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Länderberichte

Vorwahlen bei den „Républicains“

von Dr. Nino Galetti, Nele Katharina Wissmann

Profile und Programme der Kandidaten bestimmen die künftige politische Ausrichtung der bürgerlich-konservativen Partei

Am 20. und 27. November finden die Vorwahlen (primaires) zur Ermittlung des Präsidentschaftskandidaten der bürgerlich-konservativen Partei „Les Républicains“ statt. Bis zum 9. September konnten die Bewerbungen eingereicht werden. Parteiintern war zuvor festgelegt worden, dass diese Bewerber die Unterstützung von mindestens 20 Abgeordneten, 250 Amts- und Mandatsträgern (aus mindestens 30 verschiedenen Departements) sowie 2500 Parteimitgliedern nachweisen müssen, um antreten zu dürfen.

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Von den dreizehn Bewerbern, die Interesse an den Wahlen bekundet haben, konnten sieben Politiker diese Voraussetzungen erfüllen (Hintergrundinformationen zu den Kandidaten finden Sie in unserem Länderbericht „Zielgerade Elysée-Palast“). Dies ist eine relativ hohe Zahl, da Beobachter eher von maximal fünf Kandidaten ausgegangen waren. Durch die hohe Bewerberanzahl wird jedoch gewährleistet, dass die verschiedenen Parteienflügel abgedeckt sind und auf diese Weise integriert werden.

Die Nominierung des Präsidentschaftskandidaten der „Républicains“ stellt angesichts der bisherigen Wahlprogramme der Kandidaten und den teils harten Wortgefechten zwischen den Bewerbern auch die Frage der zukünftigen politischen Ausrichtung der Partei.

Die Primaires: Eine Premiere für die „Républicains“

Beim „Neugründungskongress“ der Partei „Les Républicains“ (bis dahin UMP) am 30. Juni 2015 legte die Partei fest, ihren Präsidentschaftskandidaten im Rahmen einer mitgliederoffenen Vorwahl zu ermitteln: Jeder Franzose, der in das staatliche Wählerverzeichnis eingetragen ist, eine Deklaration unterschreibt, in welcher er sich zu den republikanischen Werten der bürgerlichen Rechten und des Zentrums bekennt, sowie einen Kostenbeitrag von zwei Euro bezahlt, kann an den Vorwahlen teilnehmen.

Es waren die Sozialistische Partei (PS) und die Radikale Linkspartei (PRG), die im Jahr 2011 zum ersten Mal mitgliederoffene Vorwahlen veranstalteten. Damals standen fünf Kandidaten zur Wahl. Beim ersten Wahlgang konnten 2,7 Millionen Wähler mobilisiert werden. François Hollande erhielt damals 39,17% der Stimmen, Martine Aubry 30,42%, Arnaud Montebourg 17,19%, Ségolène Royal 6,95%, Manuel Valls 5,63% und Jean-Michel Baylet 0,64 %. Am zweiten Wahlgang nahmen dann 2,9 Millionen Wähler teil. Der spätere Staatspräsident Hollande konnte sich mit 56,57% zu 43,43 % gegen Martine Aubry durchsetzen.

Die „Républicains“ erhoffen sich für ihre Vorwahlen 3 - 4 Millionen Teilnehmer. Umfragen gehen derzeit davon aus, dass circa ein Viertel der französischen Wahlberechtigten die Vorwahlen mit Interesse verfolgt. Wie viele Personen jedoch wirklich den Weg zu den Wahllokalen finden werden, bleibt offen. Eine Online-Wahl ist ausschließlich für die im Ausland lebenden Franzosen vorgesehen.

In die Vorwahlen der bürgerlich-konserva¬tiven Partei „Les Républicains“ sind auch die „Parti chrétien-démocrate“ (Christdemokratische Partei, PCD) und das „Centre national des indépendants et paysans“ (Nationales Zentrum der Unabhängigen und der Landwirte, CNIP) eingebunden. Mit dem CNIP wurde vereinbart, dass die Partei keinen eigenen Kandidaten aufstellt. Von der PCD wird Jean-Frédéric Poisson an den Vorwahlen teilnehmen.

Wie bei den Präsidentschaftswahlen gilt bei den Vorwahlen das absolute Mehrheitswahlrecht. Es finden dementsprechend bis zu zwei Wahlgänge statt. Der erste Wahlgang wird am 20. November 2016 stattfinden, der zweite Wahlgang dann eine Woche später am 27. November 2016. In insgesamt drei Fernsehdebatten werden die sieben Kandidaten ihr Programm vorstellen.

Liberalismus für alle

Alle sieben Kandidaten verfolgen wirtschafts- und sozialpolitisch einen liberalen Kurs: Aufhebung der 35-Stunden-Woche, degressiv ausgestaltetes Arbeitslosengeld, Steuererleichterungen für Haushalte und Unternehmen, Senkung der öffentlichen Ausgaben und Anhebung des Rentenalters. Die Wahlprogramme, die eine Entlastung des französischen Staates anstreben, sind als deutliche Abgrenzung zur gegenwärtigen Politik der sozialistischen Regierung zu werten. „Cinq ans pour l’emploi“ (Fünf Jahre für die Vollbeschäftigung) setzt sich der ehemalige Premierminister Alain Juppé zum Ziel. Nicolas Sarkozy möchte einen Vertrag zur „wirtschaftlichen Erholung“ (contrat pour le redressement économique) abschließen. Es sind wirklich sehr feine Details, die die Wirtschaftsprogramme der sieben Vorwahlkandidaten unterscheiden. So möchte Nathalie Kosciusko-Morizet – anders als ihre Mitbewerber – die „Reichensteuer“ ISF (Impôt sur la fortune) nicht aufheben, erkennt aber an, dass die Steuer ineffizient ist und reformiert werden muss. Alle Kandidaten möchten die Anzahl der Beamten reduzieren: Alain Juppé verspricht eine Reduzierung von 250 000 bis 300 000 Posten, der ehemalige Premierminister François Fillon fordert 600 000 Stellenstreichungen. Der frühere Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire möchte den öffentlichen Dienst in den Kommunen, Departements und Regionen sowie in den interkommunalen Strukturen ausdünnen und teilweise ganz abschaffen.

Wirkliche Unterschiede sind in den Parteiprogrammen der Kandidaten im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht zu finden. Und dennoch: Eine Mehrheit der Franzosen scheint auf diesem Feld am ehesten dem ehemaligen Premierminister Alain Juppé einen Kurswechsel zuzutrauen. 42% der Franzosen finden, dass er die besten Vorschläge im wirtschaftspolitischen Bereich macht. Ihm folgen Nicolas Sarkozy (20%), Bruno Le Maire (18%) und François Fillon (14%). Dies verwundert insofern, als gerade Fillon sich seit Monaten als Wirtschaftsexperte darstellt und die umfassendsten Reformen angekündigt hat. Am meisten befürworten die Franzosen eine Senkung der öffentlichen Ausgaben (82%), eine Anhebung der Arbeitszeit von Beamten (63%) sowie ein degressiv ausgestaltetes Arbeitslosengeld (ebenfalls 63%). Die Aufhebung der 35-Stunden-Woche spaltet hingegen: 50% würden eine Liberalisierung der Arbeitszeit begrüßen, 49% lehnen die Aufhebung ab.

Europa, quo vadis?

Auch wenn alle Kandidaten der europapolitischen Tradition der Partei treu bleiben, d.h. also für eine Verstärkung der deutsch-französischen Beziehungen, der Eurozone und des Schengen-Raums plädieren, gehen die Meinungen darüber, wie dies zu erreichen ist, weit auseinander.

Konsens besteht darüber, dass die Europäische Union reformiert werden muss und eine Vertiefung der Beziehungen auf zwei Ebenen, namentlich der deutsch-französi¬schen Kooperation und der Eurozone, anzustreben ist. „Ich bedaure weniger die Leadership von Angela Merkel, als die vollkomme Abwesenheit von François Hollande“, verkündetet Nicolas Sarkozy in einem Zeitungsinterview. Bruno Le Maire kündigte bei einer Rede in Berlin an, dass er als Staatspräsident nach den Bundestagswahlen feste Dialogstrukturen zwischen den deutschen und französischen Ministerien einrichten möchte, die insbesondere die Themen Migration, Sicherheit und Eurozone gemeinsam angehen sollen.

Dissens besteht dann jedoch darüber, wie das europäische Projekt weitergedacht werden soll. Nicolas Sarkozy fordert nach dem Brexit-Referendum einen „neuen europäischen Vertrag“ ein, der insbesondere die Wiedereinführung von Grenzkontrollen und einen Stopp der Erweiterungspolitik der EU beinhalten soll. Skeptisch sieht er hingegen eine direkte Beteiligung der Wähler an dem Reformprozess. Das Thema sei für eine direkte Demokratie zu komplex. Anders sieht dies Bruno Le Maire. Am Tag nach dem Brexit-Abstimmung in Großbritannien forderte er ein „Referendum sur l’Europe“, um dem europäischen Projekt auf diese Weise in Frankreich „seine Legitimität zurückzugeben“. Diese Idee wird vom ehemaligen Premierminister Alain Juppé und anderen führenden Politikern der Républicains als „unverantwortlich“ eingeschätzt.

„Das Schengen-Abkommen ist tot“, darüber sind sich die „Républicains“ einig. Eine Reform des Abkommens hat sich insbesondere der ehemalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy ganz oben auf die Fahne geschrieben. Er fordert ein „Schengen II“ ein. Als Vorbild nennt er die Euro-Gruppe. Entscheidungen sollen von den Innenministern der Länder getroffen werden, denen ein „stabiler Präsident“ vorsitzen soll, der auch für die Grenzbehörde Frontex verantwortlich sein wird.

Das Brexit-Referendum hat das Bewusstsein dafür geschärft, dass die europapolitischen Zweifel der französischen Wähler ernst genommen werden müssen, denn auf diesem Feld geht der rechtspopulistische Front National auf Stimmenfang. Umfragen zeigen, dass bei der traditionelle Wählerschaft der Républicains“ eine hohe Zustimmung für den Euro gibt (87%), auch die Europäische Union befürwortet eine Mehrheit der Wähler (61%). Gleichzeitig wünschen sich jedoch 75% der Wähler, dass die Kompetenzen von Brüssel eingeschränkt und an die Mitgliedstaaten zurückgegeben werden.

Wahlkampfthema Nr.1: Sicherheit

Das Thema Sicherheit und Terrorismusbekämpfung hat sich spätestens seit dem Terroranschlag von Nizza als zentrales Wahlkampfthema etabliert. Der politische Diskurs hat sich angesichts der akuten Terrorgefahr in den vergangenen Wochen deutlich zugespitzt. Der Abgeordnete Eric Ciotti, Unterstützer von Nicolas Sarkozy bei den Vorwahlen, stellte die These auf, dass die nächsten Präsidentschaftswahlen über die Frage entscheiden werden, wer die Fähigkeit zum Kriegsherren hat. Gegen den Terrorismus sei ein „Guerre totale“, ein totaler, ideologischer und kultureller Krieg zu führen“, kündigte der ehemalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy an. Sarkozys Wortwahl wurde von Premierminister Manuel Valls als Demagogie und „Trumpisierung“ bezeichnet.

Im Mittelpunkt der Debatte stehen der nunmehr zum wiederholten Mal verlängerte Ausnahmezustand, die Anti-Terror-Maßnahmen und insbesondere der Umgang mit radikalisierten Personen auf französischem Boden. Trotz der Einigung auf die Verlängerung des Ausnahmezustands in der Nationalversammlung bleiben die Fronten verhärtet. So wird einerseits der sozialistischen Regierung vorgeworfen, Versäumnisse bei der Terrorismusbekämpfung gemacht und die Opfer somit auf dem Gewissen zu haben. Gleichzeitig verstärkt die Sicherheitsdebatte auch den parteiinternen Zwist im Lager der Republikaner (Hintergrundinformationen zu diesem Thema finden Sie in unserem Länderbericht „Ausnahmezustand als Normalfall“ ). Der Kandidat Alain Juppé weiß, dass das Thema innere Sicherheit die Domäne von Nicolas Sarkozy ist. Dieser baute bereits seinen Wahlkampf im Jahr 2007 auf sicherheitspolitischen Themen auf. So lässt es sich erklären, dass Alain Juppé als erster Vertreter der Partei eine Erklärung zu dem Anschlag von Nizza abgab und die Anti-Terror-Methoden der Regierung kritisierte: “Fatalismus ist keine Politik“.

Sicher sein können sich jedoch alle Kandidaten der „Républicains“, dass sie in diesem Themenbereich von den Wählern einen großen Vertrauensvorschuss bekommen. 40% der Wähler geben an, dass sie einem Politiker der bürgerlich-konservativen Partei am ehesten im Kampf gegen den Terrorismus vertrauen (Sozialistische Partei 22%, Front National 21%).

Nicolas Sarkozy, der Ende August mit seinem Buch „Tout pour la France“ (Alles für Frankreich) seine Kandidatur ankündigte und insbesondere in den Bereichen Sicherheit und Integrations- bzw. Identitätsdebatte punkten wollte, muss sich nunmehr eingestehen, dass seine Gegenkandidaten ihm in diesem Themenfeld keine freie Bahn lassen werden. Sarkozy fordert bereits seit den Anschlägen von November 2015, dass der Zugriff auf Webseiten mit dschihadistischem Inhalt als Straftat gehandelt wird. Potentielle „Gefährder“, die unter der Sicherheitsakte „Fiche S“ geführt werden und keinen französischen Pass haben, sollen ausgewiesen werden. Französische Staatsangehörige, die als „Gefährder“ auffallen, sollen – ohne richterlichen Beschluss – unter Hausarrest gestellt werden und eine Fußfessel bekommen. Der ehemalige Staatspräsident plädiert des Weiteren für die Schaffung von Deradikalisierungszentren, dem Einsatz von Nachrichtendiensten in Gefängnissen sowie eine Isolierungshaft für verurteilte Terroristen. Sein schärfster Konkurrent, der ehemalige Premierminister Alain Juppé, setzt in seinem im Januar 2016 erschienenen Buch „Pour un Etat fort“ (Für einen starken Staat) ebenfalls einen deutlichen Fokus auf den Polizei- und Justizbereich. Er stellt eine Verwaltungshaft für „Heimkehrer“ aus Syrien in Aussicht. Auch möchte er Arbeitgeber darüber informieren, wenn ihre Mitarbeiter in der Sicherheitsakte „Fiche S“ geführt werden und einen Beruf in einem „sensiblen Bereich“ ausüben. Der Kandidat Bruno Le Maire fordert, dass Ausländer, die eine Verbindung zum internationalen Terrorismus haben, zunächst in Frankreich verurteilt und später in Folge ihrer Haftstrafe ausgewiesen werden sollen. Nathalie Kosciusko-Morizet plädiert für Reformen im Justizbereich und der Einführung einer tatsächlichen lebenslangen Haftstrafe für Terroristen.

Eng gebunden an die Sicherheitsdebatte ist die Frage, wie der laizistische Staat sich zu dem Thema Islam positioniert. Während Nathalie Kosciusko-Morizet ein Verbot von Gruppierungen mit salafistischer Ausrichtung empfiehlt, fordert Jean-François Copé eine Zertifizierung von Imamen, die sich zu den republikanischen Werten bekennen müssen. Gerade in diesem Themenfeld bringt die Regierung derzeit u.a. durch die Neuaufstellung der „Stiftung für einen Islam Frankreichs“ Reformen ein, was die Debatte in den kommenden Wochen befeuern dürfte.

Französische Identitätsdebatte 3.0

Bereits im Wahlkampf 2007 sprach Nicolas Sarkozy davon, die „französischen Werte“ wieder stärken zu wollen. Während seiner Amtszeit, aber auch im Wahlkampf 2012, besetzte er Themen wie Patriotismus, innere Sicherheit und Immigration mit markigen Äußerungen. Die von ihm angestoßene Debatte über die „nationale Identität“ Frankreichs hat jedoch bis heute keinen Abschluss gefunden. Wenig überraschend war es demensprechend, dass er in seinem Buch „Tout pour la France“ dem Thema Identität ein ganzes Kapitel gewidmet hat. Nicolas Sarkozy fordert insbesondere eine Reduzierung der Einwanderungszahlen ein, möchte die Wirtschaftsmigration für die kommende Amtszeit einstellen, den Familiennachzug bis zur Neuaushandlung eines Schengen II verbieten und bei der Vergabe der Staatsbürgerschaft das Geburtsortprinzip Ius soli reformieren. Der ehemalige Staatspräsident ist ein Verfechter des Assimilationsprinzips: „Sobald man Franzose wird, lebt man wie ein Franzose, unsere Vorfahren sind die Gallier“, forderte er bei einer Wahlkampfveranstaltung am 19. September ein. Er bezog sich auch auf seine Antrittsrede von 2007: „Mein Vater ist aus Ungarn, aber ich habe nie die Geschichte Ungarns beigebracht bekommen. Mein Großvater mütterlicherseits ist griechisch, aber ich habe nie die Geschichte Griechenlands beigebracht bekommt. Sobald ich Franzose werde, liebe ich Frankreich, lerne ich die Geschichte Frankreichs, ich spreche Französisch und meine Vorfahren sind die Vorfahren Frankreichs, das ist Assimilation“.

Auch der ehemalige Premierminister François Fillon zieht eine Assimilation der Integration vor. Deutlich gegen das Konzept positioniert sich der ehemalige Premierminister Alain Juppé: Für ihn ist das Assimilationskonzept „veraltet“. Er geht mit seiner Wahlkampfforderu ng einer „glücklichen französischen Identität“ (Identité heureuse) in die direkte Konfrontation zu Nicolas Sarkozy. Ein Bezug ist auch zum französischen Intellektuellen Alain Finkielkraut zu setzen, der 2013 in seinem Buch „L’identité malheureuse“ (Die unglückliche Identität) eine Identitätskrise Frankreichs im Bereich seiner Migrationspolitik diagnostizierte. Alain Juppé kritisiert, dass die Politiker ein dunkles Bild von Frankreich zeichnen. Er möchte den französischen Wählern aufzeigen, dass das Land alle Karten für einen Neustart in der Hand hat. Die Herkunft eines Menschen lässt sich seiner Meinung nach nicht einfach löschen: „Die französische Identität ist einzigartig, (…) sie ist das Resultat eines Dialogs zwischen unseren vielzähligen Wurzeln und der Einheit der Nation“. Der Migrationspolitik Frankreich möchte er drei Vorrausetzungen unterstellen: Der Kontrolle der Einwanderungszahlen durch ein Quotensystem, die Verkürzung der Asylverfahren und eine Verschärfung des in Frankreich geltenden Ius soli; der Bekämpfung von Parallelgesellschaften sowie der Bekenntnis zum Gemeinwohl der Nation.

Neben der Integrations- und Immigrationsdebatte lassen sich jedoch auch weitere gesellschaftspolitische Themen in den Wahlprogrammen finden. In der Kritik steht insbesondere das sogenannte Taubira-Gesetz, benannt nach der ehemaligen Justizministerin Christiane Taubira, das seit dem Jahr 2013 die Öffnung von Ehe und Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ermöglicht. Jean-Frédéric Poisson möchte das Gesetz außer Kraft setzen, François Fillon zumindest das Adoptionsrecht einschränken. Nathalie Kosciusko-Morizet und Alain Juppé sehen hingegen keine Änderungen vor.

Entscheidender Faktor Wahlbeteiligung

Bisher kann der ehemalige Premierminister Alain Juppé seine – seit über einem Jahr unangefochtene – Favoritenrolle in den Umfragen knapp verteidigen. Der ehemalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat in den letzten Wochen jedoch deutlich aufgeholt, so dass einige Wahlforscher ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraussagen. Nach den derzeitigen Umfragewerten ist ein zweiter Wahlgang zwischen Alain Juppé und Nicolas Sarkozy die wahrscheinlichste Konstellation. Die beiden Kandidaten Bruno Le Maire und François Fillon teilen sich den dritten bzw. vierten Platz, gefolgt von der einzigen weiblichen Kandidatin der Vorwahlen, Nathalie Kosciusko-Morizet. Die Umfragewerte von Jean-François Copé und Frédéric Poisson liegen lediglich bei 1-2 Prozent.

Es ist jedoch deutlich hervorzuheben, dass der wirkliche Wahlkampf gerade erst begonnen hat und die politische Aktualität und insbesondere die Sicherheitslage in Frankreich große Auswirkung auf das Wahlverhalten haben werden. Eine nicht einschätzbare Komponente ist die Wahlbeteiligung: Denn es stellt sich nicht nur die Frage, wie viele Franzosen den Weg zur Wahlurne machen werden. Die Sympathisanten anderer Parteien könnten bei der mitgliederoffenen Vorwahl Einfluss auf die Nominierung des Präsidentschaftskandidaten der „Républicains“ nehmen. Die Erfahrungen aus den Vorwahlen der Sozialisten im Jahr 2011 sprechen jedoch dagegen: Bis zu 15% der Teilnehmer an der damaligen offenen Vorwahl der Sozialisten sollten laut Umfragen aus dem bürgerlich-konservativen Lager und des Front National stammen. Der Kandidat, der dem Programm des bürgerlich-konservativen Lagers am nächsten kam, der heutige Premierminister Manuel Valls, erhielt im ersten Wahlgang jedoch nur 5% der Stimmen.

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23. August 2016
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