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"Prüfstein für eine wehrhafte Demokratie"

Dr. Hardy Ostry zum Terroranschlag in Tunis

Schwerbewaffnete Terroristen haben am vergangenen Mittwoch im Bardo-Nationalmuseum in Tunis 21 Menschen getötet und mehr als 20 verletzt. Das Attentat ist ein Rückschlag für die junge Demokratie, die bislang einer der wenigen Hoffnungsträger in der Region war. Staatspräsident Essebsi kündigte in einer Ansprache einen gnadenlosen Kampf gegen den Terror an. Wie groß ist die Gefahr in Tunesien heute und wie wird das Land auf den Terror reagieren? Darüber sprach Dr. Hardy Ostry, der Leiter des Tunesien-Büros der Adenauer-Stiftung, im Interview mit KAS.de.

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Auch einen Tag nach dem Anschlag wisse man über die Hintergründe des Anschlags in Tunesien nicht mehr, als gestern Abend vom tunesischen Innenministerium angedeutet wurde, sagte Hardy Ostry. "Es scheint so zu sein, dass die zwei getöteten Terroristen einer Gruppe um einen Al Kaida-Ableger angehören. Derzeit laufen weitere Fahndungen in Tunesien, inwiefern Helfer und andere Netzwerke am Attentat beteiligt waren", so der Leiter des Auslandsbüros der Adenauer-Stiftung.

Betrachte man heute die allgemeine Lage Tunesiens, müsse man zwei Perspektiven sehen. Einerseits habe das Land mit den Parlaments- und den Präsidentschaftswahlen im letzten Jahr einen relativ erfolgreichen Weg hinter sich gebracht. Gleichzeitig sei die terroristische Bedrohung jedoch stets präsent gewesen. "Wir dürfen nicht vergessen, dass sich im Westen Tunesiens seit über einem Jahr Terroristen verstecken und die tunesische Armee es relativ schwer hat, dieser Leute habhaft zu werden." Wie von Präsident Essebsi in seiner Rede nach dem Anschlag angedeutet, werde es ein "Prüfstein" sein, inwiefern eine wehrhafte Demokratie jetzt in der Lage ist, gegen den Terrorismus vorzugehen.

Weitere Anschläge nicht ausgeschlossen

Für ihn sei es zu früh, von einer erneuten Eskalation der Gewalt in Tunesien zu sprechen. Allerdings warnte er, dass es mit Blick auf die terroristische Bedrohung aus Tunesien selbst, aus den Nachbarländern und durch Gruppen, die Tunesien als Rückzugsraum nutzen, "nicht auszuschließen ist, dass wir noch den einen oder anderen Anschlag sehen werden". Es sei Tunesien zu wünschen, dass die Strukturen gefestigt genug sind, um den Herausforderungen zu begegnen. "Klar ist aber, dass nach vier Jahren der Übergangszeit viele Strukturen geschwächt wurden."

Die Diskussion um die Stärke des tunesischen Sicherheitsapparates und der Armee sei gleich nach dem Anschlag aufgekommen. "Wir müssen jedoch sehen, dass unmittelbar nach der Revolution gerade Institutionen wie die Sicherheits- und Geheimdienste gezielt zerstört wurden, weil sie für viele Tunesier das alte repressive Regime repräsentierten." Aus heutiger Sicht seien diese Maßnahmen relativ naiv gewesen, denn auch eine wehrhafte Demokratie brauche solche Institutionen, um aufkommende Gefahren rechtzeitig zu identifizieren.

"Erfolgs-Story geraten leider schnell in Vergessenheit"

Hierbei brauche das Land Hilfe aus Europa. Deutschland habe bereits eine Menge getan, so Ostry und die Bundeskanzlerin habe bei ihrer heutigen Rede vor dem Deutschen Bundestag noch einmal deutlich gemacht, dass die Bundesregierung und Deutschland alles in ihrer Macht stehende tun würden, um Tunesien zu unterstützen. Auf der wirtschaftlichen Ebene sei das entscheidend, aber auch auf der politischen. "Leider ist es so, dass Erfolgs-Storys schnell in Vergessenheit geraten und durch ein solches Ereignis wie gestern kommt man auf einmal wieder in die öffentliche Aufmerksamkeit." Das sollt man als Lehre aus diesen Entwicklungen ziehen. "Ein Land, das relativ erfolgreich ist, sollte man nicht vergessen, sondern weiterhin begleiten."

Das komplette Interview mit Hardy Ostry finden Sie als Audio-Mitschnitt in der rechten Spalte.

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