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Länderberichte

Neuer Präsident – neue Wege?

von Dr. Lars Hänsel, Elmar Sulk

Erste Analysen und Reaktionen in den USA auf die Wahl Trumps zum Präsidenten

Für fast alle Beobachter und Meinungsforscher überraschend wird statt Hillary Clinton nun Donald Trump ins Weiße Haus einziehen. Den Republikanern ist es auch gelungen, ihre Mehrheiten in den beiden Häusern des Kongresses zu behaupten.

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Erste Analysen zeigen auf, dass bei der Wahl des Präsidenten eine grundsätzliche Wechselstimmung vorgegeben war. Kommentare weisen darauf hin, dass daneben die Entscheidung, ob man Clinton oder Trump die Stimme gibt, als Ablehnung des sowohl vom republikanischen als auch vom demokratischen Establishment seit langen Jahrzehnten vorgegebenen Kurs angesehen werden könnte. Die Stimmung gegen diese Eliten in beiden Parteien war in einigen Bundesstaaten besonders zu spüren. Diese beiden Trends, für Wechsel und gegen Eliten, hat Trump zu nutzen gewusst.

Während Präsident Barack Obama eine geräuschlose Übergabe der Amtsgeschäfte versprach und seine unterlegene Gegnerin Hillary Clinton ihm die Zusammenarbeit zusicherte, wird das Ergebnis der Wahl von Donald Trump in ersten Reaktionen und Kommentaren mit einer Mischung aus großer Ungewissheit und Unsicherheit begleitet. Zwar gibt es auch negative Stimmen, aber insgesamt überwiegt in ersten Kommentaren eine Haltung des Abwartens. Zu wenig sei bekannt davon, wie Trump die im Wahlkampf vorgelegten Ideen und Programme in reales Regierungshandeln umwandele. Trump habe im Wahlkampf keine konsistenten politischen Programme entworfen.

Bis zum Beginn seiner Präsidentschaft im Januar wird Trump eine Auswahl derjenigen vornehmen, die ihm als enge Berater im Weißen Haus zur Seite stehen oder die verschiedenen Ministerien übernehmen. Es werden bisher wenig Namen in den Medien gehandelt, so dass viele Kommentatoren auch aus diesem Grund zur Zurückhaltung und Verzicht auf vorschnelle Urteile aufrufen. Neben der Betonung der Ungewissheit, welche neuen Wege nun beschritten werden, ist man sich aber einig darin, dass Trump viele Strategien seines Vorgängers überprüfen wird. Man wird noch einige Wochen warten müssen, bis sich abzeichnet, wieviel Kontinuität es in aussen- und innenpolitischen Fragen geben wird und wie viele neue Wendungen entstehen. Nicht zuletzt hat die Wahl Trumps auch Auswirkungen auf seine eigene Partei und die der Demokraten.

Hillary Clinton hat zwar ganz knapp mit 47,7 % gegenüber 47,5 % die Mehrheit der Stimmen erhalten (popular vote), aber Donald Trump hat mit Siegen in wichtigen Staaten wie Pennsylvania und Ohio eine Mehrheit bei den Wahlmännern erzielt (electoral vote). Gerade die weiße Bevölkerung in den vormals wohlhabenden Industriestaaten des Mittelwestens hat Trump zum Sieg getragen, und ist so zu einer Schlüsselgruppe in diesem Wahljahr geworden. Darunter sind viele Demokraten, die noch 2012 Barack Obama gewählt haben. Hier entfaltete die Wechselstimmung ihre größte Wirkung. In den Umfragen meinen etwa 70 Prozent der Amerikaner, dass ihr Land in eine falsche Richtung gehe.

Wechselstimmung statt Kontinuität

Donalds Trump große Trumpfkarte am Dienstag war die hohe Wahlbeteiligung bei denjenigen, die sich in den letzten Jahrzehnten von der Politik Washingtons ausgeschlossen bzw. in ihren Sorgen zu wenig angesprochen fühlten. Ein Blick auf Pennsylvania lohnt, wenn man die Wählerwanderungen untersucht: Pennsylvania hat sich knapp für Donald Trump entschieden, nachdem es vorher einige Male von den Demokraten gewonnen wurde. In den 15 größten Landkreisen dieses Bundesstaates gab es ausgeglichene Stimmabgaben zwischen den Lagern. Der Rest von Pennsylvania ging aber zu 70 Prozent an Trump. In Beaver County westlich von Pittsburgh haben sich unter den 80.000 Wählern über 10.000 anders entschieden als vor vier Jahren, und für Trump gestimmt. Ähnlich sehen die Zahlen in Ohio aus. Dort haben in wichtigen Landkreisen fast eine halbe Million Wähler für den Republikaner gestimmt, die noch 2012 Barack Obama gegen Mitt Romney unterstützten. Auch dies ist ein Zeichen, dass weite Teile dieser Bevölkerung sich von der etablierten Politik vernachlässigt und nicht verstanden fühlten.

Kommentatoren legen Wert darauf, dass diese Schichten, also weiße Industriearbeiter ohne Abschluss einer weiterführenden Einrichtung, zwar zum Erfolg Trumps beigetragen haben, diesen aber nicht endgültig erklären. Er konnte auch bei vielen anderen Gesellschaftsgruppen punkten, die grundsätzlich Sorge um die persönliche Zukunft mit Furcht vor dem Niedergang der USA verbinden. Diese fühlten sich von Hillary Clinton und ihren Botschaften nicht angesprochen. Insofern hat auch die demographische Entwicklung, welche bislang als entscheidender Faktor für die Einschätzung von Wahlchancen gesehen wurde, nur eine untergeordnete Rolle gespielt.

Starke Stimmung gegen Eliten

Kommentatoren meinen, dass Hillary Clinton letztlich eine zu schwache Kandidatin war, um dieser Wechselstimmung etwas entgegenzusetzen und Trumps Griff auf das Weiße Haus zu verhindern. Allerdings kommt noch ein zweites hinzu, was den Erfolg Trumps erklärt: Die starke Stimmung gegen Eliten und gegen das Establishment. Hillary Clinton gilt bei vielen als Paradebeispiel für eine verbrauchte Elite. Zu sehr schien sie für weite Teile der Bevölkerung vorbelastet zu sein von Untersuchungen rund um ihre Amtsführung als Außenministerin, oder die Verquickungen mit der Clinton Foundation. Dass ihre Botschaft „Stronger together“ nicht verfing und sie letztlich ein Opfer aus diesem Mix aus Wechselstimmung und Unzufriedenheit mit den Eliten wurde, heben Nicholas Confessore und Nate Cohn in einer Analyse für die New York Times hervor („White Voters in Broad Bloc Shaped Upset“, NYT 10.November 2016).

Kritik an Umfrageinstituten und Meinungsforschung

Kommentatoren, vor allem diejenigen, die sich die Mühe machen, ihre eigene Echokammer zu verlassen und in einen Diskurs mit den Betroffenen treten, vermerken seit längerem, dass sich gerade in den vormals wohlhabenden, nun aber strukturschwachen Gegenden seit langem eine Stimmung allgemein gegen Institutionen und das politische Establishment angestaut hat. Diese Grundstimmung aus Resignation, Ärger und offenem Zorn hat Donald Trump aufgegriffen und nun in Stimmen für sich umgewandelt. Er konnte sich – paradoxerweise – als Anwalt derer präsentieren, die sich als Verlierer sehen.

Ein großer Teil der Analysten, sowie die Parteiführungen der Demokraten wie auch der Republikaner hatten das Potential dieses Bevölkerungssegments unterschätzt. Wie sehr Trump die Grundstimmungen gegen den Status Quo in der Bevölkerung in Stimmen am Wahltag ummünzen konnte, hat fast alle Meinungsforscher überrascht. Dies vor allem auch deshalb, weil die Kampagnen, insbesondere der Demokraten, sehr viele Daten über die Wähler gesammelt hatte. Alle Umfrageinstitute hatten zwar ein knappes Ergebnis vorausgesehen, allerdings mit positiven Vorzeichen für Hillary Clinton. Insgesamt ergeben sich aus dem Wahlkampf die Fragen, welche Rollen die sozialen Medien einnehmen, ob sie z.B. wichtiger sind als „Big Data“, finanziell kostspieliges Canvassing oder „Get-out-the-vote“ Operationen, also klassische Wahlkampfinstrumente. Hier sah man lange Clinton im Vorteil. Ähnlich wie beim Brexit kam es aber genau umgekehrt: Trump hatte bereits am Abend mit Florida, North Carolina und Ohio die wichtigsten Staaten gewonnen, in der Nacht kam dann noch Iowa hinzu. Die vorher eher ins Clinton-Lager gezählten swing states gingen fast alle an den Geschäftsmann aus New York. Kritisch äußern sich deshalb in der New York Times Steve Lohr und Natasha Singer über Methoden und Analysen dieser Institute („How Data Failed US in Calling an Election“, NYT 10.11.2016). Sie verweisen darauf, dass Meinungsforschung an ihre Grenzen stößt, wenn man manche Paradigmen unterschätzt oder zu wenig die Grundstimmungen gewichtet. Sie geben hier auch eine Warnung an die Politik mit, sich zu sehr auf diese Umfragen zu verlassen und vielmehr den Diskurs mit den Wählern zu suchen. Sonst drohe es ihnen zu gehen wie dem Protagonisten in Bob Dylans Ballad of a Thin Man: „Because something is happening here and you don’t know what it is, do you, Mr. Jones?”

Außen- und innenpolitische Auswirkungen

Welche Akzente der neue Präsident, der große Teile der Bevölkerung im Wahlkampf mit teilweise persönlichen Beleidigungen angegangen hat, setzen wird, wird man sehen. Kritik, die gerade in den europäische n Medien artikuliert wird und auch in manchen amerikanischen Zeitungen ihren Platz gefunden hat, ist etwas voreilig. Man weiß noch zu wenig über den Geschäftsmann ohne politische Erfahrung, der sich nun aufmacht, die Gesetze der Politik und ihre Regeln anzuwenden. US-Beobachter erwarten, dass wir erst einige Wochen nach Amtswechsel sehen werden, welche Veränderungen sich in der Aussen- und Innenpolitik ergeben. Erschwerend für eine Einschätzung kommt hinzu, dass sich auch die Partei der Republikaner, die GOP, in den nächsten Wochen erst neu finden muss. Sie hat zwar die Mehrheiten im Kongress verteidigt. Dabei sind die Republikaner im Kongress aber heterogen und es wird abzuwarten bleiben, welche Richtung sich durchsetzen wird. Viele Republikaner hatten Donald Trump explizit abgelehnt.

Gewiss, es sind außenpolitisch mehr Ungewissheiten zu verzeichnen als dies bei Hillary Clinton der Fall gewesen wäre. Wer letztlich Trump in diesen für die Welt wichtigen Fragen der Sicherheitspolitik beraten wird, ist noch nicht zu sehen. Analytiker erwarten, dass die Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern und wichtigen Staaten wie Russland und China auf den Prüfstand gestellt wird, und Vereinbarungen und Verträge neu austariert werden. Trump hatte im Wahlkampf mehrfach angekündigt, genau zu analysieren, was den USA nutzt bzw. wo man erwartet, dass sich die Bündnispartner mehr einbringen. Drei Beispiele dazu, erstens: Trump hat sich im Wahlkampf mehrfach geäußert, dass er die Abkommen etwa mit den NATO-Verbündeten genau analysieren will, um dann zu entschieden, ob die Verbündeten aus seiner Sicht ihre angemessene Last im burden sharing tragen. Einerseits war dies eine Aussage an die Wähler, andererseits ist dies als Thema nicht neu. Zweitens: Die wichtige Vereinbarung mit dem Iran in atompolitischen Fragen dürfte auf den Prüfstand gestellt werden, aber das Abkommen steht insgesamt unter Vorbehalt. Drittens: Das den Republikanern nahe stehende Cato Institute hat ein eigenes Handelsabkommen mit Großbritannien ins Gespräch gebracht. Dan Ikenson, der Direktor fuer Handelspolitik bei Cato, formuliert seine Einschätzung so: "I don't think Trump is an avowed protectionist. I just think he doesn't like the deals that have been negotiated. ... The views of presidents and president aspirants are always very different.”

Indizien für eine konkrete Politik fehlen also noch. Dies gilt auch im Bereich der Innenpolitik. Es wird faszinierend sein zu sehen, wie wie Trump auf die Bevölkerungsgruppen zugehen wird, die er teils persönlich schwer beleidigt hat – und ob er das überhaupt will. Ob etwa der Affordable Care Act (Obamacare) wirklich total umgebaut wird, muss man sehen. Entscheidend dürfte sein, mit welchen Leuten sich Trump nun umgibt und wer wichtige Positionen einnehmen wird.

Außen- wie innenpolitisch betritt die USA nun Neuland, mit noch unklaren Auswirkungen auf Europa und die Welt. Trump hat in den letzten Wochen seines Wahlkampfes bereits eine andere Rolle eingenommen als in den Vorwahlen, beim Parteitag im Juli und in den Wochen danach. Er hat dabei seine Angriffe auf Personengruppen aufgegeben und sich um eine klare Botschaft bemüht, die weniger ausgrenzend wirkt. Am Wahlabend selber hat er versprochen, Präsident aller Amerikaner zu sein. Hinweise darauf, wie er regieren wird und welche Schwerpunkte er setzt, dürften sich daraus ergeben, welches Personal er für welche Positionen auswählt. Wer ihn in seinem direkten Umfeld berät, wird dabei eine Schlüsselposition zugeteilt.

Bewegung bei den Parteien

Parteienforscher werden nun die Bewegungen bei den Parteien unter die Lupe nehmen. Die Republikaner (GOP) stehen vor ungewissen Zeiten. Die Alte Koalition aus unternehmensfreundlicher Politik, Freihandel und Konservatismus in sozialen Fragen steht auf dem Prüfstand. Was dies für die Karrieren der jüngeren Politiker, etwa des Sprechers des Abgeordnetenhauses Paul Ryan bedeutet, wird man abwarten.

Nach acht Jahren der Regierung Barack Obamas müssen auch die Demokraten einen Neuanfang mit neuem Personal suchen. Die Führung im Kongress ist mit Nancy Pelosi und Stan Hoyer zu alt, um das zukünftige Gesicht der Partei zu sein. Auf Gouverneursebene gibt es wenige, die sich hervorgetan und nationales Ansehen gewonnen haben. Auch im Senat gibt es wenige bekannte Gesichter. Ob der Kandidat fürs Amt des Vizepräsidenten, Senator Tim Kaine, der innerparteilichen Diskussion den Stempel aufdrücken kann, muss man sehen. Insofern ist diese Wahl nicht nur für die Bevölkerung und die Partner der USA eine Zäsur, sondern auch für die Politikklasse der USA.

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