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Exile der Heiterkeit

von Prof. Dr. Michael Braun

Nachruf auf den Philosophen Odo Marquard

Denken und Humor schließen sich nicht aus, im Gegenteil. Das hat Odo Marquard ein Schreibleben lang beherzigt. Der „Philosoph der Heiterkeit“ ist am 9. Mai 2015 verstorben. Der 1928 geborene Schüler des Historikers Joachim Ritter hatte von 1965 bis 1993 an der Universität Gießen gelehrt. 1996 erhielt er den Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik.

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Im Jahr 1998 konnten sich die Gäste der Konrad-Adenauer-Stiftung ein Bild von Odo Marquards Esprit machen, als er in Weimar die Laudatio auf den Literaturpreisträger der Stiftung, Hartmut Lange, hielt. Lange lesen heiße: sein eigenes Leben verlängern, weil man in den Erzählungen Anderer fremde Lebenszeit gewinne. „Lebenspluralisierung“ durch Literatur, mit diesem Rezept – „Narrare necesse est“ – verstand es der skeptische Philosoph immer wieder, seine Leser und Hörer zum Denken zu animieren. Und das eben mit einer hintersinnigen Heiterkeit, die für ihn notwendig war, um das Unbehagen und Ungenügen der Philosophie an der technisch beschleunigten Moderne aufzuarbeiten. Das sei, so eine der merkwürdigen Marquardschen Wortneuschöpfungen, ihre „Inkompetenzkompensationskompetenz“, also ihre Fähigkeit, die eigenen Denkdefizite auszugleichen.

„Abschied vom Prinzipiellen“ (1981), „Philosophie des Stattdessen“ (2000), „Skepsis in der Moderne“ (2007), zuletzt „Endlichkeitsphilosophisches. Über das Altern“ (2013): Das waren sprechende Buchtitel von Odo Marquard, erschienen in der gelben Reclam-Reihe, einer Folge von funkelnden Essays, die auch in ihrer bewusst kleinen Form so grazil und geistreich daherkamen wie ihr Inhalt. Meist aufgebaut in fünf Akten, wohlgegliedert, rundum beschlagen in der Kunst der Rhetorik und weder um Argumente noch um Anekdoten verlegen, haben diese Essays viele Leser gefunden. Als Nachfahre der „skeptischen Generation“ hielt Marquard, der sich von Kant weggekommen, aber bei Hegel nicht angekommen fühlte, Abstand vom idealistischen Denken. Bei der Selbstvorstellung vor der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung sagte er: „Meine Philosophie nannte und nenne ich Skepsis und die Skepsis den Sinn für Gewaltenteilung bis hin zur Teilung auch noch jener Gewalten, die die Überzeugungen sind. Sie paralysiert die Versuchung, sich einer einzigen totalitären Alleingewalt zu unterwerfen.“ In diesem Sinne variierte er kritisch Karl Marx, die Geschichtsphilosophen hätten die Welt nur verschieden verändert, es käme „aber darauf an, sie zu verschonen“. Überhaupt war die Philosophie für ihn ein Kompass, kein Kompendium; sie sei dazu da, um zu „klären, wie es eigentlich gewesen ist“, und zu „erwägen, wie es weitergehen könnte und sollte“.

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Herausgeber

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

erscheinungsort

Berlin Deutschland