Asset-Herausgeber

Länderberichte

Erneuter Türkeibesuch der Bundeskanzlerin

von Dr. Colin Dürkop, René Neumann
Momentan dramatisiert sich die humanitäre Lage in den syrischen Bürgerkriegsgebieten zunehmend und führt zu starken Fluchtbewegungen über die Türkei nach Europa. Diese Herausforderung führte in den letzten Monaten zu intensiven Gesprächen zwischen türkischen und deutschen Regierungsverantwortlichen. Bundeskanzlerin Merkel reiste erneut zu politischen Gesprächen mit Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu und Präsident Recep Tayyip Erdoğan in die Türkei.

Asset-Herausgeber

Die Bundeskanzlerin kam heute zu einem von der türkischen Presse z.Z. als "überraschend" betitelten Besuch in die türkische Hauptstadt, wo sie im Anschluss an eine Kranzniederlegung am Atatürk-Mausoleum von Ministerpräsident Davutoğlu empfangen wurde.

Hintergrund des Treffens bildet die aktuelle Lage der Flüchtlingskrise. Bereits am 22. Januar 2016 trafen sich Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Davutoğlu zu den ersten Deutsch-Türkischen Regierungskonsultationen im Bundeskanzleramt in Berlin. Türkische und deutsche Delegationen unter Federführung der Minister sprachen über wichtige Themen der bilateralen Beziehungen. Angesichts der letzten Ereignisse standen Terrorismus und Migration auf der Tagesordnung. Davutoğlu lobte die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin als „historisch“ und versprach stärkere Zusammenarbeit.

Beide Politiker stellten sich heute den Fragen von Journalisten auf der gemeinsamen Pressekonferenz. Die Bundeskanzlerin würdigte die Türkei für ihren Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Sie verkündete, sich auf NATO-Ebene über mögliche Unterstützung für die türkische Küstenwache und EU-Grenzschutzagentur Frontex einzusetzen, um die Lage der Flüchtlinge in der Ägäis zu entschärfen und gegen Schlepperbanden vorzugehen. Frau Merkel plädierte für eine deutsch-türkische Polizeikooperation im Kampf gegen Schleuserringe. Beide Länder einigten sich zudem auf Soforthilfen für syrische Flüchtlinge an der Grenze. Deutschland versprach Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks in die Türkei zu entsenden.

Außerdem äußerte sich die deutsche Kanzlerin besorgt über die russischen Luftschläge auf Aleppo. „Wir sind entsetzt über das menschliche Leid, das auch durch syrische Bombenangriffe in Syrien entstanden ist“. Sie verweist in ihrer Kritik auf die Forderung des UN-Sicherheitsrates, die Bombardements auf zivile Strukturen in Syrien zu unterlassen. Der türkische Ministerpräsident pflichtete ihr bei und sprach von einer „menschlichen Tragödie“. Anschließend fand ein Gespräch zwischen der Kanzlerin und dem türkischen Staatspräsidenten statt.

Die Türkei und Deutschland sind zwei zentrale Akteure in der gegenwärtigen Flüchtlingskrise. Während sich in der Türkei etwa 2,7 Millionen syrische Flüchtlinge aufhalten und das Land damit die höchste Anzahl beheimatet, verzeichnet Deutschland die höchste Aufnahmezahl innerhalb der Europäischen Union. Der Druck auf die türkische und deutsche Regierung ist demnach hoch, da die Versorgung und Registrierung der Menschen enorme administrative und finanzielle Ressourcen abverlangt.

Bereits am vergangenen Sonntag bekräftigten die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident Hollande erneut, dass die aktuelle Flüchtlingssituation nur in Einigkeit der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gelöst werden kann. In der Vergangenheit zeigten sich die europäischen Partner in der Verteilungsfrage von Flüchtlingen unkooperativ bis obstruktiv. Allen voran die Visegrád-Staaten kritisierten die Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin und sperrten sich gegen verbindliche Flüchtlingsquoten. Umso positiver wurde in der türkischen Presse registriert, dass die Kanzlerin im Vorfeld ihrer Ankara-Reise die EU-Staaten dazu aufgerufen hatte, kontingentweise Flüchtlinge aus der Türkei aufzunehmen.

Unterdessen spitzt sich die humanitäre Lage an der türkischen Südgrenze zu Syrien dramatisch zu, wo über 50.000 Flüchtlinge ausharren, die vor den russischen Bombardements und den Angriffen der Assad-Truppen aus Aleppo geflüchtet sind. Die EU rief die Türkei auf, ihre Südgrenze für die fliehenden Menschen zu öffnen. Beobachter kritisieren aber diese Forderung, da sich die EU primär darum bemüht, dass die Flüchtlingsbewegungen aus der Türkei reduziert werden, derweil sich die türkische Regierung mit den Problemen allein gelassen fühlt.

Asset-Herausgeber

Kontakt

Sven-Joachim Irmer

Länderberichte
13. November 2015
Jetzt lesen
Einzeltitel
10. Oktober 2015
Jetzt lesen
Merkel bei Türkei-Besuch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu. | Foto: dpa dpa

comment-portlet

Asset-Herausgeber