Asset-Herausgeber

von Norbert Lammert

Norbert Lammert über die Zukunft der Demokratie

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Herr Bundestagspräsident, welche politische Frage beschäftigt Sie nach der Bundestagswahl am meisten? Ich hätte einen Verdacht, aber vielleicht überraschen Sie mich.

Norbert Lammert: Wenn ich mich, was ich als etwas artifiziell empfinde, auf die eine Frage festlegen muss, dann ist es das Missverhältnis zwischen der objektiven Lage, in der sich unser Land befindet, und der subjektiven Wahrnehmung dieser Lage vieler, wenn auch glücklicherweise nicht aller Zeitgenossen. Mit anderen Worten: Ich kann nicht erkennen, wann sich dieses Land politisch, wirtschaftlich, ökonomisch, auch kulturell in einer besseren Verfassung befunden haben sollte als gegenwärtig. Aber wir beobachten nicht ein korrespondierend hohes Maß an allgemeiner Zufriedenheit, sondern ein erstaunliches Ausmaß an Frustration.

Manche befürchten, dass es nicht nur bei Frustration bleibt, wenn nun eine Protestpartei mit klaren nationalistischen Tendenzen in den 19. Bundestag einzieht. Schließlich könnte das Parlament als Plattform für eine völkische Agenda oder Verschwörungstheorien missbraucht werden.

Norbert Lammert: Diese Sorge habe ich persönlich nicht, sondern bin beinahe sicher, dass sich mindestens dieser Teil eines neu artikulierten oder eines mit neuen Adressen versehenen Protestbedürfnisses sehr schnell entzaubern wird. Dass die Richtungskämpfe schon vor der Konstituierung des Deutschen Bundestages zu Selbstauflösungstendenzen dieser vermeintlichen „Alternative für Deutschland“ (AfD) führen würden, überbietet selbst meine eigenen Erwartungen für einen solchen, von mir durchaus erwarteten Prozess. Wenn wir im Übrigen aber über das Festmachen von Frust, von Enttäuschung, von Protest anderer politischer Gruppierungen reden, dann muss man außer diesen, jetzt auf dem rechten Spektrum festgemachten Effekt der AfD natürlich auf der linken Seite auch die frühere PDS und SED und jetzige Linke nennen, die in ähnlicher Weise von einem erheblichen Teil ihrer Wählerinnen und Wähler nicht mit Blick auf ihre vermutete Gestaltungskraft gewählt wird, sondern als Adresse für ein Protestbedürfnis.

Die Selbstauflösungstendenzen lassen erstaunen. Aber gibt es Ihrerseits – als nach zwölf Jahren scheidender Parlamentspräsident – einen Rat, was im parlamentarischen Alltag aktiv getan werden könnte?

Norbert Lammert: Nein, und schon gar nicht öffentlich. Wenn ich das Bedürfnis gehabt hätte, mich auch in der 19. Legislaturperiode aktiv an diesem Teil parlamentarischer Urteilsbildung zu beteiligen, hätte ich wieder kandidieren müssen. Da ich mich anders entschieden habe, finde ich es nur passend, mich – wenn überhaupt – nur dann zu äußern, wenn ich gefragt werde, aber nicht, um alles von der Tribüne besser zu wissen als die Spieler auf dem Sportplatz.

Seit 1980 gehören Sie dem Deutschen Bundestag an. Sind Sie heute, kurz vor Ihrem Abschied aus dem Parlament, besorgter um den Zustand und die Zukunft der Demokratie in Deutschland als vor 37 Jahren?

Norbert Lammert: Der Vergleich ist schwierig, weil ich vor 37 Jahren 37 Jahre jünger war und man sich – wenn man um die Dreißig ist – weniger Sorgen um das eigene Land macht als vielleicht um die eigene berufliche oder familiäre Zukunftsperspektive. Zu den Kuriositäten der aktuellen Situation gehört, dass drei Viertel aller Deutschen ihre eigenen Verhältnisse für zufriedenstellend und gut geregelt halten, aber Zweifel an der Gerechtigkeit und Berücksichtigung der Interessen aller oder insbesondere offenkundig anderer haben. Wie ich eben gesagt habe, haben wir es mit einem Problem zu tun, das es in dieser Form anderswo in Europa nicht gibt, wo man sich das auch schwerlich vorstellen kann und vielleicht gern mit unseren Problemen tauschen würde. Aber wenn ich sagen würde, dass ich mir deswegen Sorgen um die Zukunft des eigenen Landes mache, müsste ich übertreiben. Denn ich schätze sowohl die Vitalität des Landes als auch die Stabilität unserer politischen Institutionen so hoch ein, dass ich keinen Zweifel daran habe, dass auch solche Turbulenzen und Herausforderungen bewältigt werden.

Der Krisendiskurs um die Demokratie verlässt die deutschen Debatten seit Jahrzehnten nicht – Krise als Normalzustand gewissermaßen. Dennoch klang die Warnung in Ihrer Abschiedsrede vor einem „Ausbluten der Demokratie“ dramatisch. Verdichten sich die Probleme doch zu einer Krise existenzieller Art?

Norbert Lammert: Ja, aber dabei geht es nicht um meine Einschätzung der Stabilität politischer Institutionen, sondern um eine Mischung aus Bequemlichkeit, bräsiger Zufriedenheit und erstaunlichem Frust.

Aber das eine lässt sich doch von dem anderen nicht trennen.

Norbert Lammert: Ja klar, sicher! Diese Stimmungslage, die nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen korrespondiert, verkennt, wie sehr eine Demokratie – im Unterschied zu anderen politischen Systemen jedenfalls – von einem Mindestmaß an Engagement seiner Bürgerinnen und Bürger lebt. Das droht, verloren zu gehen, weil es neben der Minderheit, die sich, aus welcher Art von Enttäuschung auch immer, abwendet, eine viel größere Zahl von Menschen gibt, die die Verhältnisse für so gut geordnet einschätzen, dass sie sich für hinreichend entschuldigt halten, sich selbst darum nicht mehr kümmern zu müssen.

Ist eine offene und selbstkritische Debatte über die Demokratie möglicherweise auch deshalb schwierig, weil man befürchten muss, destruktive oder resignative Einstellungen noch größer zu machen, als sie in Wahrheit sind?

Norbert Lammert: Na ja, es gibt halt Übertreibungen in die eine wie in die andere Richtung. Der Eindruck der Verweigerung einer Debatte trägt erheblich zu dem Frust bei, der sich wiederum die Adressen sucht, von denen man lautstark die Artikulation des vermeintlich Unterdrückten und Verdrängten erwartet. Und nun – wie in kommunizierenden Röhren – wird die eine Übertreibung durch die nächste ersetzt und fokussiert die gesamte mediale, teilweise auch internationale Öffentlichkeit auf das Teilergebnis einer Bundestagswahl, das man erstens auch als eine mindestens Acht-Zehntel-Mehrheit der Wählerinnen und Wähler für demokratische Parteien oder zweitens als eine Ergänzung der neunzehn Mitgliedsländer der Europäischen Union lesen kann, in denen es seit Jahren rechtspopulistische Parteien in Parlamenten gibt, nämlich um Deutschland, das bisher zu den wenigen Ausnahmen von dieser Regel gehörte. Es wird aber weder die eine noch die andere Relativierung prominent vorgetragen, sondern nur die befürchtete Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte, die, wenn man denn Zäsuren sucht, jedenfalls nicht die einzig bedeutende wäre, die es in den letzten Jahren festzuhalten lohnt.

Auch international entwickelt sich die Debatte über Demokratie und Freiheit nicht zum Besten: „Rückkehr der Autokraten“, „Postdemokratie“ sind nur zwei Stichworte. Von der Vorstellung eines weltweiten Triumphes der Demokratie, wie sie nach 1989 herrschte, sind wir gefühlte Lichtjahre entfernt. Inzwischen meinen die meisten, ein demokratisches Rollback zu erleben. Halten Sie das positive Narrativ über Globalisierung und Demokratie für beendet – möglicherweise mit der Konsequenz, unseren universellen Anspruch auf Geltung von Demokratie und Menschenrechten einmotten zu müssen?

Norbert Lammert: Nein, ganz sicher nicht. Aber wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass auf dem Boden der europäischen Zivilisation über Jahrhunderte gewachsene Orientierungen ganz selbstverständlich universale Geltung hätten. Spätestens mit dem 21. Jahrhundert und den unter dem Sammelbegriff Globalisierung stattgefundenen Veränderungen ist die Zeit vorbei, in der sich Europa mit Aussicht auf Erfolg als natürliches Zentrum der Welt begreifen konnte. Nicht nur die zahlenmäßigen Relationen haben sich dramatisch zulasten Europas und zugunsten anderer Weltregionen verschoben, sondern auch die wirtschaftlichen Gewichte verschieben sich tendenziell immer stärker und haben sich teilweise schon deutlich verschoben. Deswegen finde ich gerade vor diesem Hintergrund das leider nicht eingebildete Rollback in einer Reihe europäischer Staaten, weg von einer Vergemeinschaftung der Bewältigung von Herausforderungen zurück zu einem nationalen Alleingang, im wörtlichen Sinne anachronistisch. Das ist eine Orientierung, die aus der Zeit gefallen ist. An allen großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, und mit „wir“ meine ich jetzt die Europäer in Gestalt der Deutschen, der Engländer, der Franzosen, der Spanier, der Luxemburger, der Belgier oder der Balten, lässt sich mühelos zeigen, dass sie als Nationalstaat nicht bewältigt werden können.

Sie appellieren hier an die Vernunft. Aber wie sollte man mit den dunklen Prophezeiungen von Rechtspopulisten – etwa der „Islamisierung des Abendlandes“ – umgehen?

Norbert Lammert: Ich habe schon im Allgemeinen Mühe mit Prophezeiungen. Diese setzen nicht nur seherische Gaben bei den Propheten voraus, sondern auch eine Schicksalsergebenheit bei den Adressaten der Prophezeiung – was mir beides fremd ist. Ich kann sie als Phänomen registrieren, aber ich kann sie eigentlich als denkender Mensch nicht nachvollziehen.

Die Befürchtung einer „Islamisierung des Abendlandes“, die nicht nur mit Blick auf die Zahlen eine groteske Verzerrung einer stattfindenden Entwicklung darstellt, wird nur dann wenigstens halbwegs logisch plausibel, wenn sie von einer parallelen Entchristianisierung des Abendlandes ausgeht. Der Anteil der Menschen, die für diesen zweiten Teil einer befürchteten oder erwarteten Entwicklung verantwortlich sind, ist aber um ein Vielfaches größer als der Kreis derjenigen, denen man diese „Islamisierung des Abendlandes“ zutraut.

Sie sagen, dass sich diejenigen, die dieser vielfachen Mehrheit angehören, zu klein machen?

Norbert Lammert: Sie machen sich nicht nur zu klein, sie machen es sich auch zu einfach, was das logische Abtreten der eigenen Verantwortung angeht, um dann auf einer vermeintlich „grünen Wiese“ ein Naturereignis zu betrachten und zu beschwören, als hätte man damit nichts zu tun.

Rechtspopulisten schüren mit dunklen Prophezeiungen Ängste. Wenn wie in Michel Houellebecqs „Soumission“ Intellektuelle literarische Untergangsszenarien entwerfen, wird das teilweise gefeiert. Worin liegt der Unterschied? Sehen Sie – was das Buch betrifft – auch positive Aspekte?

Norbert Lammert: Ja, die sehe ich durchaus. Die Kunst im Allgemeinen und die Literatur im Besonderen hat nicht nur eine eigene Legitimation, sondern sie hat auch eine eigene Kompetenz, sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen in einer anderen Weise auseinanderzusetzen, als das Schulen, Parlamente oder Regierungen oder gar Gerichte tun müssten.

Ich persönlich finde mich als denkenden Zeitgenossen solcher literarischen Auseinandersetzungen am ehesten angesprochen, wenn sie mich herausfordern und zwingen, die angereichte Conclusio des Autors oder des Regisseurs zu hinterfragen: Ist das eigentlich richtig oder maßlos überzeichnet? Das ist immer subjektiv – und ich würde da auch keinen Verallgemeinerungsanspruch erheben –, weil andere natürlich zu einer völlig anderen Wertung kommen können. Das Buch von Houellebecq und insbesondere auch die zu Recht gefeierte Inszenierung mit Edgar Selge in der Titelrolle fand ich aufklärend und erhellend. Aber glücklicherweise hat die Literatur genauso wenig einen Monopolanspruch wie die Politik, sondern kann und soll zur Deutung beitragen – allerdings nicht im Sinne von Prophezeiungen oder Erweckungserlebnissen, sondern in der Eröffnung von analytischen Zugängen, die einer Gesellschaft helfen, mit neuen wie mit alten Phänomenen sortierend umzugehen.

Haben wir als christliche Demokraten noch Träume, die groß genug sind, um sie den oftmals überwältigenden Albträumen – denken Sie an die atomaren Drohgebärden zwischen Nordkorea und den USA – entgegensetzen zu können?

Norbert Lammert: Das ist eine leider gute Frage. Wenn ich mich einmal selbst aus meiner Dresdner Rede zum 3. Oktober 2016 zitieren darf: Wir haben in Deutschland nicht das Paradies auf Erden, aber Millionen Menschen, die irgendwo sonst auf diesem Globus von einer besseren Zukunft träumen, vermuten das Paradies auf Erden nirgendwo häufiger als bei uns.

Wenn wir die inzwischen zwei Generationen währende deutsche Nachkriegsgeschichte betrachten, sind so viele Träume wahr geworden, die die Gründergeneration Ende der 1940er-Jahre für völlig unrealistisch hielt, dass das schon wieder einen Teil des Übermutes erklärt, mit dem wir uns vorhin beschäftigt haben. Nichts ist schwieriger, das sagt mir meine politische Lebenserfahrung, als für eine stabile Demokratie im Normalzustand Leidenschaften zu erzeugen. Ausnahmezustände erzeugen ihre eigene Dynamik und Begeisterungsfähigkeit. Aber hier appelliere ich wiederum an den Verstand und nicht an den Bauch: Wir können uns doch nicht ernsthaft Ausnahmezustände als Dauerzustände wünschen, um auch für satte Demokraten Begeisterung zu erzeugen.

Im Getümmel der Koalitionsbildung wird der Vorwurf der Visionslosigkeit, vielleicht sogar der fortgesetzten Visionslosigkeit, nicht ausbleiben. Was ist von Visionen zu halten? Welche Bedeutung haben sie in der Politik? Wir alle kennen ja Helmut Schmidts Diktum: „Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen!“.

Norbert Lammert: Mir reicht es völlig aus, wenn ich von Leuten, die sich für Ämter bewerben und um meine Stimme werben, den Eindruck habe, dass sie wissen, wofür sie dieses Mandat eigentlich erteilt bekommen wollen. Mit anderen Worten: Ich erwarte von ihnen nicht eine Fortschreibung von Thomas Morus’ „Utopia“ für das 21. Jahrhundert. Das war zweifellos eine Vision, die sich, wie wir heute auch genauer wissen, als wirklichkeitsfremd herausgestellt hat.

Zum Glück!

Norbert Lammert: … und deswegen ist mein persönlicher Anspruch viel bescheidener. Aber darunter, finde ich, darf es dann auch nicht gehen. Die Verwaltung des Status quo reicht nicht einmal als Aufgabenbeschreibung einer Administration aus. Für politische Führung greift sie sicher zu kurz. Politik, Parteien, politische Institutionen und schon gar Menschen, die sich für wichtige Ämter zur Wahl stellen, müssen den plausiblen Nachweis führen können, dass sie wissen, was sie mit ihrem Amt eigentlich anstellen wollen. Sie müssen nachvollziehbare Ziele verfolgen, und sie müssen sich die regelmäßige Frage gefallen lassen, ob sie eigentlich noch auf dem Weg zu diesem Ziel sind, ob sich die dafür bisher in Anspruch genommenen Mittel als

tauglich erweisen.

Der kürzlich verstorbene Heiner Geißler fand, dass der Satz von Helmut Schmidt „großen Schaden angerichtet“ habe. Ohne visionäre Entwürfe und Konzepte gebe es seiner Meinung nach keinen Fortschritt. Wie viel Platz ist in der Politik für Weltverbesserer? Wie will man junge Menschen für Politik gewinnen, ohne den Schwung einer großen Idee?

Norbert Lammert: Als junger Abgeordneter und junger Parteivorsitzender im Ruhrgebiet habe ich von Heiner Geißler viel gelernt. Er war für mich nicht nur einer der wichtigsten Wegbegleiter, sondern gab Orientierung, ein Vorbild für mich, selbst wenn sich das ein bisschen zu schwülstig anhört. Aber ich setze dem Schmidt-Zitat die spekulative Vermutung gegenüber: Wenn der kritisierte Satz nicht von Helmut Schmidt gestammt hätte, hätte er auch von Heiner Geißler formuliert werden können.

Können Sie das näher erklären?

Norbert Lammert: Will ich eigentlich nicht. So viel Phantasie traue ich dem Leser zu, einschließlich der damit verbundenen Verunsicherung. Ich glaube, dass Heiner Geißler das, was ich zuvor gesagt habe, Satz für Satz unterschreiben würde: Politiker müssen etwas wollen und müssen sich auch befragen lassen. Und wenn sie keine Ziele haben, dann sollen sie nicht antreten und, und, und. Als Generalsekretär der CDU setzte Heiner Geißler etwas Profiliertes dagegen, wenn irgendeiner etwas Profiliertes sagte. Deswegen behaupte ich, wenn nicht ausgerechnet Schmidt diesen Satz gesagt hätte, hätte er auch von Geißler stammen können, man hätte ihm oder der CDU nur mangelnde Visionen vorwerfen müssen.

„Dein Reich kommt, wenn dein Wille geschieht, auch auf Erden“, so lautet Ihre Textfassung für das „Vaterunser“ in der Neuvertonung der „Deutschen Messe“ vom Komponisten Stefan Heucke. Wie viel christlicher Hoffnungsmut und wie viel politischer Realismus spiegelt diese Textvariante wider?

Norbert Lammert: Das „Vaterunser“ ist kein politisches Programm, weder ein Grundsatz- noch ein Wahlprogramm, es ist ein Gebet, und es ist auch nicht irgendein Gebet, sondern das Gebet. Meine Übersetzung ist ein Versuch, sich mit seinen Botschaften auseinanderzusetzen – oder ich sage es mal umgekehrt: Ich will mit meiner Übertragung eines vertrauten Textes in eine zum Widerspruch reizende neue Version ja gerade nicht den Anspruch erheben, einen bisher ständig missverstandenen Satz nun endlich in die korrekte Fassung zu bringen. Sondern ich will auch in diesem Zusammenhang an die Verantwortung von Christen für die ihnen übertragene Schöpfung erinnern und deswegen aus der für mich leicht passiv überinterpretierten tradierten Aussage „Dein Reich kommt“ – wie schön! Darauf müssen wir eigentlich nur warten – eine aktive Botschaft entwickeln, dass wir einen Auftrag haben. Visionäre Zustände kommen nur dann, wenn wir sie herstellen.

Die Fragen stellte Bernd Löhmann am 27. September 2017.

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Norbert Lammert, geboren 1948 in Bochum, Sozialwissenschaftler, von 1998 bis 2002 kultur- und medienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, von 2005 bis 2017 Präsident des Deutschen Bundestages.

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