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"Corporate Social Responsibility" in Asien

Tue Gutes und rede darüber! Aber wie und mit wem?

Viele Konferenzen beschäftigen sich mit einheitlichen internationalen Standards für „Corporate Social Responsibility“. Aber nur wenige fragen danach, was die Medien von dem Thema eigentlich halten und welche Aspekte für sie bei der Berichterstattung über CSR-Projekte wichtig sind.

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Nur wenige Journalisten in Asien wissen, was sich genau hinter dem Begriff „Corporate Social Responsibility“ (CSR) verbirgt. Redakteure und Reporter, die sich auf die Bearbeitung von CSR-Themen spezialisiert haben, sind die Ausnahme. Umgekehrt haben auch viele Unternehmen in Asien, allen voran kleinere und mittlere Firmen, keine oder nur sehr ungenaue Vorstellungen vom Thema. Einheitliche Standards für CSR-Projekte haben sich bis jetzt nicht durchgesetzt. Das Spektrum an Aktivitäten, die ebenfalls gerne aus den jeweiligen CSR-Budgets finanziert werden, reicht von eintägigen Public-Relations-Events bis hin zu einmaligen Geldspenden an gemeinnützige Institutionen.

Vor diesem Hintergrund hat das Regionalprogramm „Soziale Ordnungspolitik Asien“ (SOPAS) der Konrad-Adenauer-Stiftung (Sitz: Tokio) in Zusammenarbeit mit der Vietnam Chamber of Commerce and Industry (VCCI) eine eintägige Konferenz über professionelle „Corporate Social Responsibility“ und Ansätze für eine engere Zusammenarbeit zwischen Medien und Unternehmen in Asien veranstaltet. Das Treffen in Ho-Chi-Minh-Stadt fand im November 2014 anlässlich der 14. Asien-Pazifik-Konferenz der Deutschen Wirtschaft (APK) statt. Ein Schwerpunkt der Konferenz war die Frage, mit welchen Erwartungen Journalisten an CSR-Projekte herangehen, welche Aspekte für sie bei der Berichterstattung wichtig sind, und was Unternehmen bei der Kommunikation über CSR-Projekte im Kontakt mit asiatischen Medien berücksichtigen sollten. Der vorliegende Bericht fasst die Ergebnisse der Veranstaltung zusammen. Die Meinungen und Äußerungen der circa 80 Konferenzteilnehmer aus Vietnam, Bangladesch, China, Singapur, Indonesien, Sri Lanka, Kambodscha, Thailand, Pakistan, Malaysia und Südkorea werden hier sinngemäß als mögliche Hilfestellung wiedergegeben.

CSR „grundsätzlich“ berechtigt und notwendig

Neben oder in Ergänzung zur Sozialfürsorge, den Bildungsprogrammen und Hilfsprojekten der Regierungen und Behörden haben CSR-Maßnahmen der kommerziellen Unternehmen aus Sicht der Medien durchaus ihre Berechtigung. „CSR erinnert uns daran, die Grenzen (des unternehmerischen Handelns) nicht zu übertreten. Sie muss Teil der Geschäftsstrategie sein. Bei CSR geht es nicht darum, Geld auszugeben, sondern auf die richtige Art und Weise Geld zu verdienen.“ Firmen, die sich in diesem Bereich engagieren, müssen bei Einhaltung bestimmter Regeln also nicht zwangsläufig mit Ablehnung durch die Medien oder mit Vorwürfen („Greenwashing“ etc.) rechnen.

CSR wird unter bestimmten Bedingungen sogar als unerlässlich betrachtet. Sicherlich übernimmt jedes Unternehmen schon damit soziale Verantwortung, dass es Arbeitsplätze schafft und Steuern zahlt. In vielen asiatischen Ländern gehen Journalisten darüber hinaus aber davon aus, dass die CSR-Budgets insbesondere der ausländischen Investoren und international tätigen Konzerne gerade in ländlichen Regionen erstens deutlich größer sind als die für vergleichbare Zwecke bestimmten Budgets der lokalen Regierungen. Zweitens erwarten die Journalisten, dass kommerzielle Unternehmen diese Mittel auch weitaus schneller und unbürokratischer für soziale Projekte einsetzen können als die staatlichen Behörden: „Wenn ich die Wahl habe zwischen dem Staat, der im Grunde zwar dafür zuständig wäre, in meinem Dorf eine neue Wasserleitung zu installieren, dazu aber wohl erst in zwei Jahren in der Lage ist, und einem Stahlproduzenten in der Nähe, der zwar eigentlich nichts damit zu tun hat, dafür aber schon in einem Monat die neue Wasserleitung anschließen kann, hoffe ich natürlich auf den Stahlkonzern, damit mein Dorf möglichst schnell sauberes Trinkwasser bekommt.“ Diese Haltung (der Dorfbewohner) wird von den Medien geteilt: Die Effizienz und Effektivität bei der Umsetzung eines CSR-Projekts wiegt für sie bei der Berichterstattung über die eigentliche Maßnahme unmittelbar schwerer als die grundsätzliche Frage der Zuständigkeit für die entsprechende Leistung. Oder anders gesagt: Wenn „der Staat“ nicht das leisten kann, was in bestimmten Fällen erforderlich wäre, sollte sich die Wirtschaft engagieren.

Bei dieser Einschätzung spielt in vielen asiatischen Ländern auch die ständige Bedrohung durch Naturkatastrophen eine Rolle. Kommerziellen Unternehmen wird im Krisenfall vielerorts eher zugetraut, kurzfristig Hilfe zu leisten, als den staatlichen Behörden der betroffenen Gegenden. Zwar wird einerseits also erwartet, dass CSR-Projekte nachhaltig ausgerichtet sein müssen („Eintägige Promotion-Events sind keine CSR!“), andererseits sollen sie unter bestimmten Bedingungen auch schnell (Teil-)Ergebnisse erzielen. Aufgrund der in vielen Ländern nur schwach ausgeprägten sozialen Sicherungssysteme und der besonderen Anfälligkeit für Naturkatastrophen gehen Experten davon aus, dass CSR in Asien künftig sogar noch an Bedeutung gewinnen wird.

Interaktion mit „stakeholdern“ erfolgskritisch

CSR-Experten empfehlen dringend, als Unternehmen bereits zu Beginn der Projektplanung im Detail zu analysieren, wer genau die verschiedenen (direkten und indirekten) „stakeholder“ möglicher CSR-Maßnahmen sind, welche Bedürfnisse und Erwartungen bei den verschiedenen Gruppen und Personen bestehen und welche Risiken daraus für die nachhaltige Umsetzung resultieren.

Als einer der „stakeholder“ haben die Medien in Asien grundsätzlich das Bedürfnis nach ausreichender Kommunikation. „Wenn Journalisten anrufen, müssen die Unternehmen erreichbar sein!“ Kontinuierliche Interaktion zwischen dem Unternehmen, den unmittelbar Betroffenen und interessierten Journalisten spielt dabei eine große Rolle. Soziale Netzwerke im Internet (Facebook, Twitter, daneben auch Plattformen für visuelle Inhalte wie YouTube, Flickr etc.) sind für den Informationsaustausch über ein CSR-Projekt unerlässlich. In den meisten Ländern Asiens nutzen Journalisten die sozialen Onlinenetzwerke bei der Themenfindung und Recherche beinahe wie klassische Nachrichtenagenturen. Hinweise und Kommentare auf Facebook oder Twitter gelten als „leads“ (Spuren, Anhaltspunkte) für die Relevanz eines Projekts oder Ereignisses. Gleichzeitig multiplizieren sie die Aufmerksamkeit für die betreffenden Informationen. Das funktioniert online aber nur dann gut, wenn zwischen den zuständigen Vertretern eines Unternehmens und interessierten Journalisten „offline“ gute persönliche Kontakte bestehen. „Die (für ein CSR-Projekt zuständigen) Mitarbeiter sollten sich mit Journalisten regelmäßig treffen, auch für informelle Gespräche.“ Allein mit einer Pressekonferenz ist es bei der Information über ein CSR-Projekt in Asien also selten getan.

Nachhaltigkeitsberichte als Gütesiegel

Nachhaltigkeitsberichte (Sustainability Reports) erfordern einen hohen Aufwand, sind sicherlich umfangreich und nicht für jeden Journalisten im Detail verständlich. Unternehmen sollten die Berichte aber nicht nur als „Pflichtübung“ verstehen. Denn erstens werden sie von den Medien als ein Zeichen dafür goutiert, dass Unternehmen „stolz auf ihre Leistung (im CSR-Bereich)“ sind. Außerdem, und auch das bewerten asiatische Journalisten grundsätzlich positiv, „setzt ein Unternehmen mit seinem Nachhaltigkeitsbericht die eigene Reputation aufs Spiel“. Immerhin erwarten Journalisten vom betreffenden Unternehmen nicht nur Informationen über die Höhe der Kosten für ein CSR-Projekt, sondern auch über die damit angestrebten Ziele, die Laufzeit der Maßnahme und über die geplante nachhaltige Wirkung. Was auf den Chefetagen der Firmen mithin Kopfschmerzen verursachen kann, bewirkt auf der Seite der Journalisten zunächst einmal eine Art „Vertrauensvorschuss“ (Transparenz).

Allerdings, auch das muss klar sein, werden die Nachhaltigkeitsberichte von Journalisten im Detail vor allem dann als Quelle genutzt, wenn zwischen Realität und Wirklichkeit eine Lücke klafft, wenn also ein Unternehmen in seinem Umfeld zum Beispiel die Luft verschmutzt, das Problem im Nachhaltigkeitsbericht aber ausgespart bleibt oder sogar das Gegenteil behauptet wird. „Die Rechtsabteilung des Unternehmens sollte am Bericht immer mitschreiben.“

Keine CSR ohne Eigeninteressen

Das Auftragswesen und Beschaffungsmanagement (procurement management) schreibt kommerziellen Unternehmen grundsätzlich vor, Dienstleistungen und Waren möglichst preisgünstig einzukaufen. Aktivitäten im Bereich „Corporate Social Responsibility“ können dazu im Widerspruch stehen, wenn sie einerseits zusätzlichen finanziellen Aufwand verursachen, sich dafür andererseits aber keine „Vorteile“ identifizieren lassen. Das gilt allen voran in Ländern, wo soziale Mindeststandards oder Vorschriften für den Umweltschutz entweder fehlen, nicht für alle Marktteilnehmer gleichermaßen gelten oder umgangen werden können (Korruption). „Unethische Unternehmen haben in einigen Märkten Vorteile gegenüber ethischen Unternehmen.“ Das wissen auch die Medien.

Journalisten setzen in Asien deshalb grundsätzlich auch bei einem CSR-Projekt geschäftliche Interessen voraus. Die Antwort auf die (im Zweifelsfall sehr gründlich recherchierte!) Frage nach dem „Warum?“ eines CSR-Projekts muss deshalb immer erklären können, ob damit (auch indirekt, langfristig und im weiteren Sinne) „entweder die Kosten gesenkt oder die Umsätze und der Profit gesteigert werden“ sollen. Ein CSR-Projekt ohne nachvollziehbare Eigeninteressen wäre aus Sicht der Journalisten „unlogisch“ und würde mit Skepsis bedacht. Ein Stahlkonzern, der in einem Dorf in der Nähe die Wasserleitung repariert und sein Engagement damit begründet, „dass er die Menschen glücklich machen will“, handelt aus Sicht der Medien unter Umständen also „irrational“. Wenn in dem betreffenden Dorf aber einige Arbeiter des Stahlkonzerns mit ihren Familien leben und das Unternehmen daran interessiert ist, gesunde und motivierte Arbeiter zu beschäftigen, wird der Aufwand für die Versorgung mit sauberem Trinkwasser nachvollziehbar. „Menschen in Not sind nicht nur weniger leistungsfähig, sie können eine Produktion auch lahmlegen, wenn sie aus Protest gegen ihre widrigen Lebensumstände die Zufahrtsstraßen zum Unternehmen blockieren.“

Was nutzt wem tatsächlich?

Beim oben genannten Beispiel ist der Nutzen der Wasserleitung sowohl für die Dorfbewohner als auch (indirekt, da Mitarbeiter) für den Stahlkonzern offenkundig. Eine ganze Reihe internationaler Experten sagt allerdings, dass „Corporate Social Responsibility“ nicht dazu da ist, die Beschäftigten eines Unternehmens (auch z.B. mit Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung) zu unterstützen. In dem Fall, dass zwischen dem Standort eines Unternehmens und der örtlichen Ansiedlung bzw. Zielgruppe eines CSR-Projekts keine erkennbare Verbindung besteht, fragen Journalisten erst recht nach den tatsächlichen Nutznießern der betreffenden Maßnahme. Zunächst gerät dann natürlich das Unternehmen selbst ins Visier.

Wie oben bereits ausgeführt, wird ein gesundes Maß an geschäftlichen Eigeninteressen bei CSR-Projekten in Asien immer vorausgesetzt. Wer leugnet, mit seiner „Corporate Social Resonsibility“ auch die eigene Reputation verbessern und die Unternehmensmarke („Brand“) stärken zu wollen, macht sich bei Journalisten unglaubwürdig. Solange ein CSR-Projekt konkreten Nutzen bei der jeweiligen Zielgruppe außerhalb des betreffenden Unternehmens stiftet, ist der angestrebte Imagegewinn als „Umwegrentabilität“ statthaft. Wenn allerdings der Eindruck entsteht, mit „Corporate Social Responsibility“ von Skandalen, Konflikten mit der Gewerkschaft etwa über Sicherheitsstandards bei der Produktion, von nicht eingehaltenen Auflagen für den Umweltschutz oder negativen Auswirkungen eines bestimmten Produkts ablenken zu wollen, kann CSR die Reputation eines Unternehmens unter Umständen sogar noch zusätzlich beschädigen. Das Gleiche gilt für CSR-Projekte, bei denen einerseits der Nutzen nicht deutlich wird, andererseits aber der Eindruck entsteht, es handele sich in erster Linie „um eine Medienstrategie, um häufiger auf Sendung (Airtime) zu sein oder die Zahl der Presse- und Onlineartikel zu steigern“.

Das Gleiche gilt für den Fall, dass ein CSR-Projekt tatsächlich nicht oder nur teilweise der Zielgruppe zugute kommt, für die es z.B. nach den Angaben im Nachhaltigkeitsbericht bestimmt ist. Journalisten fragen deshalb nicht nur nach der „geschäftlichen Logik“ bei der Festlegung auf die Zielgruppe des betreffenden CSR-Projekts („Welche Verbindung besteht zum Geschäftszweck und zu den Produkten des Unternehmens? Welchen Einfluss hat das Projekt auf die Mitbewerber?“), sondern auch danach, wer die Maßnahme geplant hat und wer für die Umsetzung verantwortlich ist. „Sind an dem Projekt in der Zielregion auch politische Stellen beteiligt? Wenn ja, mit welcher Erwartung? Wurde das Projekt nicht vom Unternehmen selbst, sondern von einer Nichtregierungsorganisation initiiert und wer steht hinter dieser Institution?“

Wie eingangs erwähnt, findet CSR bei den asiatischen Medien „grundsätzlich“ Zustimmung. Als „Anwälte der Bevölkerung“ begegnen Journalisten dem Thema aber mit kritischem Wohlwollen. Der tatsächliche Nutzen für eine definierte Zielgruppe steht ganz oben auf ihrer Fragenliste. Und die Antwort darauf kann nicht nur per Pressemitteilung verbreitet werden, sondern muss offline wie online auf das Kommunikationsbedürfnis der Medien abgestimmt sein. Soziale Netzwerke im Internet spielen dafür in Asien eine zentrale Rolle. Darüber hinaus sollten Unternehmen den Nutzen und die Wirkungen ihrer CSR-Projekte nicht in eigener Regie bewerten, sondern Journalisten nach Möglichkeit dafür gewinnen, die Fortschritte und Ergebnisse des betreffenden Projekts auf „grass roots level“ unmittelbar mit der jeweiligen Zielgruppe zu diskutieren und vor Ort kennenzulernen.

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