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Veranstaltungsberichte

Die Antwort auf Vielfalt ist Vielfalt

von Simone Iliou, M.A. Regina Dvořák-Vučetić

Adieu, Leistungsprinzip? - Symposium zur Bildungspolitik

Vielfalt ist mehr als nur eine Herausforderung - sie ist eine Chance! Das wurde im Bildungssymposium im Haus der Katholischen Kirche deutlich.

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In seinem Grußwort zu Beginn betonte Georg Wacker MdL, Bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, dass die Zukunft unseres Landes in den Händen der Schulen liege und die Politik dafür verantwortlich sei, geeignete Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Bildung zu schaffen. Dennoch erschien trotz des sommerlichen Wochenendwetters eine recht anschauliche Zahl höchst interessierter Teilnehmer im Haus der Katholischen Kirche.

Panel 1: Abitur heute: Sind unsere Standards zukunftsfest?

Mehr Praxisbezug!

"Erinnern Sie sich noch an Ihr Abitur?", so die erste Frage von Moderatorin Dr. Donate Kluxen-Pyta, Vorsitzende des CDU-Landesfachausschusses Bildung, zu Beginn des ersten Panels.

Mit gemischten Gefühlen dachte Michaela Volwassen, Ausbildungsleiterin bei Tesat Spacecom GmbH & Co KG, an ihr Abitur zurück. Wie schon zu Schulzeiten sieht sie die Vorbereitung in der Schule auf das eigentliche Berufsleben kritisch. Zu wenig praxisbezogen sei der Schulalltag, deshalb forderte sie mehr konkrete Orientierung an den eigentlichen Herausforderungen für den zukünftigen Beruf auf inhaltlicher Ebene, aber nicht zu vernachlässigen auch auf privater Ebene. Hilfreich hierbei sei ein enger Kontakt der Schulen mit den Unternehmen im Hinblick auf das berufsbegleitende Ausbildungsmodell der Dualen Hochschulen.

Noten, alles das zählt?

"Für eine Förderung durch die Konrad-Adenauer-Stiftung sind nicht nur die schulischen oder universitären Leistungen ausschlaggebend, sondern eine Gesamtschau der Persönlichkeit des Bewerbers", erklärte Prof. Dr. Burkard Steppacher von der KAS-Begabtenförderung, der sich seit rund zehn Jahren um die Auswahl und Betreuung der Stipendiaten kümmert. Auch können seiner Ansicht nach die Abiturnoten deutschlandweit nicht verglichen werden. Zu unterschiedlich seien die Herausforderungen je nach Bundesland, Region und mitunter auch von Schule zu Schule innerhalb der Länder.

Neue Wege für das Abitur?

Prof. Dr. Anne Sliwka vom Institut für Bildungswissenschaften der Universität Heidelberg setzt auf ein komplexes, fächerübergreifendes Verständnis der Schüler, um den Anforderungen des Arbeitsmarktes gewachsen zu sein. Schlagworte dabei sind "Up-Skilling" – ausgeprägte soziale Kompetenzen werden mittlerweile erwartet - und "Up-Grading" – höhere kognitive Herausforderungen sind unabdingbar. Um diesen Standards gerecht zu werden sieht sie zwei Modelle an Gymnasien für gangbar:

"Entweder wird das Abiturniveau deutschlandweit starr reglementiert, die Schüler können jedoch je nach Leistungsfähigkeit die Prüfung zeitlich flexibel ablegen. So ist ein direkter Leistungsvergleich flächendeckend nach Schulaustritt möglich", erklärt Prof. Dr. Anne Sliwka. Als Alternativmodell schlug sie vor, das Abitur so regional verschieden wie bisher zu belassen, aber geeignete Bewerber an den Universitäten und in Unternehmen dann im Rahmen eines Assessment-Centers vor Ort auszuwählen.

Fazit aller Beteiligten: Um den weltweit gestiegenen Anforderungen des Arbeitsmarktes folgen zu können, müssen die Schulen den Schülern nicht nur nacktes Wissen vermitteln, sondern den Arbeitnehmern von morgen vielschichtiges Rüstzeug auf den Weg geben.

Panel 2: Wie bleibt das Abitur von morgen ein anerkanntes Markenzeichen?

Gymnasium als Discounter für Abschlüsse

"Das Gymnasium hat sich fundamental geändert", so OStD Christoph Martin, Schulleiter des Friedrich Schiller Gymnasiums in Marbach, zur veränderten Schulsituation der letzten Jahren. Bereits 2004 wurde als erste große Strukturveränderung das Gymnasium in acht Jahren eingeführt. 2014 folgten weitere grundlegende Änderungen im Bildungssystem, wie der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung, wodurch 16 Schüler an seiner Schule nicht versetzt werden konnten. "Früher haben alle die Versetzung geschafft", teilte der Schulleiter des größten Gymnasiums in Baden-Württemberg mit.

Aus den, auch durch die Einführung der Gemeinschaftsschule und der Inklusion, veränderten Rahmenbedingungen an den Schulen resultiere ein steigender Wettbewerbsdruck und eine veränderte Haltung der Schüler. Das wiederum berge viele Gefahren. Martin sieht eine Niveauabsenkung und eine Spannung zwischen Leistung und Verhalten: "Die Gymnasien werden so zu einem Discounter für Abschlüsse."

Die Antwort auf Vielfalt ist Vielfalt

Wie sollte man also mit der neuen Situation umgehen? Lösungsvorschläge hat der Schulleiter schon parat und größtenteils auch schon an seiner Schule umgesetzt.

"Die Antwort auf Vielfalt ist Vielfalt", erklärt Martin und veränderte damit den Blickwinkel auf die Situation. Vielfalt sei nämlich nicht nur Herausforderung, sondern auch und eine Chance.

Neuen Situationen an der Schule, wie größere und heterogenere Unterstufenklassen durch den Wegfall der Grundschulempfehlung, setzt Martin am Friedrich-Schiller-Gymnasium eine zielgerichtete Übergangspädagogik entgegen. Zudem weitet er sein Profilangebot aus, um den verschiedenen Neigungen der Schüler gerecht werden zu können.

Man könnte sein Angebot als Netz bezeichnen und so konkludiert Martin seine Vorstellung der gymnasialen Zukunft mit den Worten: "Ein Kind braucht viele Netze." Um dies endgültig zu erreichen, sei allerdings noch viel zu leisten. Denn diese Forderungen ergeben nur Sinn, wenn in allen Bereichen Änderungen vorgenommen werden: Bei der Schulentwicklung, beim Schulsystem, bei der Beziehung zwischen Schülern und Lehrkräften sowie zwischen den Eltern und Lehrern und vor allem bei der Eigenverantwortlichkeit der Schüler.

Jeder will was leisten!

Dr. Carsten Rees, Vorsitzender des Landeselternbeirats, stellte vor allem die Frage, wie die unterschiedlichen Begabungen der Kinder und Jugendlichen besser gefördert werden können. "Jeder will was leisten!", erklärt er. Das Gymnasium müsse, besonders durch die neusten Strukturentwicklungen und Anpassungen, sich neu ausrichten, um den Anforderungen gerecht zu werden. Es müsse möglich sein, die Studierfähigkeit zu erlangen, wichtige Schlüsselkompetenzen zu erlernen und dennoch individuell und auf die Bedürfnisse angepasst beschult zu werden.

Das Gymnasium wieder in Gespräch bringen

Als Vertreter des Philologenverbandes sprach Winfried Bös und beklagte vor allem die mangelnde Anerkennung und die Benachteiligung der Gymnasien. "Wir müssen das Gymnasium wieder ins Gespräch bringen", erklärte er und sprach sich gegen G8 aus. Weiterhin kritisierte er die Benachteiligung des Gymnasiums in jeder Hinsicht. "Das Gymnasium bekommt gar nichts", so Bös.

Vielfalt als Chance

In seinem Schlusswort stellte Dr. Stefan Hofmann, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung für Baden-Württemberg, noch einmal die Wichtigkeit der Vielfalt heraus. Vielfalt berge zwar einige Herausforderung, allem voran sei sie aber als Chance zu verstehen. Es wurde deutlich, dass viele Probleme noch nicht gelöst sind, die "Praktiker" aus den Unternehmen, den Universitäten und den Schulen oft aber viel weiter sind, als die Politik.

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M.A. Regina Dvořák-Vučetić

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