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Die Rolle der USA in der syrischen Flüchtlingskrise

Diskussion beim Washington Bipartisan Policy Center

DAS WASHINGTON BIPARTISAN POLICY CENTER LUD ZU EINER PODIUMS-DISKUSSION ZUR ROLLE DER USA IN DER SYRISCHEN FLÜCHTLINGSKRISE. ALS ZENTRALE FRAGESTELLUNG WURDE DISKUTIERT, WIE MAN HUMANITÄRE HILFSLEISTUNGEN UND DIE GEWÄHR NATIONALER SICHERHEIT IN EINKLANG BRINGEN KÖNNE.

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Unter der Überschrift „The Syrian Refugee Crisis: Balancing Humanitarian and Security Challenges“ befragte die Moderatorin Kristin Roberts die Experten Larry Yungk, Adnan Kifayat, Brittney Nystrom, Kelly Gauger und Lorenzo Vidino zu der aktuellen Situation in der syrischen Flüchtlingskrise und der Position, welche die Vereinigten Staaten von Amerika einnehmen sollten.

Seit nunmehr vier Jahren herrscht in Syrien ein Bürgerkrieg, vor dem ein Großteil der syrischen Bevölkerung geflohen ist. Mehr als 12 Millionen Syrer haben ihre Heimat verlassen und Zuflucht in angrenzenden Ländern wie dem Libanon, dem Irak, Jordanien und der Türkei gesucht. Viele begeben sich außerdem auf eine schwierige Reise nach Europa, vor allem nach Deutschland und Schweden. Auch wenn die Hilfsbereitschaft in den meisten Ländern sehr groß ist, wird befürchtet, dass auch Terroristen aus dem Kriegsgebiet unter den Flüchtlingen sein und somit eine große Gefahr für die nationale Sicherheit westlicher Staaten darstellen könnten. So erklärte ISIS beispielsweise, dass sie mehr als 4000 Djihadisten zwischen die syrischen Flüchtlinge nach Europa geschmuggelt hätten, was bisher so aber nicht verifiziert wurde.

Die syrische Flüchtlingkrise

Unter der Leitfrage, wie man sowohl humanitäre Hilfe als auch Sicherheit gewährleisten könne, wurden die Panelisten zu ihrer Einschätzung der aktuellen Lage in der syrischen Flüchtlingskrise befragt. Man war sich einig, dass durch das Eingreifen Russlands in den Konflikt aktuell noch mehr Syrer die großen Städte wie Aleppo verlassen. Außerdem seien die Flüchtlinge aufgrund des nahenden Winters in höherem Maße als zuvor auf Schutz angewiesen.

Larry Yungk, ein hochrangiger leitender Angestellter beim UN-Flüchtlingswerk (UNHCR) in Washington, D.C. sprach von der größten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, da mehr als die Hälfte der syrischen Bevölkerung vor dem Bürgerkrieg geflohen sei. Da die Route viele Risiken berge, würden sich vor allem viele junge Männer auf den Weg nach Europa machen. In Jordanien stellen syrische Flüchtlinge im Moment mehr als ein Drittel der Bevölkerung dar. Er erläuterte, dass es aktuell in mehr als 30 westlichen Ländern Umsiedlungsprogramme für die Flüchtlinge gäbe, es aber auch genug Länder wie Ungarn gäbe, die versuchten, sich durch Zäune von der Flüchtlingswelle abzuschirmen.

Adnan Kifayat vom German Marshall Fund betonte die Wichtigkeit, diese Flüchtlinge richtig in den Ankunftsländern zu integrieren. Lorenzo Vidino, welcher an der George Washington University ein Programm zu Extremismus leitet, erklärte, dass man nicht davon ausgehen könne, dass nun massenweise Extremisten oder Terroristen mit den Flüchtlingen nach Europa oder die USA kämen. Er nannte das Beispiel der USA, um zu verdeutlichen, dass die meisten ISIS-Unterstützer mit amerikanischem Hintergrund keinerlei Beziehung zu Syrien hatten. Stattdessen seien es meist zum Islam konvertierte US-Amerikaner gewesen und man müsse deswegen von einem „hausgemachten“ Terrorismus ausgehen, nicht von einer importierten Gefahr. Natürlich könnte es sein, dass manche der jungen Männer, die nun in Europa Schutz suchen, auch an Kampfhandlungen in Syrien beteiligt waren. Aber sie würden ja nach Europa kommen, um vor den Gräueltaten, welche in ihrem Heimatland an der Tagesordnung sind, zu fliehen und nicht, um sich zu radikalisieren. Dennoch sei es enorm wichtig, die Flüchtlinge genauestens auf ihren Hintergrund zu untersuchen.

Rolle der USA

Brittney Nystrom von den Lutheran Immigration and Refugee Services verglich daraufhin die syrische Flüchtlingskrise mit vergangenen Flüchtlingsströmen wie zum Beispiel aus dem Kosovo in den 1990er Jahren. Damals hätte man in den USA schneller reagiert, wohingegen im Falle des syrischen Bürgerkriegs erst 1.900 syrische Flüchtlinge in den USA aufgenommen wurden. Die internationale Untätigkeit führe dazu, dass eine vollkommen traumatisierte Bevölkerung nicht schnell genug Hilfe bekomme und Schutz fände. Präsident Obama lies deswegen kürzlich verlauten, dass im nächsten Haushaltsjahr 10.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen werden sollten.

Larry Yungk erklärte, dass das UN-Flüchtlingshilfswerk schon einen ersten Schritt in Richtung Sicherheit tue, indem in der Türkei die syrischen Flüchtlinge genau registriert würden. Jedes Land habe gewisse Sicherheitsvorkehrungen in seinen Umsiedlungsprogrammen, wie das Aufnehmen biometrischer Merkmale etc., so Yungk. Es sei die erste Flüchtlingskrise, in der die vorhandene Technologie so hoch entwickelt sei und man nun in so hohem Maße sicherstellen könnte, die Daten der Personen aufzunehmen.

Kelly Gauger vom U.S. Department of Stateꞌs Bureau of Population, Refugees and Migration pflichtete ihm bei und erklärte, dass die in die USA umgesiedelten Flüchtlinge die höchste Stufe der Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen, welche in Amerika existiert. Dies schulde man dem amerikanischen Volk, damit Neuankömmlinge keine etwaige Gefahr darstellen könnten. Auch Brittney Nystrom versicherte, dass die Flüchtlinge genauer als jeder andere Mensch in den USA überprüft würden, was der Öffentlichkeit so nicht bewusst sei. Sie sprach von einem mehrschichtigen Prozess, welcher im Durchschnitt 18 Monate dauere. Natürlich sei dies sehr lange und es stelle das alt-bekannte Problem dar, humanitäre Hilfe mit der Gewährleistung nationaler Si-cherheit in Einklang zu bringen. Ihrer Meinung nach müsse die Zahl der Flüchtlinge international besser verteilt werden, was bedeute, dass die USA sehr viel mehr Flüchtlinge aufnehmen müsse. Zwar müssten die Prozesse Sicherheit gewährleisten, aber man schulde es den europäischen Partnern, diese zumindest etwas zu entlasten, da sie die aktuelle Last der ankommenden Flüchtlinge alleine tragen würden. Ihrer Meinung nach war der politische Willen bei früheren Flüchtlingskrisen größer: Brittney Nystrom nannte das Beispiel der Umsied-lungen nach dem Vietnam-Krieg, worauf die USA bisher sehr stolz war. Sie könne diesen politischen Willen in der syrischen Flüchtlingskrise bisher nicht erkennen, denn sonst hätte man die staatlich festgelegte Obergrenze höher als jene 10.000 Flüchtlinge gesetzt. Sie wies darauf hin, dass Flüchtlinge nur 8 Monate lang öffentliche Hilfe beziehen könnten, danach müssten sie sich voll in die heimische Wirtschaft integrieren. Die amerikanische Gesellschaft könne nur davon profitierten, dass die Flüchtlinge sich schon kurz nach ihrer Ankunft selbstständig machten oder in amerikanischen Unternehmen arbeiten würden.

Auch Kelly Gauger betonte, dass das Umsiedlungsprogramm der USA das größte der Welt sei. Allerdings dauerten die Prozesse lang und es sei unmöglich, eine zu große Zahl an Flüchtlingen aufzunehmen, da man schon jetzt viele Gespräche führe und die Sicherheitsüberprüfungen nun mal dauern würden.

In den USA regelt der Refugee Act von 1980 die humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen, welche in ihren Heimatländern wegen ihrer Religion, Nationalität, Ethnie, politischer Meinung oder Teilhabe an politischen Gruppen verfolgt werden. Die Flüchtlinge müssen sich außerhalb des US-Territoriums befinden und werden dann beim UN-Flüchtlingswerk oder einer US-Botschaft angemeldet. Wenn sie die Auflagen erfüllen, werden sie vom Office of Refu-gee Resettlement in den USA unterstützt und können sich nach einem Jahr um eine Aufenthaltsgenehmigung bewerben.

Larry Yungk sprach sich dafür aus, in den nächsten 4-5 Jahren 400.000 Flüchtlinge in den USA aufzunehmen. Die sei eine umsetzbare Zahl, wenn nun auch genügend Ressourcen dafür zur Verfügung gestellt würden. Kelly Gauger erklärte, dass nicht nur das Umsiedlungsprogramm mehr finanzielle Unterstützung benötige, sondern auch die humanitäre Hilfe vor Ort intensiviert werden müsse.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Experten Amerika für fähig halten, eine größere Zahl von syrischen Flüchtlingen aufzunehmen und dies auch von der Regierung fordern. Schon im Mai unterschrieben 14 demokratische Senatoren einen Brief an den Präsidenten, in dem sie forderten, dass mindestens 65.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen werden müssten. Auch andere Umsiedlungs-Organisationen mahnten Präsident Obama, dass schon 2016 100.000 weitere syrische Flüchtlinge aufgenommen werden müssten.

Die USA sind stolz auf ihre bisherige Kultur der Aufnahme von Flüchtlingen und politisch Verfolgten. Amerikanische Beamte erklären jedoch, dass im Fall von syrischen Flüchtlingen die Informationen, welche ausreichende Sicherheit für das amerikanische Volk garantieren könnten, noch nicht ausreichen, um im großen Stil syrische Flüchtlinge willkommen heißen zu können. Deswegen steht die Obama-Regierung aktuell vor dem großen Problem, zwar auf die große Nachfrage nach Asyl in den USA zu reagieren, jedoch gleichzeitig die Grenzen zu sichern und sicherzustellen, dass das amerikanische Volk keiner terroristischen Gefahr ausgesetzt werde. Gleichzeitig wird befürchtet, dass der fortlaufende Konflikt dazu führt, dass die Menschen in Syrien immer ärmer werden und ihre Lage als aussichtslos verstehen, was dazu führen könnte, dass sie sich somit eher extremistischen Gruppierungen anschließen würden.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Obama-Regierung weiterhin zu der humanitären Krise positionieren wird und ob sie ein militärischen Eingreifen in den Bürgerkrieg erwägt. Aktuell sieht es jedoch so aus, als könnte der Konflikt, auch befeuert von russischen Aktivitäten, noch lange anhalten, was auch bedeutet, dass noch mehr Syrer ihr Heimatland verlassen müssten.

Bericht: Inger-Luise Heilmann

Verantwortlich und Redaktion: Dr. Lars Hänsel

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