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Länderberichte

Parlamentswahlen in der Mongolei - Ergebnis offen

Obersten Verwaltungsgerichtes muß über Nachwahlen in zwei Wahlkreisen entscheiden.

Drastisch zugespitzt hat sich die innenpolitische Lage durch den Entscheid der Wahlkommission, in zwei Wahlkreisen eine Neuwahl durchführen zu lassen. Ob dem stattgegeben wird, ist bis heute nicht entschieden. Damit bleibt das Endergebnis der Parlementswahlen offen - auch tendenziell.

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Am 27. Juni 2004 fanden in der Mongolei die Wahlen zum höchsten Parlament, dem „Großen Staatskhural“, statt. Der Wahl stellten sich in 76 Wahlkreisen insgesamt 243 Kandidaten verschiedener Parteien sowie Unabhängige. 1.264.801 wahlberechtigte Bürger waren in den Wählerverzeichnissen eingetragen. Zugelassen waren insgesamt neun Parteien, wobei in der „Mutterland-Demokratischen-Koalition“ Kandidaten von drei Parteien, der Demokratischen, der Neuen Sozialistischen und der Bürgermut-Partei in einem Wahlbündnis mit gemeinsamer Liste vereinigt waren. Diese Koalition und die regierende MRVP hatten jeweils in allen 76 Wahlkreisen ihre Kandidaten aufgestellt. Dazu kamen von den Republikanern 35, der Vereinigten Nationalistischen Partei 23, den Grünen sechs sowie der Vereinigten Traditionspartei neun Kandidaten. Weitere 15 Kandidaten stellten sich als Unabhängige der Wahl. Nach dem in der Mongolei herrschenden einfachen Mehrheitswahlrecht kann nur jeweils ein Kandidat aus einem Wahlkreis Abgeordneter im Großen Staatskhural werden, womit die Zahl der Wahlkreise mit der Anzahl der im Parlament zu vergebenden Sitze identisch ist.

Schon mit Beginn der offiziell terminierten, unmittelbaren Wahlkampagnen Anfang Mai zeichnete sich ab, dass die regierende MRVP und die Mutterland-Demokratische-Koalition die Hauptprotagonisten der politischen Auseinandersetzung sein würden. Sofern in den Medien eine inhaltliche Erörterung von Wahlprogrammen überhaupt stattfand, bezog sich diese nahezu ausschließlich auf die entsprechenden Plattformen von MRVP und Koalition.

Die Wahlprogramme von MRVP und Koalition

Beide Parteien hatten zu allen wesentlichen Politikfeldern Aussagen gemacht. Die wichtigste Rolle spielten dabei Forderungen im Bereich der Sozial- und Wirtschaftspolitik. Dazu kamen Angebote für die Verbesserung der Infrastruktur sowie partiell auch zur Außenpolitik.

MRVP: Alle Familien, deren Einkommen unter dem Existenzminimum liegen, sollen einmalig 500.000 Tugrik (im folgenden Tg.) erhalten. Für jedes neugeborene Kind zahlt der Staat weitere 100.000 Tg., außerdem eine jährliche Zuwendung von 100.000 Tg. für Familien mit drei und mehr Kindern. Drei Prozent der staatlichen Einnahmen aus den Privatisierungen sollen in einen Fond fließen, aus dem hilfsbedürftige Rentner unterstützt werden. Mindestens 10.000 Familien in der Hauptstadt sollen in den Genuss von Wohnungssanierungen kommen. Darüber hinaus setzt sich die Partei für die Einführung eines garantierten Mindestlohnsystems ein. Bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung versprach die Regierungspartei ein jährliches Wachstum von mindestens sieben Prozent, die Verdoppelung der Exporte aus den Bergbauunternehmen, Erhöhung der Gemüse- und Verdoppelung der Brotproduktion. Nach internationalem Vorbild soll außerdem ein Programm für e-governance forciert und endgültig implementiert werden. Außenpolitisch stand das Versprechen im Vordergrund, die Teilnahme an den internationalen Peacekeeping-Operationen weiter zu führen, ein Freihandelsabkommen mit den USA abzuschließen sowie das dreiseitige Transitabkommen zwischen Mongolei, China und Russland umzusetzen.

Koalition: Unter den Losungen „Familienförderung“, „Neue Sozialpolitik“, „Befreiung von administrativem Druck“, „Entbürokratisierung der Wirtschaft“ sowie „Mut und Vertrauen für das Leben in einer globalisierten Welt“ zogen die Koalitionäre mit konkreten Forderungen in den Wahlkampf. Sozialpolitik: 10.000 Tg. monatlich für jedes Kind unter 18 Jahren, Wohnungsbauprogramm für 40.000 Familien, Förderung des Englisch-Unterrichts in der Schule, bessere Schulmaterialien und –lehrbücher, Verbesserung der medizinischen Ausbildung an Universitäten. Im Bereich der Administration fordert die Koalition eine klare Aufgabenformulierung für die Polizei, die Schaffung einer Antikorruptionsbehörde, die Garantie für eine wöchentliche Fragestunde des Parlaments an die Minister, Wahlrecht für die im Ausland lebenden Mongolen. In der Wirtschaftspolitik garantiert die Koalition ein jährliches Wachstum zwischen sechs und zehn Prozent, eine fünfjährige Steuerbefreiung für Hirtenfamilien, die radikale Änderung und Vereinfachung des Steuersystems, Steuerbefreiung für neue Investitionen, Förderung der ausländischen Investitionen insbesondere im Bereich der Landwirtschaft. Außenpolitisch vertritt die Koalition eine stärkere Orientierung an Südkorea und den Ausbau der Beteiligungen an Peacekeeping-Operationen. Darüber hinaus wird die mit dem MRVP-Programm gleichlautende Forderung für e-governance von dem Versprechen flankiert, die mongolischen Haushalte mit eigenen e-mail-Adressen zu versorgen.

Verlauf des Wahlkampfes

In der Wahlkampfauseinandersetzung selbst wurden die wesentlichen, o.g. Forderungen nur marginal thematisiert. Beide Seiten rückten zwar die jeweiligen Angebote im sozialen Bereich bei der Plakatwerbung in den Vordergrund. Dabei ist bemerkenswert, dass die 500.000 Tg. für Familien sowie das Kindergeld seitens der MRVP erst formuliert wurden, als bekannt war, dass die Koalition die monatlichen 100.000 Tg. für jedes Kind zum „Wahlkampfschlager“ küren wird. Die MRVP reagierte hier nur, obwohl sie gleichzeitig alle ähnlichen Forderungen seitens der Koaltion als „unrealistisch“ und „nicht bezahlbar“ bekämpfte. Aber großen Raum in der Auseinandersetzung nahm ein anderes Thema ein. Von Anfang an drängte die Koalition darauf, allen Kandidaten die gleichen Chancen im Wahlkampf zu garantieren. Fast täglich wurde in Presseerklärungen und persönlichen Statements die staatliche Wahlkommission aufgefordert, auf die Einhaltung des Wahlgesetzes zu achten.

Keine unabhängige und ausgewogene Berichterstattung in den Medien

Die Koalition vermutete zu Recht, dass die regierende MRVP auf Grund ihrer dominierenden Stellung in Regierung, Parlament und Gesellschaft den fast monopolartigen Zugriff auf Infrastruktur und Ressourcen für die eigene Wahlkampagne nutzen werde. Hauptangriffspunkt war dabei deren nahezu vollständige Beherrschung der elektronischen Medien. Fernsehen und Rundfunk sind in der Mongolei staatliche Einrichtungen. Private Sender, die als unabhängig von der Regierung gelten können, gibt es fast nicht. Lediglich in einigen entlegenen Provinzen existieren wenige kleinere Rundfunkstationen, deren Reichweiten jedoch sehr gering sind, was durch die ausgesprochen geringe Bevölkerungsdichte noch verstärkt wird. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Printmedien. Unabhängige Berichterstattung erfolgt eigentlich nur in den englischsprachigen Zeitungen, die wiederum nur von wenigen mongolischen Wählern gelesen werden können.

Dazu kommt, dass keine klaren Regelungen existieren, in welcher Weise die einzelnen Parteien und Kandidaten die – de facto - staatlichen Medien für Wahlkampfzwecke nutzen dürfen. Zwar hatte man sich auf offizielle Sendeminuten für Werbespots pro Partei geeinigt, entsprechend eines vermuteten Proporzes. Aber die MRVP konnte darüber hinaus durch ihre Monopolstellung einen nahezu ungestörten Zugriff auf diese Medien realisieren. Exzessiv wurden Nachrichtensendungen und vermeintlich „neutrale“ Berichterstattungen über die Regierungsarbeit zu Wahlkampfveranstal-tungen in eigener Sache umfunktioniert. Die Abhängigkeit der Journalisten von den verantwortlichen Redakteuren ist außerordentlich hoch. Die Schlüsselstellungen in den Redaktionen werden klar von MRVP-Leuten beherrscht.

Den Kandidaten der Koalition und unabhängigen Bewerbern für die Mandate wurde zudem der Zugang zu den Medien dadurch erschwert, dass auch politische Berichterstattung ganz offiziell nur gegen Bezahlung erfolgt. Ein Kandidat ist praktisch gezwungen, für eine Reportage über ihn mit Geld zu bezahlen. Diese Bezahlung ist Teil des offiziellen Finanzierungssystems von Rundfunk und Fernsehen. Allerdings existiert auch hier keine klare Regelung oder Gesetzlichkeit, nach der die Erstellung und Ausstrahlung einer Sendung wenigstens dann garantiert wird, wenn dafür bezahlt wurde. Dies liegt weitestgehend im Ermessen der verantwortlichen Redakteure. So berichteten einige Kandidaten der Koalition, dass sich verantwortliche Redakteure des Staatsfernsehens weigerten, überhaupt Sendungen über oppositionelle Politiker zu machen, obwohl letztere die dafür geforderten Geldbeträge zu zahlen bereit waren.

Die Nutzung staatlicher Infrastruktur für den Wahlkampf – eine „Grauzone“

Ein weiterer Schwerpunkt dieses von der Koalition immer wieder als ungerecht und einseitig empfundenen Wahlkampfes war der Zugriff auf die Infrastruktur der Ministerien und Regierungseinrichtungen. Das Voter Education Center (VOC), mit dem die KAS schon seit Jahren zusammenarbeitet, stellte in diesem Zusammenhang bereits Anfang Juni eine Studie vor. Die darin enthaltene Analyse des Wahlkampfes zwischen dem 26. April und 01. Juni brachte im Hinblick auf die Nutzung der erwähnten Infrastruktur u.a. folgende Ergebnisse, die an dieser Stelle nur exemplarisch genannt seien: Obwohl Wahlkampfveranstaltungen auf staatlichen Grundstücken und in entsprechenden Immobilien eigentlich verboten sind, wurden im genannten Zeitraum 64 solcher Meetings durchgeführt, 49 seitens der MRVP und 15 durch die Koalition. Von den insgesamt 34 Veranstaltungen, für die keine Miete bezahlt werden musste, wurden der MRVP 31 zugesprochen, der Koalition lediglich drei. Trotz der Bestimmung, dass Angestellte im öffentlichen Dienst nicht für Wahlkampfzwecke eingesetzt werden dürfen, wurden 582 solcher Mitarbeiter im direkten Wahlkampf gezählt, die etwa 3000 Stunden im Einsatz waren. 565 derartige Mitarbeiter nutzte die MRVP, lediglich 17 die Koalition. Des weiteren gibt es die Bestimmung, dass keine Dienstfahrzeuge der Regierung, der Ministerien bzw. anderer staatlicher Einrichtungen zu Wahlkampfzwecken genutzt werden dürfen. Gleichwohl wurden bei 87 Veranstaltungen insgesamt 384 solcher Fahrzeuge im unmittelbaren Wahlkampf gezählt, wobei 103 die offizielle Regierungsnummer „UBZ“ trugen. Dabei wurden 382 dieser Fahrzeuge von der MRVP genutzt, lediglich 3 von der Koalition.

Zu erwähnen wäre noch, dass laut eines Regierungsbeschlusses vom 18. Februar die Gehälter der Gouverneure der Bags, Suums und Aimags (Kommune, Kreis, Land), die fast vollständig von MRVP-Mitgliedern gestellt werden, zum Teil erheblich, rückwirkend zum 15. Februar, erhöht wurden.

Ein Wahlkampf mit vielen persönlichen Anfeindungen

Neben der Auseinandersetzung um die oben erwähnte Chancengleichheit der Kandidaten rückte bei den inhaltlichen Schwerpunkten die Vorschläge zur Familienpolitik in den Vordergrund. Dabei legte die Koalition großen Wert darauf, ihre Forderung nach einem festen Kindergeld in Höhe von monatlich 100.000 Tg. vor allem als Maßnahme zur Ankurbelung der Binnenkonjunktur verstanden zu wissen. In der Tat besteht ein großes Problem in der heutigen mongolischen Gesellschaft darin, dass eine riesige Anzahl von privaten Haushalten durch zu hohe Verschuldung und geringe Einnahmen kaum noch in der Lage ist, über den elementaren Grundbedarf hinaus zu konsumieren. Einen wichtigen Bestandteil des Wahlkampfes der Koalition nahmen darüber hinaus die Angebote für eine weitere Liberalisierung der Wirtschaft ein. Trotz der ungleichen Voraussetzungen auf Grund der oben geschilderten Disparitäten bei den zur Verfügung stehenden Ressourcen gelang es den Kandidaten der Koalition immer wieder, auch programmatische Diskussionen zu führen. Auf der anderen Seite schien die MRVP besonderen Wert darauf zu legen, sich den Wählern allgemein als verlässliche, erfahrende und solide „Staatspartei“ anzubieten. Die partiell vorgetragenen Vorwürfe von Oppositionspolitikern, es handele sich bei der MRVP um eine nur scheinbar gewandelte ehemalige kommunistische Partei versuchte man insbesondere mit dem Hinweis zu entkräften, seit dem Jahr 2002 Mitglied der Sozialistischen Internationale zu sein. Das Bündnis mit vielen sozialdemokratischen Parteien Europas wurde immer wieder betont. Auf dem Höhepunkt des Wahlkampfes war der Generalsekretär der SI bei einer MRVP-Veranstaltung zu Gast, um aktiv die Schwesterpartei zu unterstützen. Die Kandidaten der MRVP versuchten mehrheitlich, sich als staatstragende und verantwortungsbewusste Regierungspolitiker darzustellen. Allerdings spielten insbesondere auf dem Land auch Auseinandersetzungen mit betont persönlichem Charakter eine große Rolle. Dort erfolgte eine fast ausschließliche Fokussierung auf die Person des Kandidaten. Dies ist sicherlich auch eine Folge des einfachen Mehrheitswahlrechts. Bei den direkten Gesprächen mit den Wählern überwog seitens der Kandidaten die Strategie, den jeweiligen politischen Hauptgegner als Person zu diskreditieren. Die Inhalte der Wahlprogramme spielten nur eine untergeordnete Rolle. Dies wurde offenkundig von vielen Wählern als negativ empfunden, wie aus den wenigen unabhängigen Berichterstattungen hervorgeht

Die MRVP hatte den Bogen überspannt

Seit Anfang des Jahres sagten Umfragen der MRVP einen klaren und überwältigenden Wahlsieg voraus. Die Regierungspartei ihrerseits hat bis zum Wahltag die Strategie verfolgt, bei öffentlichen Statements ihrer Akteure, wie schon erwähnt, bewusst eine staatstragende Rolle in den Vordergrund zu stellen. Dabei hat die MRVP immer wieder darauf hingewiesen, dass die Wahlen hervorragend organisiert seien, die Vorbereitungen für den Wahlgang am 27. Juni würden voll und ganz nach den existierenden Gesetzen verlaufen und „illegitime Vorgänge“ könnten im Grunde genommen ausgeschlossen werden. Dabei ist zu erwähnen, dass auf Grund der übergroßen Dominanz von MRVP-Anhängern nicht nur im Parlament, sondern auch in offiziellen staatlichen Komitees und Durchführungsorganisationen die Regierungspartei in der Tat nahezu alles „im Griff“ hat. Der Wahlsieg der MRVP schien nur noch eine Frage der Höhe zu sein.

Gleichwohl mehrten sich schon während der letzten zwei Wochen des Wahlkampfes Berichte in vorwiegend englischsprachigen Zeitungen, wonach bei vielen Wählern Unmut darüber geäußert wurde, dass auch in der öffentlichen Wahrnehmung, bei Wahlplakaten, TV-Sendungen etc. die MRVP derart dominierte. In der Tat erschien auch ausländischen Beobachtern die Eigendarstellung der Regierungspartei als unangemessen, verglichen mit den wirtschaftlichen und sozialen Problemen des Landes. Nachdem in der März-Umfrage der Sant-Maral-Foundation für die Opposition ein Negativtrend registriert werden musste, änderte sich dies in der letzten Umfrage, die am 10. Juni veröffentlicht wurde. Die Kandidaten der Koalition waren im Aufwind.

Beide Umfragen wurden von der KAS gefördert.

Das vorläufige Endergebnis der Wahlen

Das vorläufige Ergebnis der Auszählungen glich einem Paukenschlag. Für die MRVP wurden 36 Kandidaten als Sieger gezählt, für die Koalition ebenfalls 36, drei unabhängige Kandidaten siegten in ihren Wahlkreisen sowie ein Kandidat der Republikanischen Partei. Vergleicht man diese Ergebnisse mit denen der vorhergegangenen Parlamentswahl im Jahr 2000, dann ist die MRVP der klare Wahlverlierer und die Koalition Gewinner. Die MRVP hatte in der Legislaturperiode von 2000 bis 2004 von den insgesamt 76 Sitzen im Parlament allein 72 inne. Die restlichen vier Sitze teilten sich DP-Politiker und unabhängige Kandidaten. Eine ernstzunehmende Opposition existierte de facto nicht. Nach mongolischem Parlamentsgesetz erhält eine Gruppierung erst ab einer Größe von acht Abgeordneten offiziellen Fraktionsstatus mit Rederecht etc.

Bei diesem - auch am 9. Juli - immer noch vorläufigen Stand wäre zunächst eine klare Patt-Situation zu registrieren. Da aber die Koalition damit rechnet, dass die drei unabhängigen Kandidaten letztendlich auf ihre Seite gehen, wäre eine Mehrheit von 39 zu 37 Sitzen zu zählen, da sich der Kandidat der Republikaner bereits im Wahlkampf offen für die MRVP ausgesprochen hat.

Nach Bekanntgabe der Auszählungen, die für die MRVP im Vergleich zur Wahl von 2000 eine verheerende Wahlniederlage bedeuteten, wurde die öffentliche Atmosphäre zunehmend vergiftet. Und es setzte ein schlagartiger Strategiewechsel auf Seiten der Regierungspartei ein. Legte man bis zum 27. Juni immer großen Wert auf die Aussage, die Wahlen wären nach allen gesetzlichen Vorgaben und Bestimmungen bestens organisiert und größere Unregelmäßigkeiten seien ausgeschlossen, so wurde jetzt das genaue Gegenteil behauptet. Schon am Montag, 28. Juni, wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale (22.00 Uhr), plädierte der Generalsekretär der MRVP, D. Idevkhten, dafür, generell Neuwahlen anzusetzen, weil massive Verstöße gegen das Wahlgesetz seitens der Oppositionspolitiker registriert worden seien. Einen Tag später präsentierte die MRVP-Führung auf einer Pressekonferenz ein Papier, das eine lange Liste angeblicher Wahlbetrügereien ausschließlich auf Seiten der Oppositionspolitiker enthielt. Die Pressekonferenz zielte in erster Linie auf internationale Journalisten und Beobachter und wurde ausschließlich in Englisch abgehalten, was sonst nicht üblich war. Die Koalition reagierte empört und vermutet, dass ihnen auf diesem Wege der Sieg noch streitig gemacht werden soll.

Wahlergebnis immer noch offen - Destabilisierung der politischen Situation

Drastisch zugespitzt hat sich die innenpolitische Lage durch den Entscheid der Wahlkommission, in zwei Wahlkreisen eine Neuwahl durchführen zu lassen. Es handelt sich um den Wahlkreis Nr. 24 im Uvurkhangai-Aimag sowie um den Wahlkreis Nr. 59 in Ulan Bator. In beiden Wahlkreisen hatten nach den ersten Auszählungen jeweils Kandidaten der Koalition gewonnen. Die dortigen regionalen Wahlkommissionen hatten allerdings entschieden, in zwei Stimmbezirken des Wahlkreises 59 und in einem Stimmbezirk im Wahlkreis 24 Neuwahlen anzusetzen. Diese Entscheidung wurde von der obersten staatlichen Wahlkommission bestätigt. Als Gründe für die Nachwahl wurden Unregelmäßigkeiten bei der Registrierung von Wählern, bei der Anzahl der in den betreffenden Wahllokalen vorhandenen Stimmzettel sowie bei der Auszählung selbst angegeben. Am 08. Juli hat daher der Vorsitzende der obersten staatlichen Wahlkommission dem Präsidenten die Wahlergebnisse von nur 74 der 76 Wahlkreisen überreicht. Bis zum 09. Juli hat das oberste Verwaltungsgericht noch nicht darüber entschieden, ob dem Beschluss der Wahlkommission für Nachwahlen stattgegeben wird.

Die Dramatik zeigt sich an folgendem, durchaus möglichen Szenario: Im Falle von Neuwahlen bestünde in beiden Wahlkreisen die Möglichkeit, dass jeweils der MRVP-Kandidat doch noch Sieger wird. Die Ergebnisse der ersten Auszählungen ergaben einen ausgesprochen knappen Vorsprung zu Gunsten der Koalitionskandidaten. Sollte dieser Fall eintreten, dann hätte die MRVP doch noch mit dann insgesamt 38 Sitzen zwar nicht die Parlamentsmehrheit, wäre aber stärkste Fraktion. Damit könnte sie den Ministerpräsidenten vorschlagen und im Falle von dessen Bestätigung durch den Staatspräsidenten mit der weiteren Regierungsbildung beauftragt werden. Da der Kandidat der Republikanischen Partei B. Jargalsaikhan, der den Wahlkreis 70 in Ulan Bator gewonnen hatte, sich bereits dahin geäußert hat, mit der MRVP-Fraktion zu stimmen und andererseits die drei Unabhängigen wahrscheinlich mit der Koalition stimmen würden, gäbe es eine rechnerische Mehrheit von 39 zu 37 Sitzen zu Gunsten des MRVP-geführten Flügels.

In den vergangenen Tagen seit der Wahl hat sich daher die Situation dramatisch zugespitzt. Eine Entscheidung über eventuelle Nachwahlen in den genannten beiden Wahlkreisen ist bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gefallen.

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Johann C. Fuhrmann

Johann C

Leiter des Auslandsbüros China - Peking

johann.fuhrmann@kas.de +86 10 6462-2207; 2208 +86 10 6462-2209

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