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Quo vadis, Kuba?

Experten aus Politik, Medien, Wirtschaft und Recht diskutierten in Köln über die aktuelle Lage und Perspektiven für die Karibikinsel.

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Seit Jahren erfährt der interessierte Zeitungsleser von vermeintlichen Schritten hin zu einer wirtschaftlichen Öffnung in Kuba. Am Ende der Regierungszeit von Barack Obama als US-Präsident standen die Zeichen auf Annäherung an die USA. Mit dem Rückzug Raúl Castros aus dem Amt des Staatspräsidenten wird ab 2018 zum ersten Mal seit Jahrzehnten ein Nicht-Castro diese Position bekleiden. Sind dies bereits richtungsweisende Schritte für die Entwicklung der Karibikinsel oder täuschen diese Nachrichten über die wahren Verhältnisse vor Ort hinweg? Die Konrad-Adenauer-Stiftung hatte am 1. Dezember 2017 gemeinsam mit dem Lateinamerikaverein (LAV), der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) und dem Latino Hub Rheinland kubanische und deutsche Experten eingeladen, um diesen Fragen nachzugehen.

Seit 2014, so schilderte es Boris González Arenas, Sprecher des kubanischen Oppositionsbündnisses MUAD (Mesa de Unidad de Acción Democrática), habe sich der Spielraum für die politische Opposition in Kuba wieder verengt. Bei den jüngsten Kommunalwahlen habe die Regierung auf vielfältige Art und Weise die Teilnahme oppositioneller Kandidatinnen und Kandidaten verhindert und sei nicht bereit gewesen, die Macht auch nur in einer einzigen Kommune abzugeben. Der Abschied Raúl Castros vom Präsidentenamt im kommenden Jahr, ergänzte Pablo Díaz Espí, Leiter der unabhängigen Zeitung „Diario de Cuba“, werde wahrscheinlich einen Strohmann auf diesen Posten bringen, um davon abzulenken, dass Raúl und weitere Familienmitglieder weiter die Zügel in Militär, Geheimdienst, Polizei und wichtigen Wirtschaftsektoren in der Hand hielten und sich Kuba in diesem Punkt immer mehr dem nordkoreanischen Modell annähere.

Auch die wirtschaftliche Lage habe sich seit 2014 eher verschlechtert, teilte seine Einschätzung Justus Vitinius, der für die DEG erst kürzlich Kuba besucht hatte. Kuba sei für deutsche Unternehmen nach wie vor ein sehr schwer zu erschließender Markt. Dies trotz der merklichen Änderungen, die es in der Wirtschaft nach der Machtübergabe von Fidel zu Raúl Castro durchaus gegeben habe. Frank Seifert, Vorsitzender der Deutsch Kubanischen Juristenvereinigung , unterstrich in seinem Beitrag, dass diese vom Aufkommen privat betriebener Restaurants bis hin zu Ansätzen für Investorenschutz durch Schiedsgerichte reichten. Herr González Arenas bestätigte, dass es mittlerweile drei Arten von wirtschaftlichen Akteuren in Kuba gebe: Zum einen können Kubaner nun in einer begrenzten Zahl von Berufen selbstständig arbeiten (sogenannte „cuentapropistas“).

Des Weiteren agieren in großen Teilen der Wirtschaft weiter kubanische Staatsunternehmen. Schließlich hat sich Kuba für große ausländische Unternehmen geöffnet, die auf der Insel Handel betreiben und investieren. Diese Investoren stehen jedoch vor einer Reihe von Problemen. Die zunehmend schlechte Zahlungsmoral des kubanischen Staates, der Mangel an kompetenten Zulieferern und der kaum vorhandener Binnenmarkt sind nur ein Teil der Schwierigkeiten. Immer wieder kollidieren die politischen und ideologischen Ansprüche des Regimes mit Maßnahmen, die eigentlich für den Ausbau der Attraktivität als Unternehmensstandort wichtig wären. Ein schnelles und freies Internet würde automatisch eine Erosion des politisch-medialen Monopols der Regierung bedeuten. Das Selbstverständnis des Regimes als sozialistischer Staat führe zudem dazu, dass ausländische Firmen ihre Arbeiter nicht direkt, sondern nur über eine zentrale staatliche Agentur anwerben dürfen, die einen Großteil des Lohns einbehält: im Grunde ein staatlich organisiertes Ausbeutungssystem, wie Pablo Díaz Espí festhielt. Ob es unter diesen Umständen moralisch vertretbar sei, in Kuba zu investieren oder – wie aus dem Publikum gefragt – seinen Urlaub auf der Insel zu verbringen, bezeichnete Boris González Arenas als Abwägungsfrage, die keine eindeutige Antwort kenne.

Am Ende der von Lateinamerika-Expertin und WELT-Journalistin Dr. Hildegard Stausberg moderierten Diskussion wurde deutlich, dass es einerseits unter Führung von Raúl Castro seit 2006 sichtbare Veränderungen gegeben hat, dies aber nicht den Blick darauf verstellen kann, dass Kuba im Kern eine von der Castro-Familie und dem Militär dominierte Diktatur bleibt, in der auch die ökonomische Öffnung immer wieder an ihre Grenzen kommt, wenn sie mit dem politisch-ideologischen Fundament des Regimes in Widerspruch gerät. Das Lagebild auf Kuba ist somit äußert gemischt und baldiger Fortschritt alles andere als ausgemacht. Pablo Díaz Espí brachte das Dilemma auf den Punkt: Die Notwendigkeit von Reformen sei groß, der Veränderungswille der Regierung aber gehe gegen Null.

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