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Länderberichte

Verfassungsgericht der Republik Moldau führt Direktwahl des Staatspräsidenten erneut ein

von Sven-Joachim Irmer

Verfassungsreform rechtswidrig

Das Verfassungsgericht der Republik Moldau hat am 4. März das Gesetz Nr. 1115-XIV vom 5. Juli 2000 zur Änderung und Novellierung der Verfassung (faktisch in Bezug auf die Präsidentschaftswahlen) für verfassungswidrig erklärt. Somit wird der nächste Präsident der Republik Moldau direkt von den Bürgern gewählt und nicht mehr wie bisher durch das Parlament. Das Gericht hat zugleich auch das darauf bezogene Gesetz zur Verfassungsnovellierung betreffend die Wahl des Präsidenten der Republik Moldau durch das Parlament mit einer Dreifünftel-Mehrheit der Abgeordneten für verfassungswidrig erklärt.

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„Imperfektes Regierungssystem“

Das Verfassungsgericht begründete die Entscheidung mit Verweis darauf, dass die im Jahr 2000 erfolgte Verfassungsänderung auf einem entsprechend Entwurf beruhe, der in der Form vom Verfassungsgericht nicht positiv begutachtet worden sei. Ferner wies das Verfassungsgericht darauf hin, dass die Verfassungsreform ein „imperfektes Regierungssystem“ hervorgerufen habe. Die Verfassung dürfe keinerlei „Lücken oder innere Widersprüche“ ermöglichen.

Die Entscheidung wird bereits am 22. März, zum Ende der Amtszeit des jetzigen Staatspräsidenten, Nicolae Timofti, in Kraft treten. Folglich müssen, gemäß der alten, nunmehr wieder gültigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen, bis spätestens am 24. Mai Präsidentschaftswahlen in der Republik Moldau stattfinden. Bis dahin übt der jetzige Präsident kommissarisch weiterhin das Amt aus.

Die Entscheidung beruht auf einer Klage von 18 Abgeordneten, damals allesamt Mitglieder der Demokratisch-Liberalen Partei (PLDM), die am 12. November 2015 eine Überprüfung des Art. 135 Abs. (1) lit. c) in Verbindung mit Art. 141 Abs. (2) der Verfassung der Republik Moldau i. d. F. vom Jahr 2000 beantragt hatten. Diese Artikel hatten den Übergang von einer präsidialen zu einer parlamentarischen Republik ermöglicht.

Entscheidung dürfte Druck von Vlad Plahotniuc nehmen

In der Tat hatte die Wahl des Präsidenten durch das Parlament mehrfach politische Krisen verursacht. Die vorgeschriebene Dreifünftel-Mehrheit hatte zu Blockaden im Parlament geführt, die wiederum vorgezogene Parlamentswahlen bewirkt hatten, weil die Nichtwahl des Präsidenten nach zwei Abstimmungen die Auflösung der Legislative mit sich brachte. Auch im Vorfeld der Wahl eines neuen Präsidenten nach Ablauf der Amtszeit von Timofti war offen, ob die auf 56 von 101 Stimmen im Parlament beruhende Regierungskoalition (unterstützt von der Demokratischen Partei – PDM, der Liberalen Partei – PL und „Überläufern“ aus der Partei der Kommunisten und aus der PLDM) die entsprechende Mehrheit erreichen würde. In diesem Sinne dürfte die Entscheidung den öffentlichen Druck auf Vlad Plahotniuc, dem Hintermann der PDM und der jetzigen Regierung, etwas reduzieren. Plahotniuc gilt als unpopulärster Politiker des Landes und soll auch die Justiz - Medienangaben zufolge – fast gänzlich kontrollieren. Ihm kann nunmehr nicht mehr zugeschrieben werden, einen Hand verlesenen Präsidenten von „seiner“ Parlamentsmehrheit wählen zu lassen.

Die von der „alten“ Verfassung, nun wieder gültigen Bestimmungen sehen vor, dass nur Staatsbürger über 40 Jahre, die seit mindestens 10 Jahren ihren Hauptwohnsitz im Land haben und die Landessprache beherrschen, sich für das Präsidentenamt zur Wahl stellen können.

Unter diesen Umständen kann der bisherige erstplatzierte Politiker in Umfragen, der pro-russische Bürgermeister von Bălți, Renato Usatii (37) nicht für das Amt kandidieren, weil er das entsprechende Mindestalter nicht erreicht hat. Somit gelten als wahrscheinliche Anwärter für dieses Amt Igor Dodon (der ebenfalls pro-russische Vorsitzende der Partei der Sozialisten), die ehemalige Bildungsministerin Maia Sandu, die als pro-westlich gilt und eine neue Partei – PAS – gegründet hat, wie auch Andrei Năstase (Anführer der seit gut einem Jahr andauernden Protestbewegung DA). Gewinnen wird derjenige Kandidat, der mindestens 50% der abgegebenen Stimmen für sich entscheiden kann. Wenn dies im ersten Wahlgang nicht der Fall sein wird, wird der Gewinner im Rahmen einer Stichwahl zwischen den zwei Bestplatzierten ermittelt.

Es ist wahrscheinlich, dass es zu zwei Wahlgängen kommen wird. Die Wählerschaft der Republik Moldau ist sehr zersplittert und keiner der möglichen Kandidaten scheint im ersten Wahlgang auch nur mehr als 20% der Stimmen erreichen zu können. Der politische Kampf wird durch mehrere Faktoren entschieden werden. Zum einem bleibt abzuwarten, ob es zur Bildung eines – zumindest deklarativen – pro-europäischen Blocks der jetzigen parlamentarischen Mehrheit kommen wird. Hingegen dürfte das pro-russische Lager mit Dodon einen einheitlichen Kandidaten aufstellen. Nicht zuletzt muss gesehen werden, welche Rolle das Erscheinen eines Kandidaten von außerhalb des Parlaments – wie z.B. Maia Sandu oder Andrei Năstase - in diesem Wahlkampf spielen wird.

Reaktionen der Parteien auf das Urteil

Die Parteien haben nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Verfassungsgerichts unterschiedlich reagiert. Die Demokraten, Liberal-Demokraten und die Sozialisten haben einerseits diese Entscheidung begrüßt, die PLDM schrieb sich den Erfolg dieser Entscheidung sogar zu mit Verweis auf die „Beharrlichkeit der Aktionen beginnend mit 2009“ und auf die Initiierung eines Referendums im Jahre 2010 zur Wiedereinführung der Direktwahl, das am Quorum, jedoch nicht am Ergebnis gescheitert war. Die Liberalen andererseits nannten die Entscheidung gefährlich, weil die moldauischen Wähler angeblich leicht zu manipulieren seien. Positiv äußerte sich die Europäische Volkspartei der Republik Moldau (PPEM) des Ex-Premierministers Iurie Leancă. Die PPEM begrüße die Entscheidung, die „ein wichtiges Thema geklärt hat, das die gesamte moldauische Gesellschaft beschäftigt“, hieß es auf der Facebook-Seite der Partei.

Dabei sprachen sich im November 2015 82,7% der Bürger der Republik Moldau im Rahmen einer Umfrage für eine direkte Wahl des Präsidenten durch das Volk aus, so dass die Entscheidung des Verfassungsgerichts von Freitag im Einklang mit dem Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung steht und somit der Demokratie eine neue Chance gibt.

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