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Versicherung nicht nur für Reiche, Schöne und Gesunde

von Jenna Behrends

Interview mit Jens Spahn MdB

Die privaten Krankenversicherungen geraten zunehmend in die Kritik. Das hat auch Jens Spahn,gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, erkannt. Er will private Versicherer für alle öffnen.

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Sie sind, seitdem Sie 2005 in den Bundestag gewählt wurden, privat versichert. Glück gehabt?

Spahn: Nein, auch als Privatversicherter lebt

man nicht in einem Land, in dem nur

Milch und Honig fließen. Zweifelsohne

kommt man beim Arzt schneller

dran, aber die Privatversicherungen

haben zum Teil große Probleme: Ihnen

rennen im Moment die Kosten weg.

Deshalb sollten wir jetzt versuchen,

die Kostensteigerung bei den privaten

Versicherern, wie wir es bei den

gesetzlichen Kassen auch tun, in den

Griff zu bekommen. Außerdem kann

man schlecht erklären, warum nur

Beamte, Selbstständige und gut

Verdienende sich privat versichern

dürfen. Der einzige Grund, den es

gibt, ist: Es war immer schon so. Ich

finde, das ist immer die schlechteste

Begründung.

Soll also die Dualität von privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen erhalten bleiben?

Wenn sie erhalten bleibt, muss sie

mindestens verändert werden. Ich will

keine Neiddebatte führen wie diejenigen,

die von Bürgerversicherung

reden, wie SPD, Linke, Grüne das

tun. Nach dem Motto: Da ist eine

Gruppe, die hat sich der Solidargemeinschaft

entzogen, und man

stärkt das gesetzliche System, indem

man das private abschafft. Das

ist zu kurz gedacht.

Und die Solidargemeinschaft ist Ihnen egal?

Nein, eine Privatversicherung ist ja

auch eine Solidargemeinschaft in sich,

weil bei jeder Versicherung diejenigen,

die zahlen, für jene einstehen, welche

die Leistung brauchen. Es ist nicht so,

dass in einer Privatversicherung nur

die Reichen, Schönen und Gesunden

sind. Von den acht Millionen privat

Versicherten in Deutschland sind

Beamte und Pensionäre mit rund vier

Millionen die größte Gruppe. Der

Polizist vor dem Reichstag, das ist

kein Millionär. Viele Mini-Selbstständige

wie Kioskbesitzer, Taxifahrer

und Dönerbudenbesitzer zählen auch

nicht zu den Reichen.

Also: Was wollen Sie?

Wir müssen die Probleme des privaten

Systems lösen. Dann kann

man Schritt für Schritt sicherlich

dahin kommen, dass es die bisherige

Grenze, dass nur Beamte, Selbstständige,

Gutverdienende sich privat

versichern können, nicht mehr gibt.

Am Ende könnte irgendwann einmal

ein einheitlicher Versicherungsmarkt

stehen. Ich habe persönlich Interesse

daran, dass wir die gute Versorgung

in Deutschland erhalten, vor allem

auch wenn ich siebzig bin. 2050 wird

jeder dritte Deutsche über sechzig

sein. Die spannende Frage ist: Haben

wir dann noch ein System, das funktioniert?

Was bringt es, wenn sich alle privat versichern können?

Die Aufhebung der Grenze wäre

nicht die Lösung aller Probleme, aber

dieser Schritt führte ohne Zweifel zu

einer höheren Akzeptanz. Was ich

auf keinen Fall will, ist eine Einheits-

AOK für alle. Eine Bürgerversicherung

wäre aber genau das.

Warum nicht?

Der riesige Verwaltungsapparat verhindert

Innovationen eher, als dass er

sie befördert. Das kann niemand ernsthaft

anstreben. Ganz banales Beispiel:

Wenn es nur eine Krankenversicherung

gäbe in Deutschland, warum soll die

den Telefonhörer abnehmen, wenn Sie

anrufen? Das heißt: Im Wettbewerb

zwischen gesetzlichen und privaten

Krankenversicherungen gibt es natürlich

Anreize, sich um die Versicherten zu

kümmern.

Dann hätten wir auf der einen Seite

gesetzliche Krankenversicherungen,

die Beiträge auf das Einkommen

erheben, auf der anderen private

Krankenversicherungen, deren Prämien

sich am Krankheitsrisiko orientieren.

Wie kann ein sinnvoller Wettbewerb entstehen, wenn viele Kunden ihre Entscheidung von der Beitragshöhe abhängig machen und nicht von den unterschiedlichen Leistungen, die gesetzliche und private bieten?

Das ist eine der wichtigen Fragen, die

man jetzt angehen muss. Was ich ja

sage und anstoße, ist, – und das ist

neu für die Union, dass wir diese

Fragen offen diskutieren müssen.

Faktisch wären mit Ihrem Vorschlag

die privaten Krankenversicherungen

in ihrer jetzigen Form abgeschafft.

Damit wenden Sie sich gegen den

Koalitionsvertrag.

Erstens ist das kein Thema mehr

für diese Legislaturperiode, sondern

eine Debatte, die Zeit braucht. Zweitens

geht es jetzt doch nicht ums

Abschaffen. Die meisten privaten

Krankenversicherer sind Vereine auf

Gegenseitigkeit, die von ihrem Anliegen

durchaus mit gesetzlichen

vergleichbar sind.

Die Debeka hat angekündigt, für

Neugeschäfte maximal 30 Prozent

Risikozuschlag zu verlangen. Das heißt,

dass sogar Schwerstkranke, die sich

bisher nicht privat versichern konnten,

zu einem bezahlbaren Preis reinkommen.

Man wird sich also irgendwann

fragen, was die gesetzlichen und

privaten Krankenversicherungen überhaupt

noch trennt.

Angela Merkel soll in einer internen

Runde gesagt haben, dass sie gerne

die private Krankenversicherung in die

gesetzliche überführen würde.

Ich weiß nicht, was die Kanzlerin in einer

internen Runde gesagt hat oder nicht.

Haben Sie ihre Rückendeckung?

Mein Eindruck ist, dass breite Teile der

Union bereit sind, über dieses Thema

zu reden, weil sie die Probleme erkennen,

die es gibt. Auch die Kanzlerin.

Wird es 2020 noch ein duales System geben?

Es wird sicherlich kein System wie

heute mehr geben. Entweder haben

die linken Parteien, die später oder

früher wieder eine Wahl gewinnen

werden – ich hoffe eher später –, eine

Einheits-AOK für alle eingeführt,

oder wir ein vernünftiges Wettbewerbssystem.

In den Medien werden sie als

zukünftiger Gesundheitsminister

gehandelt. Schmeichelt Ihnen das?

Obwohl ich jung bin, habe ich nach

zehn Jahren im Bundestag schon so

viel politische Erfahrung, dass solche

Artikel und Mutmaßungen mich nicht

weiter beeindrucken. Ich mache einfach

meine Arbeit, ich mache sie wahnsinnig

gerne, und den Rest warten

wir einfach ab.

Das Interview ist Teil des neuen JONA-Magazins GORDO - Gesellschaft, Gesundheit, Geld.

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Jens Spahn KAS/JONA

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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

erscheinungsort

Sankt Augustin Deutschland