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Länderberichte

Frankreich - Stillstand?

von Dr. Norbert Wagner

Vor den Départment-Wahlen Ende März

Die allseitige demonstrative Einigkeit nach den Anschlägen im Januar 2015 in Paris ist fast so rasch wieder verflogen wie sie entstanden war. Die Sympathiewerte von Präsident François Hollande und Premierminister Manuel Valls sind nach einer kurzzeitigen Verdoppelung wieder auf ihr altes Niveau zurückgefallen. Die Anschläge in Paris vom Januar haben die Bevölkerung zwar tief getroffen, doch eine allgemeine Aufbruchsstimmung, einen Ruck, der durch das Land ginge, haben sie nicht bewirkt.

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Vielmehr breitet sich der Eindruck aus, das Land verharre zunehmend in Stagnation und versinke in einer Abwärtsspirale negativer Erwartungen. Drei Jahre nach den letzten Präsidentenwahlen und zwei Jahre vor den nächsten Präsidenten- und Parlamentswahlen (2017) herrscht politischer und wirtschaftlicher Stillstand.

Regierung ohne Mehrheit

Auf dem Felde der Wirtschaftsreformen wird sich bis dahin wohl auch nichts mehr bewegen. Politisch zu schwach ist die Regierung Valls, die über keine Mehrheit mehr in den beiden Kammern (Assemblée Nationale, Sénat) verfügt. Die Abstimmung über die „Loi Macron“, wahrlich kein Jahrhundertgesetz wirtschaftlicher Reformen, wie von Präsi-dent Hollande gefeiert (la loi Macron n‘est pas la loi du siècle mais du siècle prochain“, France Inter, 5. Januar 2015), belegt, daß die Regierung nicht mehr über die politische Kraft verfügt, auch nur die kleinste Wirtschaftsreform durchzusetzen.

Die Loi Macron hat zum Ziel, einige staatlich reglementierte Märkte zu liberalisieren und dadurch zusätzliches Wachstum zu stimulieren. So etwa durch Erhöhung der Anzahl der verkaufsoffenen Sonntage von fünf auf zwölf; ganzjährige Öffnung an Sonntagen in bestimmten Touristenzonen; die Reform der Arbeitsgerichtsbarkeit mit dem Ziel, die Dauer der Verfahren zu verkürzen; Liberalisierung bestimmter reglementierter Justiz-Dienstleistungen, z.B. Notare, Gerichtsvollzieher etc.; Liberalisierung des Transports per Bus, um die wichtigsten „Reformen“ zu nennen.

Aber selbst diese wahrlich nicht einschneidenden Reformmaßnahmen waren in der sozialistischen Fraktion nicht mehrheitsfähig. Als die bröckelnde Unterstützung in den letzten Tagen vor der ersten Lesung in der Assemblée nationale immer offenkundiger wurde, zog Premierminister Manuel Valls die Notbremse: Nach Artikel 49-3 der französischen Verfassung kann die Regierung (einmal pro Sitzungsperiode des Parlaments) in Zusammenhang mit der Abstimmung über ein Gesetz den Artikel 49-3 aufrufen. Daraufhin kann innerhalb von 24 Stunden ein Mißtrauensantrag ins Parlament eingebracht werden. Über diesen muß innerhalb von 48 Stunden nach Antragstellung abgestimmt werden. Die Abstimmung über ein Gesetzesvorhaben der Regierung wird demnach umgedreht in die Abstimmung über einen Mißtrauensantrag gegen die Regierung. Scheitert der Mißtrauensantrag, ist das Gesetz angenommen.

Den Mißtrauensantrag konnte die Regierung Valls natürlich abwehren, schon allein wegen der Furcht zahlreicher PS-Abgeordneter, bei Neuwahlen ihr Mandat zu verlieren. Das Verfahren 49-3 machte aber offenkundig, daß die Regierung nicht mehr über eine Mehrheit im Parlament verfügt. Nicolas Sarkozy kommentierte: es gibt keine Mehrheit mehr, noch eine Regierung (« Il n'y a plus ni majorité, ni gouvernement »). Und im Nouvel Observateur (17. Februar 2015) war zu lesen: Loi Macron, der Tag, an welchem die Regierung ihre Mehrheit verloren hat („Loi Macron : le jour où le gouvernement a perdu sa majorité“).

Départment-Wahlen

Seitdem richtet sich das Augenmerk auf die am 22. und 29. März 2015 anstehenden Département-Wahlen. Vor allem auch weil mit einer empfindlichen Niederlage für die Sozialisten gerechnet wird.

Das Wahlgesetz für diese Départment-Wahlen wurde grundlegend geändert. Die Kantone, innerhalb derer die Kandidaten antreten neu zugeschnitten und auf 2.054 halbiert.

Kandidieren müssen jeweils gemeinsam eine Frau und ein Mann („binome“). Gewählt wird in zwei Runden. In der ersten Runde ist die absolute Mehrheit erforderlich, in der zweiten die relative. In den zweiten Wahlgang kommen die ersten beiden Binome sowie ein Binom, das mindestens 12,5% der Stimmen der eingetragenen Wähler errungen hat.

Bei diesen Wahlen ist mit mindestens 50% Wahlenthaltung zu rechnen. Gründe hierfür sind laut einer Umfrage (IFOP, 16. März 2015): „die generelle Unzufriedenheit über die aktuelle politische Situation“, „die Befürchtung, daß sich sowieso nichts ändert“, „daß die Wähler die Kandidaten nicht kennen“. Hinzu kommt. daß die Territorialreform noch nicht beschlossen ist, und deshalb den Wählern auch noch nicht bekannt ist, über welche Kompetenzen die neugewählten Département-Räte verfügen werden.

Bei geringer Wahlbeteiligung dürfte es aber nur sehr wenige „Triangulaires“ geben, denn bei 50% Nicht-Wählern wären ca. 25% der abgegebenen Stimmen für den Einzug eines dritten Binoms in die zweite Runde erforderlich.

Aktuelle Umfragen rechnen in der ersten Wahlrunde der Départementales mit:

  • 30% Front National
  • 29% UMP/UDI
  • 19% PS
  • 6% Front de Gauche
  • 5% Divers droite
  • 5% Divers gauche
  • 3% Grüne
Vor allem der PS dürfte also wegen der 12,5%-Schwelle in zahlreichen Kantonen nicht mehr in die zweite Wahlrunde gelangen. Die Schwelle, die ursprünglich auf den Front National zielte, richtet sich nun gegen den PS.

Dramatisch ist natürlich das für die erste Wahlrunde prognostizierte Ergebnis für den FN. Nach 25% bei den Europawahlen könnte der FN bei diesen Wahlen sogar 30% erringen. Marine Le Pen wird einmal mehr behaupten, der FN sei die erste Partei Frankreichs.

Gleichwohl wird nicht damit gerechnet, daß der FN nun in zahlreichen Département-Räten die Mehrheit gewinnt. Am ehesten möglich könnte dies in den Départements Aisne, Var und Vaucluse sein. Generell dürfte die zweite Wahlrunde auf eine Konfrontation zwischen UMP/UDI und FN hinauslaufen. Dabei wird allgemein damit gerechnet, daß UMP/UDI in zahlreichen Départments eine Mehrheit erringen werden.

Für die UMP und vor allem ihren neuen Vorsitzenden Nicolas Sarkozy könnte dieses Wahlergebnis einen Schub für die Neugründung der Partei Ende Mai 2015 bedeuten.

Ein Desaster für den PS würde umgehend den Konflikt innerhalb der Sozialisten weiter verschärfen. Mit großer Sorge blickt die Parteiführung des PS auf den im Juni 2015 anstehenden Parteikongreß. Sie kann nicht einmal sicher sein, daß sich die Linie „Hollande“ durchsetzen wird. Die prekäre Lage des PS könnte sich endgültig nach den im Dezember anstehenden Regionalwahlen zuspitzen. Aus heutiger Sicht kann der PS diese Wahlen nur verlieren.

Sehr rasch dürfte sich dann der Ruf nach einem Sündenbock erheben. Der könnte dann Manuel Valls heißen.

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