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Veranstaltungsberichte

Mehr Aufmerksamkeit Richtung Osten

Ungarns Botschafter Dr. Péter Györkös empfiehlt eine ehrliche Selbstreflexion und neue Agenda der EU

Ungarn sieht sich als starker und solidarischer, europäischer Partner, erst recht, nachdem es seine wirtschaftlichen Probleme hinter sich gelassen hat. Aus dieser Position heraus konterte Botschafter Györkös die verbreitete Kritik an Ungarns Politik und beanstandete aus ungarischer Sicht Fehlentwicklungen in Brüssel. In der Veranstaltungsreihe „Die Welt zu Gast in Potsdam“ vertrat er Ungarns Position in der Flüchtlingskrise und warb zugleich für eine neue europäische Agenda sowie für Europas Osten als Wirtschaftspartner.

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Offen miteinander reden – und zuhören

Mit einem dankbaren, „aber nicht nostalgischen“ Blick in die Vergangenheit begrüßte Botschafter Dr. Péter Györkös die 120 Potsdamer im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte: „Die Deutsche Einheit ist untrennbar von der Souveränität und Freiheit Ungarns.“ Gemeinsam mit dem vereinten Europa bilden diese integralen Bestandteile ein „heiliges Dreieck“, so Györkös. Anders gesagt: „Ungarn kann nur in einem vereinten Europa souverän und frei sein.“ Der Botschafter, der fünf Jahre lang Ungarn in Brüssel vertrat, wollte mit diesen Worten seine Europafreundlichkeit darstellen und eine Brücke zum deutschen Publikum bauen, herrsche doch ein teilweise „vergiftetes Klima“ zwischen Deutschland und Ungarn: Kritik am Bau des Grenzzauns, an den Gesetzes- und Verfassungsänderungen – die Europäische Union sah die Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in Ungarn in Gefahr. Aber, so Györkös zum deutsch-ungarischen Verhältnis: „Wir sind viel näher aneinander, als mancher sich vorstellt.“ Deswegen müsse man ehrlicher miteinander reden – und Europa müsse auch zuhören.

Erfolgreiche Mitglieder für eine erfolgreiche EU

Györkös nutzte seinen Vortrag für Kritik an der empfundenen Ungleichbehandlung Ungarns durch die europäischen Institutionen: Während etwa Spanien und Portugal derzeit straffrei Haushaltsdefizite verbuchen dürften, habe die Europäische Kommission bei Ungarn vor einigen Jahren 495 Millionen Euro Fördermittel vorübergehend ausgesetzt. Aber, betonte der Botschafter, pädagogisch sei das wertvoll gewesen, denn Ungarn habe einen radikalen Wechsel seiner Wirtschaftspolitik vollzogen und profitiere heute von stabilen Finanzen, Schuldenfreiheit bei der EU und niedriger Arbeitslosigkeit. Györkös legte großen Wert auf Ungarns wirtschaftlichen Erfolg und politische Stabilität – immerhin habe es seit Ungarns Unabhängigkeit keine außerplanmäßigen Neuwahlen gegeben. Dieser Erfolg – erfolgreiche Mitgliedstaaten generell – sei eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der EU. Es schien so, als vertrete Ungarn eher den Ansatz „Europa der Vaterländer“, dennoch bekannte der Botschafter: „Wir sind 27 und können unsere Zukunft nur gemeinsam meistern.“ Deutschland komme dabei eine ganz besondere Rolle zu: „Wenn Deutschland sich destabilisiert, können wir das europäische Geschäft schließen.“

Wunsch nach positiver Aufmerksamkeit

Mehrmals kam Györkös an diesem Abend auf einen der momentan größten Streitpunkte zu sprechen: die europäische Flüchtlingsquote, die „Zwangsverteilung“, wie Ungarn sie nennt. Mit der Position seines Landes gegen eine automatische Verteilung von Flüchtlingen werde auch Ungarns europäische Solidarität in Frage gestellt. Diesem Vorwurf entgegnete Györkös, dass vorher die Kontrolle der EU-Außengrenzen gewährleistet sein müsse. Zudem investiere Ungarn mehr als die anderen EU-Länder in die Sicherung der europäischen Außengrenzen und bekämpfe Fluchtursachen, indem es Soldaten in NATO-Stabilisierungseinsätze nach Afghanistan und auf den Balkan entsende. Statt nur Kritik für seine Politik zu ernten, wünsche sich Ungarn einen anderen Blick auf sein Land, gerade aus der Mitte Europas: Deutschland solle die Visegrád-Staaten verstärkt als Wirtschaftspartner wertschätzen. Es habe schon seine historische Richtigkeit, dass Frankreich Deutschlands Wirtschaftspartner Nummer Eins sei, doch Polen, Tschechien, die Slowakei und eben Ungarn wiesen ein höheres Wirtschaftswachstum bei etwa der gleichen Einwohnerzahl auf. So fasste Györkös seine Bitte in wenigen Worten zusammen: „Mehr Aufmerksamkeit Richtung Osten“.

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Stephan Georg Raabe

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Landesbeauftragter und Leiter Politisches Bildungsforum Brandenburg

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