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Klimareport 2017: Türkei

von Arif Cem Gündoğan

Privatsektor und Klimafinanzierung in den G20-Staaten

Die klimapolitische Entwicklung in der Türkei folgt in vielerlei Hinsicht internationalen Trends. Besonderen Anteil daran hat der Privatsektor. Dieser wird zwar gegenwärtig noch maßgeblich durch internationale Finanzierungsquellen gestützt. Doch auch öffentliche Institutionen in der Türkei haben in Zusammenarbeit mit privaten Akteuren damit begonnen, verstärkt klimafreundliche Gesetzgebungen und Anreiz-systeme zu erarbeiten, um Finanzierungsgrundlagen für die Umwandlung in eine CO2-arme Wirtschaft zu schaffen.

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Die Förderung erneuerbarer Energien erfolgt in der Türkei in großem Umfang durch multilaterale Fonds und Entwicklungsbanken. royalty free (iStockPhoto, Bildnr. 617896176)
Die Förderung erneuerbarer Energien erfolgt in der Türkei in großem Umfang durch multilaterale Fonds und Entwicklungsbanken.

PROBLEME DER KLIMAFINANZIERUNG

Das Pariser Abkommen deutet global auf einen schnellen Übergang in Richtung CO2-arme Volkswirtschaften hin. Um diese schnelle und strukturelle Transformation zu gewährleisten, erfordert es dringende politische Maßnahmen, Programme oder Projekte zur Verringerung der Treibhausgasemissionen und der Anpassung an die negativen Auswirkungen des Klimawandels. Diese aus internationalen, nationalen, lokalen, öffentlichen und privaten Quellen finanzierten Maßnahmen und Aktionen kann man unter dem Begriff der Klimafinanzierung zusammenfassen. Im Detail betrachtet, scheint es, dass die Ressourcen der Klimaschutzfinanzierung von ihrem eigentlichen Bedarf weit entfernt sind. Zum Beispiel stellt das Weltwirtschaftsforum fest, dass Infrastrukturinvestitionen, die in den Entwicklungsländern umgesetzt werden sollen, bis 2020 mit 5,7 Billionen US-Dollar jährlich finanziert werden müssten, damit sie „grün” sind und dem Klimawandel standhalten können.

INTERNATIONALE KLIMAFINANZIERUNG UND PRIVATWIRTSCHAFTLICHE INITIATIVEN

Wie sieht es nun in der Türkei hinsichtlich des neuen Klimaregimes aus und welchen Stand hat die Finanzierung des Privatsektors in der Türkei erreicht? Man kann sagen, dass die Türkei mit ihrer jeweils zwölf Jahre verspäteten Beteiligung sowohl an der UNFCCC (2004) als auch am Kyoto-Protokoll (2009) bis zur Zulassung des Pariser Abkommens eine Follow-up-Politik betrieben hat und es vermied – ausgehend von ihren Sonderbedingungen –, Verantwortung zu übernehmen. Die Türkei als OECD-Gründungsmitglied, EU-Beitrittskandidat und G20-Wirtschaftsmacht wurde am 24. Mai 2017 offiziell Vertragspartner des Pariser Abkommens, das als Rahmenwerk des globalen Kampfes gegen den Klimawandel dient. Der Antrag für den Erhalt von Klimafinanzierungen der Türkei, die wegen ihrer gegenwärtigen Position nicht in der Lage ist, vom Green Climate Fund als wichtigstem Verteilungsmechanismus der Klimafinanzarchitektur zu profitieren, wird mit offenem Ende weiterverhandelt. Trotz dieser unklaren Position kann man sagen, dass die Entwicklung der Klimapolitik auf nationaler und lokaler Ebene in der Türkei Parallelen zu den internationalen Trends aufweist. Die jüngsten Arbeiten haben gezeigt, dass die Entwicklung der Klimaschutzgesetzgebung in der ganzen Welt rasant vorangegangen ist, vor allem nach 2005. Infolge der in internationalen Verhandlungen entstandenen Dynamik, der legislativen Harmonisierungsbemühungen im EU-Beitrittsprozess und der von nichtstaatlichen Akteuren durchgeführten Aktivitäten gestaltet die Türkei ihre entsprechende Politik und ergreift ‒wenn auch mit etwas Verzögerung ‒ Maßnahmen und bewertet verschiedene Optionen für die Entwicklung der Kapazitäten zur Umsetzung dieser Maßnahmen.

Die Türkei profitiert bereits im Zuge der Klimastrategie und -maßnahmen von ihren eigenen öffentlichen Mitteln sowie vielen verschiedenen Quellen der Klimafinanzierung. Das Land hat Zugang zu einer breiten Palette an Finanzierungsquellen, vor allem zu EU-Strukturfonds, bilateralen und multilateralen Fonds von Entwicklungsbanken, zur Globalen Umweltfazilität(GEF) und zum Klimainvestitionsfonds (CIF). Auch der Handel mit CO2-Emissionszertifikaten kann für die Türkei, die sich in erheblichem Maß an den freiwilligen CO2-Märkten beteiligt, als Klimafinanzierung des Privatsektors betrachtet werden. Es wird geschätzt, dass auf freiwilligen CO2-Märkten des Privatsektors in der Türkei allein im Jahr 2015 mehr als vier Millionen US-Dollar Einkommen erzielt wurde. Für 2014 dürfte die klimapolitische Entwicklungsfinanzierung für die Türkei 2,4 Milliarden US-Dollar überschritten haben. Die Türkei hat 301 Millionen US-Dollar an Finanzierungen für 55 Projekte über die GEF erhalten und rund 1,2 Milliarden US-Dollar an dazugehörigen Kofinanzierungen geschaffen. Die Summe der im Rahmen des CIF erhaltenen Unterstützung betrug etwa 449 Millionen US-Dollar und etwa 4,5 Milliarden US-Dollar wurden kofinanziert. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) förderte in der Türkei 230 Projekte mit rund 9,5 Milliarden Euro, davon 97 Prozent Privatunternehmen. Diese Förderung wurde in hohem Maß in erneuerbare Energien, Energie- und Ressourceneffizienz, nachhaltige Infrastruktur sowie die Reform des Energiesektors investiert. Mechanismen wie das „türkische Finanzierungsprogramm für nachhaltige Energiewirtschaft” (TurSEFF) und das„Finanzierungsprogramm für mittelständische nachhaltige Energiewirtschaft„(MidSEFF) haben erhebliche Finanzierungsquellen zur Unterstützung des Klimaschutzes durch den Privatsektor geschaffen. Dadurch wurden Anreize für private Akteure sowie die Kapazitäten der geldgebenden Institutionen erhöht.

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Quelle: Ministerium für Energie und natürliche Ressourcen, Nationaler Aktionsplan für erneuerbare Energien

GRÜNE ANLEIHEN

Parallel zu den internationalen Entwicklungen wird auch in der Türkei die schnelle Entwicklung unterschiedlicher Klimaschutzfinanzierungsinstrumente beobachtet. Das Interesse an Green Bonds, bei denen es sich um Wertpapiere handelt, die auf internationalen Anleihemärkten zur Verwendung bei der Finanzierung des Übergangs zur CO2-armen Wirtschaft eingesetzt werden, hat zugenommen und die erste grüne Anleihe der Türkei mit 300 Millionen US-Dollar wurde herausgegeben. Es wurden einige umstrittene Schritte unternommen, um die Grundlage für die Übertragung der Privatsektorfinanzierung von Klimaschutzmaßnahmen zu schaffen. Öffentliche Institutionen evaluieren Optionen für unterschiedliche marktbasierte Mechanismen wie den CO2-Handel in Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und arbeiten die notwendigen Rechtsvorschriften aus. Die Istanbuler Börse (BIST) begann ab 2014 den Nachhaltigkeitsindex (ISE) zu berechnen und zu veröffentlichen; um den Finanzierungsbedarf für die Umwandlung in eine CO2-arme Wirtschaft zu bestimmen, wurde Privatsektor und Investoren eine wichtige Indikatorinfrastruktur zur Verfügung gestellt.

Die Untersuchung des beabsichtigten nationalen Beitrags der Türkei im Rahmen des Pariser Abkommens in den Klimaverhandlungen zeigt, dass die Grundwahrnehmung bezüglich der Klimafinanzierung auf öffentliche Mittel sowie auf den Green Climate Fund und auf marktbasierte Mechanismen beschränkt ist. Die Wahrnehmung des Privatsektors in der Türkei geht jedoch über diese Perspektive hinaus. Die Feststellung, dass insbesondere Finanzierungs- und Versicherungsinstitute die Klimafinanzierung in einem größeren Rahmen wahrnehmen, erscheint angesichts der verwirklichten Aktivitäten und Debatten als zutreffend. Wesentliche Defizite bei der Klimafinanzierung in den umgesetzten Projekten und Programmen sind der Mangel an Finanzierungsquellen sowie Unsicherheiten und Unzulänglichkeiten in der Gesetzgebung, begrenzte Kapazitäten der Akteure und die Probleme bei der Findung von finanzierenden Projektpipelines. Es ist eine wiederholte Feststellung der Finanzierungsakteure in vielen Teilen der Welt wie auch in der Türkei, dass Finanzmittel allein selten eine ausreichende Voraussetzung sind.

AUSBLICK

Zwar gibt es keinen Konsens über die Definition der Klimafinanzierung des Privatsektors in der Türkei, doch wird die benötigte Finanzierung der erforderlichen Maßnahmen für den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft und nachhaltigen Entwicklung über verschiedene Kanäle wie CO2-Preisgestaltung, -Handelssysteme, Förderung der erneuerbaren Energien, grüne Anleihen, Investmentfonds, Bankdarlehen und Zuschüsse teilweise bereitgestellt oder in naher Zukunft bereitstellbar sein. Angesichts dieser Entwicklungen kann davon ausgegangen werden, dass das durch das Pariser Abkommen neu gestaltete Klimaregime starke Signale an internationale Investoren und Finanzierungsinstitute senden wird und sich die Möglichkeiten für die Finanzierung des Privatsektors in der Türkei erhöhen, vermehren und weit verbreiten werden. Die Rolle der öffentlichen Akteure in der Türkei in diesem Prozess besteht in der Entwicklung klimafreundlicher Rechtsvorschriften und Anreizsysteme in Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren. Der Privatsektor, speziell die Finanzinstitutionen, sollten die Klimaschutzinstrumente diversifizieren, Kapazitäten für ihre effektive Nutzung entwickeln und durch eine transparente Bewertung von Klimarisiken in Investitionen und Portfolios wissenschaftlich fundierte Schritte unternehmen.

ÜBER DEN AUTOR

Arif Cem Gündoğan ist Wissenschaftler an der Middle East Technical University in Ankara.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR:

Climate Bonds Initiative 2016: Bonds and Climate Change: The State of the Market in 2016, in: http://bit.ly/2tm7von (12.07.2017).

Climate Policy Initiative 2015: Global Landscape of Climate Finance 2015, in: http://bit.ly/2tMY150 (12.07.2017).

Hamrick, Kelley/Goldstein, Allie 2016: Raising Ambition. State of the Voluntary Carbon Markets 2016, Forest Trends’ Ecosystem Marketplace, in: http://bit.ly/2uPrVKZ (12.07.2017).

Nachmany, Michal/Fankhauser, Sam/Setzer, Joana/Averchenkova, Alina 2017: Global Trends in Climate Change Legislation and Litigation: 2017 Update, Grantham Research Institute on Climate Change and the Environment, in: http://bit.ly/2uPXrs9 (21.07.2017).

Turhan, Ethemcan/Cerit Mazlum, Semra/Şahin, Ümit/Şorman, Alevgül H./Gündoğan, Arif Cem 2016: Beyond Special Circumstances: Climate Change Policy in Turkey 1992–2015, Wiley Interdisciplinary Reviews: Climate Change, Bd. 7, Nr. 3, DOI 10.1002/wcc.390, in: http://bit.ly/2tN4kp7 (12.07.2017).

UN 2015: Trends in Private Sector Climate Finance, United Nations, in: http://bit.ly/2uPtU1T (12.07.2017).

Weltwirtschaftsforum 2013: The Green Investment Report: The Ways and Means to Unlock Private Finance for Green Growth, in: http://bit.ly/2twsGZb (12.07.2017).

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6. Juli 2017
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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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