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Der Iran zwischen den Fronten

Handlungsoptionen und Zwänge Teherans in der Nuklearfrage und in der Syrienkrise

In den Nuklearverhandlungen und in der Syrienkrise bauen der Westen und die internationale Gemeinschaft immer mehr auf eine konstruktive Einbindung des Iran als stabilisierende Regionalmacht. Der Iran spielt seine Karten dabei geschickt aus.

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Die Hoffnungen auf einen Verhandlungserfolg bei den Nuklearverhandlungen mit dem Iran wurden am 24. November erst einmal enttäuscht. Statt eines Abkommens wurde eine siebenmonatige Fortsetzung der Verhandlungen beschlossen. Während die anti-westlichen Hardliner im Iran ob der vermeintlichen Niederlage der Regierung von Präsident Rohani offen feixten, bedauerten die moderaten Kräfte, die sich bei den Verhandlungen hinter Rohani gestellt hatten, dass noch kein Abkommen erreicht werden konnte. Ein Erfolg in der Form eines Abkommens hätte, so die Wahrnehmung in Teheran, der Regierung Rohani den Rücken gestärkt. Diesen Rückenwind benötigt der Präsident nicht nur für die Umsetzung seiner außenpolitischen Agenda, sondern auch für die notwendigen inneren Reformen. Die innenpolitische Öffnung war - neben dem Kampf gegen die von Rohani als „illegal“ bezeichneten internationalen Sanktionen – im Jahr 2013 ein wichtiges Wahlversprechen Rohanis gewesen.

Die iranischen Parlamentswahlen 2016 und die Nuklearfrage

Insbesondere vor den im Jahr 2016 anstehenden Parlamentswahlen im Iran, bei denen die derzeitige reformfeindliche, konservative Mehrheit in der Teheraner Madschlis von den reformorientierten und moderaten Anhängern der Regierung Rohani gebrochen werden soll, benötigen die Reformkräfte vorzeigbare Erfolge. Die andauernde Konfrontation mit dem Westen und der internationalen Gemeinschaft über das iranische Atomprogramm beeinflusst die innenpolitische Diskussion dabei maßgeblich, da durch die Sanktionen breite Bevölkerungsschichten wirtschaftlich bis ins Mark getroffen werden. Das von der staatlichen Propaganda als „nationales Interesse“ propagierte Recht auf ein ziviles Atomprogramm ist in der iranischen Bevölkerung dennoch unumstritten. Weder ökologische noch energiepolitische oder wirtschaftliche Debatten, die den Sinn der Atomkraftnutzung in Frage stellen würden, sind verbreitet. Ein offener Diskurs hierüber ist auch kaum möglich, sondern wird auch im Reformerlager tabuisiert. Ein Dissidententum in dieser Frage ist aber selbst in weiten Teilen der großen Exilgemeinschaft nicht sonderlich populär, die dem Regime ansonsten teilweise äußerst ablehnend gegenüber steht. Dies ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass das Atomprogramm schon vom Schah beherzt vorangetrieben worden war. Möglicherweise hätte Iran ohne die Revolution des Jahres 1979, die zum Sturz des Schah geführt hatte, bereits die Bombe. Heute wie damals hat diese Frage der iranischen Nuklearstrategie erhebliche geopolitische Implikationen.

Pro-schiitische Einflussnahme im Irak

In der Region, in der Iran sich neben Ägypten, Saudi-Arabien, der Türkei und dem Irak als einer der fünf größten Akteure versteht, stößt der Verhandlungsprozess zwischen Iran und den fünf ständigen Mitgliedern des VN-Sicherheitsrates und Deutschland (P5+1) auf viel Skepsis. Zu der nicht neuen Sorge vor den durch die massive militärische Aufrüstung untermauerten hegemonialen Ansprüchen Irans ist immer stärker die Ablehnung des iranisch-schiitischen Einflusses in arabischen Ländern mit schiitischen Bevölkerungsteilen gekommen. Ohne die Unterstützung durch den Iran hätte Maliki die Sunniten nicht acht Jahre marginalisieren können, die im Irak nach dem Sturz Saddams im Jahre 2003 ihre Machtposten ohnehin hatten weitgehend räumen müssen. Ohne die Unterstützung durch den Iran wäre wohl auch Assad heute in Syrien nicht in der recht starken Position. Die geopolitischen Karten werden neu gemischt und die arabischen Staaten beobachten angesichts ihrer eigenen Schwäche infolge der arabischen Umbrüche seit 2011 fast hilflos, wie Iran seine Karten immer geschickter ausspielt.

Perspektiven auf eine neue Sicherheitsarchitektur im Nahen Osten

Die Aussichten auf eine Verständigung bei den Atomverhandlungen werden daher nicht nur von Israel mit einer gewissen Sorge betrachtet. Allgemein wird befürchtet, dass die Lösung des Nuklearstreits die amerikanische Präsenz in der Region weiter minimieren und das amerikanische Engagement für eine regionale Sicherheitsarchitektur, auf das neben Israel traditionell insbesondere die arabischen Golfstaaten vertraut haben, weitgehend zurückfahren könnte. Aus iranischer Sicht schafft dagegen ein Kompromiss in der Nuklearfrage die Grundlage für eine neue regionale Sicherheitsarchitektur, die den iranischen Einfluss nach dem Willen Teherans weiter erheblich ausweiten sollte. Iran sieht sich sowohl gegenüber dem Westen als auch gegenüber den regionalen Akteuren in der Position der „schönen Braut“, die sich für eine Region ohne Massenvernichtungswaffen und gegen den brutalen Feldzug sunnitisch-dschihadistischer Gruppen engagiert und als konstruktiver Kooperationspartner zur Erreichung dieser Ziele anbietet. Zugleich inszeniert sich Iran aber nicht nur als Schutzmacht der arabischen Schiiten, sondern hält auch dem Assad-Regime in Damaskus einstweilen die Treue. Für die sunnitischen Staaten, einschließlich der Türkei, ist diese - keineswegs mit ihren eigenen Interessen kohärente - iranische Rolle zu dominant, ohne dass man aktuell wirklich wüsste, was man ihr entgegen zu setzen hätte.

Während sich der Iran in der Nuklearfrage in einer fundamentalen Auseinandersetzung vor allem mit dem Westen sieht, so versteht er sich in der Region als Akteur in einem immer stärker konfessionell aufgeladenen Stellvertreterkrieg gegen die sunnitisch dominierten Staaten. An beiden Fronten ist potentiell die Gefahr einer militärischen Eskalation gegeben.

Neuer Pragmatismus in den USA-Iran-Beziehungen

Für den Iran scheint die Front zum Westen hin dabei wesentlich überschaubarer geworden zu sein. Selbst mit dem Erzfeind USA ist der Iran bemüht, sich im Rahmen der Verhandlungen anzunähern. Wenngleich die Wiederaufnahme der vor 35 Jahren abgebrochenen diplomatischen Beziehungen noch aussteht, so ist dem Iran doch bewusst, dass die USA als instrumentalisierbares Feindbild des „großen Satans“ längst ausgedient haben. Selbst direkte Verhandlungen sind kein Tabu mehr. Der Iran begrüßt es zudem - im Gegensatz zu den anderen Golfstaaten -, dass die USA die Region immer weniger für ihre Energieversorgung benötigen und zudem nach dem Irakfeldzug kriegsmüde geworden sind. Als Gestaltungsmacht in demokratischer Mission – auch dieses Kapitel scheint für die USA in der Region abgeschlossen zu sein und Teheran fürchtet heute keine amerikanischen Regime-Change-Bestrebungen mehr. Ein Stolperstein für Teheran im Verhältnis zu den USA ist aber weiterhin die Sicherheit Israels. Teheran wird nicht müde, sich als Vorreiter einer antiisraelischen Rhetorik zu gerieren und hält die „Achse des Widerstandes“ bestehend aus dem Regime in Damaskus, der libanesischen Hisbollah und der nun ins Assad-gegnerische Lager gewechselten palästinensischen Hamas künstlich am Leben. Doch ist man in Teheran - nach der sehr konfrontativen Ahmadinedschad-Zeit - nicht mehr wirklich dazu bereit, den israelischen Widerstand gegen eine politische Lösung in der Nuklearfrage unnötig zu provozieren. Ohnehin wird der Konflikt mit Israel, mit dem der Iran keine Grenze teilt, im Vergleich zum Konflikt mit dem saudischen Wahhabismus und erst recht mit den antischiitischen Kämpfern des „Islamischen Staats“ in Teheran mit viel weniger Sorge betrachtet. Sogar die Nuklearmacht Israel wird am Ende des Tages nicht mehr in Frage gestellt, sondern aus dem vorgeblichen Teheraner Wunschszenario eines nuklearwaffenfreien Nahen Ostens einfach ausgeblendet.

Für „islamisches Erwachen“ und gegen den Sturz Assads

Die außen- und sicherheitspolitische Klasse im Iran unter Präsident Rohani widmet sich heute verstärkt den neuen Herausforderungen, wie dem Schutz der vom „IS“ und „Al-Nusra-Front“ bedrohten schiitischen heiligen Stätten im Irak und in Syrien. Teheran hatte die Sicherheit der schiitischen Heiligtümer offiziell als „rote Linie“ bezeichnet.

Diese schiitisch-sunnitische Front hat sich in den vergangenen Jahren für den Iran schwierig entwickelt. Mit den negativen Folgen der anfangs als „islamisches Erwachen“ bejubelten arabischen Umbrüche hatte Teheran nicht gerechnet. Die immer dramatischere regionale De-Stabilisierung geht aus der Sicht Teherans mit einer Stärkung militanter iranfeindlicher Kräfte einher. Die konfessionelle Dimension und ihre geopolitischen Implikationen sind den Iranern bewusst und sie definieren ihre Interessen und Einflussmöglichkeiten vor diesem Hintergrund eher nüchtern und pragmatisch. Für den Kampf um Syrien heißt das, dass man zwar vordergründig auf Seiten Assads steht, da Syrien als einziger arabischer Staat dem Iran im ersten Golfkrieg gegen den Irak beigestanden hatte. Diese Bündnistreue wird aber von der iranischen Außenpolitik nicht als alternativlose ultima ratio gesehen. Vielmehr hat man sich inzwischen weitgehend den international ausgehandelten Beschlüssen der ersten Genfer Verhandlungen aus dem Jahre 2012 angenähert. Diese hatten für Syrien einen Transitionsprozess skizziert, der dann aber in den Genf 2 – Verhandlungen - zu Anfang des Jahres 2014 - nicht umgesetzt wurde. Teheran wäre wohl bereit, Assad zu opfern, wenn dies als Voraussetzung für die Beteiligung an einem breiten Bündnis gegen den sunnitischen Jihadismus in Syrien unumgänglich würde. Schnell könnte dieser pragmatische Kurswechsel auch zu einer Wiederannäherung an die Türkei führen, mit der man die Sorge um eine Auflösung der Grenzen, die Etablierung eines Terrorkalifats auf irakischem und syrischen Boden und kurdische Eigenstaatlichkeit weitgehend teilt. Auch gegenüber der zweiten Golfmacht, den Saudis, würde eine pragmatische Bündnisstrategie in der Syrienkrise die Handlungsoptionen des Iran erheblich erweitern und die zumindest rhetorisch betonte Annäherungsbereitschaft begünstigen. An einer De-Stabilisierung des größten Konkurrenten am Golf kann Teheran ohnehin nicht gelegen sein, da dies den regionalen Vormarsch des sunnitischen Extremismus massiv anheizen würde.

Außenpolitischer Realismus und notwendige Vertrauensbildung

Teheran setzt somit sowohl in den Nuklearverhandlungen als auch bei der Lösung der regionalen Konflikte nicht auf eine völlig illusorische Durchsetzung von Maximalforderungen, sondern auf win-win-Situationen für beide Seiten und auf die nationalen und regionalen Synergien durch eine umfassende Lösung. Dieser dezidiert realpolitische Kurs der Regierung Rohani wird vom religiösen Führer Chamenei weitgehend mitgetragen – auch gegen zunehmende Widerstände aus dem Lager der Hardliner und des Sicherheitsapparats. Die Chancen für Fortschritte im Jahr 2015, sowohl in der Nuklearfrage als auch in der Syrienkrise, erscheinen daher aus iranischer Perspektive eher gut. Für Irans Nachbarn und für den Westen ist die iranische Bereitschaft, an pragmatischen Lösungen orientiert zu agieren, erst einmal eine gute Nachricht. Langfristig wird die notwendige Zusammenarbeit aber nur erfolgreich sein, wenn nicht mehr nur an der Bewältigung von einzelnen Krisen gearbeitet wird. Ob die Zeit aber für ein „grand bargain“ mit Iran wirklich schon reif ist, darf angesichts des noch weitgehend fehlenden Vertrauens bezweifelt werden. Die vereinbarte Fortsetzung der Nuklearverhandlungen bis Juni 2015 sollte daher auch dem grundsätzlichen Ziel dienen, dieses Vertrauen aufzubauen.

Der Artikel ist zuerst auf focus.de erschienen.

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