch die deutschen Truppen marschieren bald in Polen ein. Als die Nazis Polen einnehmen, wird die Familie ins Ghetto einquartiert. Die Eltern treffen einen schweren Entschluss: Die beiden Söhne sollen sich auf den Weg nach Ostpolen machen, das damals von den Sowjets besetzt war. „Vergiss niemals, wo Du herkommst!“ gibt der Vater seinen Söhnen noch mit auf den Weg. Aber die letzten Worte seiner Mutter zum Abschied lauten: „Du sollst leben, Sally!“. Hätte er damals gewusst, dass er seine Eltern nie wieder sehen würde, meint Perel nachdenklich, wäre er nie gegangen.

Zwei Jahre verbringt der Junge in einem polnischen Waisenhaus. Wieder muss er vor den einrückenden Deutschen fliehen. Auf der Flucht wird er von Soldaten der Wehrmacht aufgegriffen. Als die Juden selektiert und erschossen werden sollen, gelingt es ihm in letzter Sekunde, seinen Ausweis zu vergraben und die Soldaten davon zu überzeugen, dass er ein „Volksdeutscher“ sei. Er gibt sich als Vollwaise Josef Perel aus, der seine Papiere in den Wirren des Krieges verloren habe. Um dem sicheren Tode zu entgehen, entscheidet er sich instinktiv, den Worten der Mutter zu folgen und seine Herkunft zu verleugnen. „Wenn die Wahrheit dich töten will, lüge!“

In ständiger Angst enttarnt und getötet zu werden, wird er später zum Hitlerjungen in Braunschweig. Erst nach dem Krieg hat er erfahren, dass die Schule, in der er mit seinen Kameraden „Sieg Heil!“ gebrüllt und sich über die Siege der deutschen Wehrmacht gefreut hatte, nur 60 Kilometer vom KZ Bergen-Belsen entfernt war. Im „Rassenkundeunterricht“ wird ihm sogar bescheinigt, ein typischer „Arier der ostbaltischen Rasse“ zu sein.

Perel beschreibt auch Momente der Menschlichkeit. Als er sich gegen die Nachstellungen eines homosexuellen Soldaten zur Wehr setzt, wird offenbar, dass er beschnitten ist. Mit den Worten „Es gibt auch ein anderes Deutschland!“ lässt ihn der Soldat von diesem Moment an in Ruhe. Er behält dieses Geheimnis für sich und verrät seinen Kameraden „Jupp“ nicht.

Noch ein einziges Mal sieht Sally Perel seine Mutter. Als er auf der Suche nach seinen Eltern mit der Straßenbahn durch das Ghetto Lodz fährt kann er, durch Stacheldraht getrennt, keinen Kontakt aufnehmen. Später wird auch seine Mutter von den Nationalsozialisten ermordet.

„Ich habe der deutschen Jugend nichts zu verzeihen!“ sagt Sally Perel schließlich. „Schuld ist nicht vererbbar“. Wenn aber heute wieder Neonazis mit den Parolen von damals durch die Straßen marschieren und sogar Menschen ermorden, muss der Zeitzeugenbericht zum Auftrag werden: „Ihre seid ab heute Zeitzeugen für Eure Kinder und Kindeskinder!“.

Wenn er nur einen einzigen Schüler aus den Fängen der Neonazis befreit habe, sei seine Mission erfüllt. So lange er noch in Schuhen stehe, werde er seine Geschichte erzählen. Am Ende tosender, herzlicher Beifall. Die Schüler löchern Sally Perel mit Fragen: „Haben Sie Ihren Bruder wieder getroffen?“; „Warum haben Sie Ihre Lebensgeschichte erst nach 40 Jahren aufgeschrieben?“; „Wie ist es Ihnen in Israel ergangen?“; „Was ist aus Ihrer Schwester Berta geworden?“ „Wie unterscheidet sich der Film von der wirklichen Geschichte?“; „Haben Sie Adolf Hitler jemals persönlich erlebt?“... Geduldig beantwortet Perel auch die schmerzlichen Fragen.

Der Ansturm am Büchertisch nimmt kein Ende, in langen Schlangen lassen sich die Schüler ihr Buch signieren. Manche lassen sich mit ihm fotografieren.

Die Schülerinnen und Schüler werden die berührende Begegnung mit Sally Perel in Erinnerung behalten.

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Kontakt

Thomas Wolf

Thomas Wolf

Leiter Regionalbüro Südbaden des Politisches Bildungsforums Baden-Württemberg

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Sally Perel Thomas Wolf
Sally Perel in Emmendingen Thomas Wolf
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