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Vertraute Fremde – Muslime in Bulgarien (Teil II)

"Einen Gegensatz hat es nie gegeben"

Für eine von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sofia in Auftrag gegebene journalistische Recherche haben der Photograph Christian Muhrbeck und Frank Stier Anfang April 2015 von Muslimen besiedelte Provinzen bereist. 'Wie leben Muslime in Bulgarien und wie praktizieren sie ihren Glauben?' lautete ihr Erkenntnisinteresse. Außer mit Muslimen - Muftis, Imamen und Gläubigen – haben Muhrbeck und Stier auch mit Journalisten und Wissenschaftlern gesprochen, die einen Expertenblick auf das Thema haben.

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„Einen Gegensatz zwischen Muslimen und Christen auf religiöser Grundlage hat es nie gegeben“, sagt Fikri Sali, der von 1992 bis 1998 als Bulgariens erster gewählter Großmufti amtierte und auch von 2003 bis 2005 den bulgarischen Muslimen als geistliches Oberhaupt vorstand.

Als Großmufti habe er nie erlaubt, dass sich Muslime Andersgläubigen entgegensetzen. Stets habe er zu Duldsamkeit und Toleranz aufgerufen, versichert Sali, der heute als Berater des amtierenden Großmuftis Mustafa Hadschi wirkt. „Wir möchten zeigen, dass die Muslime in Bulgarien keine Gefahr für die nationale Sicherheit des Landes darstellen. Ganz im Gegenteil; eine Offenbarung unseres Propheten sagt, damit ein Mensch seinen Glauben leben kann, muss er zunächst Liebe zu seiner Heimat empfinden“.

Der Journalist Anthony Georgieff hat zwei Bücher über die bulgarischen Türken veröffentlicht. Bei seinen Recherchereisen durch die sogenannten gemischten Gebiete, in denen Muslime und christliche Bulgaren in Städten und Dörfern zusammenleben, hat er das Verhältnis zwischen ihnen als nachbarschaftlich wahrgenommen. „Manche Nachbarn mögen sich und manche mögen sich nicht. Das ist hier wie überall auf der Welt“, sagt Georgieff. Bestehendes Misstrauen wird seiner Einschätzung nach eher auf politische Ebene geschürt, von manipulativen Politikern, die von Bulgariens eigentlichen Problemen ablenken wollen. „Mit den Muslimen hat das nichts zu tun, sondern mit ungelösten wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten“.

Dass Bulgariens eigentliches Problem weniger im zwischenmenschlichen Verhältnis der Ethnien und Konfessionen liege als vielmehr in der anhaltenden Wirtschaftskrise, die die soziale Lage für muslimische wie christliche Bulgaren prekär mache, haben uns viele Gesprächspartner gesagt. „Es gibt keine Arbeit hier“, klagt etwa Orhan Jacub, Imam im zentralrhodopischen Ardino. Einen Großteil ihrer jüngeren Bürger habe seine von ethnischen Türken und christlich-orthodoxen Bulgaren bewohnte Stadt an die Emigration ins westliche Europa verloren. Und Jaschar Mustafa, Vorsitzender des Verwaltungsrats der Ebu Bekir-Moschee in Pasardschick berichtet, auch viele zum Islam übergetretene Roma suchten aufgrund mangelnder Perspektiven im eigenen Land ihr Auskommen in Ländern wie England, Deutschland oder den Niederlanden.

„Es hat im Kommunismus drei, vier schöne Sachen gegeben, die wir in der Demokratie nicht sehen“, meint Jaschar Mustafa und nennt allem voran Arbeit und Gleichheit. „Außer Bulgaren gab es auch noch andere Leute wie Juden und Armenier. Die gibt es jetzt natürlich auch noch. Doch damals waren wir gleich. Manchmal sage ich im Scherz: ´so wie die Deutschen jetzt leben, so haben wir im Kommunismus gelebt: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag bei der Arbeit, Samstag und Sonntag Essen und Trinken, Montag wieder bei der Arbeit.` Was anderes haben wir nicht gemacht“. Natürlich sei die Religionsfreiheit zu „Soz-Zeiten“ eingeschränkt gewesen für Muslime wie für Christen, räumt er ein. Dafür habe es aber mehr Geburten gegeben und für die Kinder eine gute Betreuung. „Ja, die Gehälter waren mit zwei-, dreihundert Lewa minimal, aber das sind sie jetzt auch. In der Demokratie sind wir frei; aber wenn du keine Arbeit hast, deine Familie nicht ernähren und deine Kinder nicht bilden kannst, was nützt dir dann, dass du sagen kannst, was du denkst?“.

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22. Juni 2015
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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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Bulgarien Bulgarien