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Gegen gute deutsche Traditionen

von Dr. Hans-Gert Pöttering

Pöttering über die Pegida-Bewegung

Statt sich um politischen Dialog, Interessenausgleich und ein demokratisches Miteinander zu bemühen, pauschalisiert Pegida.

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Licht aus am Kölner Dom! Das geschichtsträchtige Gotteshaus sollte keine Kulisse für selbst ernannte Retter des Abendlands bieten. Was hätte Konrad Adenauer wohl dazu gesagt? Der ehemalige Oberbürgermeister der Rheinmetropole und Gründungskanzler der Bundesrepublik Deutschland hatte in seiner ersten Regierungserklärung 1949selbst der Hoffnung auf einen "Geist der christlich-abendländischen Kultur" Ausdruck verliehen. Auf den Trümmern der nationalsozialistischen Barbarei beschwor Adenauer das "Abendland" als einen Werteraum in Europa, in dem die Menschenwürde künftig im Zentrum allen politischen Handels stehen sollte. Er bekannte sich damit zu Meinungs- und Pressefreiheit, zu parlamentarischer Demokratie, zu Westbindung, zu europäischer Aussöhnung und Einigung. Mit der Orientierung am christlichen Menschenbild als Grundlage einer republikanischen politischen Identität begann die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland und Europas nach dem Zweiten Weltkrieg.

Bereits weit vor Pegida, nicht zuletzt in der Weimarer Republik wurden die großen Begriffe "Patriotismus" und "Abendland" missbraucht, um Demokratie, Parlamentarismus und Parteien anzugreifen. Dagegen stellte Konrad Adenauer seine Vorstellungen einer "christlich-abendländischen Kultur" bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland gegen den Zivilisationsbruch der Nazis und gegen die Gefahr des Kommunismus.

Es ist vor diesem Hintergrund absurd, dass Vertreter von Pegida versuchen, sich als Verteidiger christlich-abendländischer Werte, der deutschen Identität oder europäischer Traditionen aufzuspielen. Diese Anmaßung wird ganz besonders an dem in schwarz-rot-goldenen Farben bemalten Kreuz sichtbar, das auf vielen Fotos aus Dresden zu sehen ist. Das ist ein Missbrauch christlicher Zeichen. Die Pegida-Bewegung verklärt ihre primitive Antihaltung mit großen Worten wie Patriotismus, Europa und Abendland. Dabei geht es gegen die Medien, gegen die Politiker, gegen die Kirchen, gegen die Parteien, gegen den "Mainstream", also gegen die übergroße Mehrheit der Menschen, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Vielfalt und Freiheit in Deutschland unterstützen. Die in diesen Tagen zu hörende Verwendung von "Wir sind das Volk" ist ein Missbrauch der Freiheitsbewegung von vor 25 Jahren, die zur Einheit Deutschlands in Freiheit führte.

In einem Volk der Freien und Gleichen zu leben, fällt nicht immer leicht. Denn die Freiheit der Anderen gilt es auch dann zu

respektieren, wenn sie in die eigene Weltanschauung nicht passt. Diese Herausforderung ist größer geworden, weil Menschen aus anderen Kulturen und mit anderen Prägungen zu uns kommen. Sie ist aber auch größer geworden, weil sich die Überzeugungen, religiösen Bindungen und Lebensstile verändert haben. Nicht nur Religionsfreiheit, sondern auch Meinungs- und Kunstfreiheit gehören zum christlichen, sozialen und liberalen Wertefundament, das aus Deutschland eine stabile Demokratie gemacht hat. Menschen, die mit uns leben, müssen das respektieren, auch wenn politische Satire und antireligiöse Karikaturen bisweilen bis an die Schmerzgrenze gehen. Rechtsbrüche sind nie hinzunehmen, auch nicht im Namen eines Gottes.

Volksverhetzung, Antisemitismus und jegliche Art von Hassrede haben keinen Platz in politischen Auseinandersetzungen. Auch das gehört zum kulturellen Fundament, das durch das Christentum geprägt ist. Religion ordnet sich dem Rechtsstaat unter. Sie nimmt das Gesetz nicht selbst in die Hand und duldet keine Paralleljustiz. Das müssen die, die politische Verantwortung tragen, deutlich machen. Dies gilt auch für die islamischen Verbände. Sie müssen das immer wieder deutlich machen und mit Taten bewähren, damit aus der berechtigten Angst vor islamistischen Gewalttätern keine unberechtigte Angst vor Muslimen wird.

Angst ist eine verständliche Reaktion auf die furchtbaren Ereignisse in Paris, auf den Islamischen Staat und islamistische Gewalt. Pegida

versucht, die Angst vor islamistischer Gewalt gegen unser demokratisches und rechtsstaatlich verfasstes Gemeinwesen in Stellung zu bringen. Statt zu differenzieren, vereinfacht Pegida. Statt Interessenausgleich, politischem Dialog und demokratischem Miteinander, pauschalisiert Pegida. Statt Pressefreiheit und Meinungsvielfalt zu verteidigen, spricht Pegida von einer "Lügenpresse". Statt im Dialog demokratische Lösungen zu finden, verunglimpft die Pegida-Bewegung Parteien, Parlamentarismus und Politiker. Pegida verteidigt damit keine guten deutschen Traditionen. Pegida steht gegen sie.

Der Beitrag erschien im Original in der Sächsischen Zeitung, 15. Januar 2015.

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Dr. Hans-Gert Pöttering KAS Berlin

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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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Berlin Deutschland