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Lokaljournalismus ist kein Aschenputtel mehr.

von Wilhelm Staudacher

Begrüßungsansprache zur Verleihung des Lokaljournalistenpreises 2003 der KAS in Trier

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Zum 24. Mal verleiht die Konrad-Adenauer-Stiftung in diesem Jahr ihren Lokaljournalistenpreis. Als wir den Preis 1979 ins Leben riefen und 1980 die ersten Preisträger auszeichneten, konnten wir nicht wissen, wie sich dieses Unternehmen weiter entwickeln würde. Heute, ein Jahr vor seinem Silberjubiläum, dürfen wir mit Stolz feststellen, dass der Lokaljournalistenpreis längst zu den renommiertesten Journalistenpreisen in Deutschland zählt. Die beeindruckende Zahl von rund 400 Einsendungen hat das auch diesmal wieder bestätigt.

Lokaljournalismus ist nicht mehr das Aschenputtel, als das es im Vergleich zu den anderen klassischen Ressorts wie Politik, Wirtschaft oder Feuilleton lange galt. Sicher, Lokaljournalisten zählen selten zu den Stars der Medienszene, zusätzlich geadelt durch Präsenz in Funk und Fernsehen. Aber letztlich sind sie es, die all den vielen Politik- oder Kultur-Redakteuren ihrer Zeitung die Existenzgrundlage sichern. Denn über 80 Prozent der Zeitungsleser nutzen in erster Linie den Lokalteil und halten sich deshalb überhaupt das Blatt. Und darum pflegen die Zeitungsverlage die Lokalberichterstattung ganz besonders, heute mehr denn je.

Lokaljournalisten sind Graswurzelarbeiter. Nirgendwo ist Zeitung bürgernäher als im Lokalteil. Hier hat das Herstellen von Öffentlichkeit eine viel unmittelbarere Wirkung als in anderen Ressorts. Eine geballte Ladung kritischer Leitartikel wird dem Bundeskanzler sicher ein Stirnrunzeln entlocken, aber mehr häufig nicht. Kritische Berichterstattung über lokale Belange, über kommunale Missstände oder bürokratische Schildbürgerstreiche hat in der Regel Folgen. Folgen übrigens, die von denen, die sie auslösen, immer wieder auch verantwortet werden müssen. Deshalb ist es so wichtig, dass auch Lokaljournalisten gut ausgebildet werden, gründlich und unbestechlich recherchieren und sich stets ihrer Verantwortung bewusst sind. Verantwortung für das Gemeinwohl buchstabiert sich auf der lokalen Ebene sehr viel konkreter als in den abstrakten Höhen der großen Politik. Engagierte Lokaljournalisten können etwas bewirken – und zwar dort, wo die Bürger in ihrem Wohn- und Lebensumfeld unmittelbar betroffen sind.

Ohne der Preisverleihung und den Laudationes vorzugreifen: Die in diesem Jahr mit dem 1. Preis ausgezeichnete Serie „Da sein“ des Trierischen Volksfreundes über Sterben und Sterbebegleitung ist für mich ein Paradebeispiel für verantwortlichen Lokaljournalismus und seine Wirkungsmacht. 350.000 Euro an Spenden kamen zusammen, und im kommenden Frühjahr wird in Trier ein Hospiz eröffnet, das es bisher nicht gab. Da hat etwas die Menschen bewegt, und es hatte Folgen.

Meine Damen und Herren,

über die Bedeutung des Lokaljournalismus zu sprechen bliebe unvollständig, wenn dies nicht zugleich vor dem Hintergrund der Krise in der Zeitungsbranche geschehen würde. Das Wegbrechen der Anzeigen geht auch an den Regional- und Lokalzeitungen nicht spurlos vorüber. Zwar hat die Lokalzeitung nach wie vor eine sichere Abonnentenbasis. Aber auch ihre Wochenendausgaben sind gegenüber früheren Jahren merklich dünner geworden. Der Rotstift regiert in allen Verlagshäusern, und die Redakteure spüren die Folgen.

Nicht dass ihnen der PC abgeschaltet, der Notizblock verweigert oder das Kilometergeld gestrichen würde. Sicher, manchmal wird sogar eine Lokalredaktion geschlossen, ihre Aufgaben werden von einer anderen übernommen. Aber die Folgen, die ich meine, sind häufig anderer, subtilerer Art. Denn wenn ein wichtiger Teil der wirtschaftlichen Basis einer Zeitung erodiert, wachsen die Versuchungen. Zum Beispiel die Versuchung, wichtigen Anzeigenkunden entgegenzukommen, um es einmal euphemistisch auszudrücken. Was aus der Sicht eines Verlagsgeschäftsführers existenzsichernd erscheint, kann für den Redakteur die Zensurschere im Kopf bedeuten. Oft braucht es nicht einmal des Hinweises seitens der Geschäftsführung oder des Chefredakteurs, um einem Lokalredakteur klar zu machen, dass ein kritischer Artikel über ein ortsansässiges Unternehmen, das regelmäßig im Blatt inseriert, vielleicht doch nicht geschrieben werden sollte. Wahrscheinlich kennt die Realität mehr solche die journalistische Objektivität und Unbestechlichkeit gefährdende Interessenkonflikte, als ein Laie wie ich sie sich auszumalen vermag. Nur, wie geht man als Betroffener damit um?

Es steht mir nicht zu, Ratschläge zu erteilen, wo von mir gar keine verlangt werden. Aber ich glaube, dass nicht nur an diesem Beispiel deutlich wird, wie wichtig das Thema Medienethik und journalistische Verantwortung ist. Gemeinhin wurde bislang diese Thematik vorwiegend unter dem Gesichtspunkt sauberer Recherche und wenn, dann bitte verantwortungsvoller Enthüllung betrachtet. In der Tat, Journalisten haben manchmal die Macht, Menschen zu vernichten. Die Lust an der leichtfertig verbreiteten Sensation hat dabei oft mehr als eine hässliche Kehrseite. Die eine ist das betroffene Opfer selbst. Es ist zwar nicht ganz wehrlos, weil es Rechte geltend machen kann. Aber was heißt schon Wiedergutmachung, wenn zuvor der Ruf gründlich ruiniert wurde? Wenn die Nachbarn auch weiterhin feixen oder einem aus dem Weg gehen? Lokaljournalismus ist unmittelbarer Journalismus.

Eine andere, inzwischen häufiger sichtbare hässliche Kehrseite hat etwas mit der wirtschaftlichen Krise zu tun. Sensation, Skandal – das kann die Auflage steigern helfen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Was denkt sich der verantwortliche Redakteur, wenn er dabei an seinen Verlagsgeschäftsführer denkt? Oder eben die andere Variante: den Skandal nicht öffentlich machen, weil es wirtschaftliche Folgen für das Blatt haben könnte.

Um allen Missverständnissen vorzubeugen, es geht mir mit diesen Beispielen nicht um eine Dämonisierung von Verlagsgeschäftsführern – Herr Orths (Geschäftsführer des Trierischen Volksfreundes) hat schon heftig die Stirn in Falten gezogen. Nein, es geht mir um journalistische Verantwortung, um Berufsethik. Die Konrad-Adenauer-Stiftung legt im Rahmen ihrer Journalistenausbildung darauf besonderen Wert, gerade weil wir glauben, dass guter Journalismus – übrigens auf allen Ebenen – ohne ein starkes, von Moral, Verantwortung und grundlegenden Werten gestütztes Rückgrat nicht auskommen kann. Die steigende Nachfrage nach unseren medienethischen Seminaren zeigt, dass der Bedarf an derartiger Orientierung zunimmt. Und es ist wichtig, dass wir diesem Bedarf Rechnung tragen. Der immer wieder beklagte Qualitätsverlust im Journalismus hat ja nicht nur eine handwerkliche Komponente, die auch schon schlimm genug ist. Er hat vor allem auch eine verantwortungsethische Komponente. Nicht alles, was man schreiben, senden oder abbilden könnte, kann man auch ethisch und moralisch verantworten. Und gegen subtile Einflussnahme oder gar direkten Druck kann sich nur wehren, wer seine Verantwortung ernst nimmt und auf festem ethischen Fundament gründet.

Wohl wahr, wenn’s an die eigene Existenz geht, relativiert sich manches. Und Michael Kohlhaas ist auch nicht immer das nachahmenswerte Vorbild. Aber eine karriereselige Leichtfertigkeit im Umgang mit Fakten und Verantwortung zum eigenen Vorteil kann es auch nicht sein. Mit der Journalistenausbildung in der Konrad-Adenauer-Stiftung wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass Journalisten auch künftig das sind, was sie unverzichtbar macht: eine tragende Säule unserer freiheitlichen Demokratie.

Meine Damen und Herren,

das Renommee des Lokaljournalistenpreises der Konrad-Adenauer-Stiftung wäre nicht so wie es ist, wenn es da nicht eine Jury gäbe, die seit 24 Jahren unabhängig und ausschließlich nach strengen Qualitätskriterien ihre Wahl trifft. Ich möchte mich bei den Mitgliedern der Jury ganz herzlich dafür bedanken, namentlich und stellvertretend für alle bei Dr. Dieter Golombek, dem Sprecher der Jury, der seit Anbeginn diesen wichtigen Preis betreut. Ich weiß, wieviel Arbeit damit verbunden ist, 400 eingereichte Beiträge zu sichten und zu gewichten, und noch immer hat die Jury am Schluss rundum überzeugende Entscheidungen getroffen, auch in diesem Jahr. Ich freue mich bereits jetzt auf das nächste Jahr, wenn wir gemeinsam das 25-jährige Jubiläum begehen werden – natürlich mit ebenso überzeugenden Preisträgern wie heute.

Bedanken möchte ich mich auch und nicht zuletzt beim Trierischen Volksfreund. Es hat Tradition, dass wir den Festakt der Preisverleihung gemeinsam mit dem 1. Preisträger in seiner Heimatstadt gestalten. In Trier sind wir zum ersten, aber vielleicht nicht zum letzten Mal, denn wir wollen ja noch viele Jahre unseren Lokaljournalistenpreis verleihen. Jedenfalls darf ich Ihnen, Herr Orths, als dem Geschäftsführer dieser Zeitung nicht nur zu Ihrer Redaktion und dort insbesondere zu Herrn Lintz, dem verantwortlichen Redakteur für die preisgekrönte Serie gratulieren, sondern mich vor allem auch bedanken bei Ihnen und ihren Mitarbeitern, die Sie maßgeblich für den würdigen Rahmen dieses Festaktes Sorge getragen haben.

Meine Damen und Herren,

ein guter Lokalteil dient nicht nur und dabei ganz praktisch der Demokratie, indem er Öffentlichkeit herstellt, für Transparenz sorgt und die Bürger umfassend informiert. Er dient auch der Identifikation der Menschen. Die Heimatzeitung ist ein wichtiger und wesentlicher Kultivator des Gefühls, irgendwo hin zu gehören, zu Hause zu sein. Ich glaube, dass zum Beispiel Politiker, die ihre Heimatzeitung nicht mehr zur Kenntnis nehmen, schneller Gefahr laufen, die Bodenhaftung zu verlieren, weil sie nicht mehr mitbekommen, was die Menschen in ihrer Stadt, in ihrem Wahlkreis bewegt. Das vermeintlich kleine Karo der lokalen Berichterstattung kann dann ganz schnell große Wirkung entfalten, nämlich bei der nächsten Wahl.

Einer, von dem ich weiß, dass er seine Heimatzeitung immer und sorgfältig liest, der zudem weiß, was Heimat, Identität und europäische Realität miteinander zu tun haben, wird heute für uns den Festvortrag halten. Lieber Herr Dr. Schäuble, ich freue mich auf Ihre Rede.

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