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Auslandsinformationen

Weitere Bühne im Wettstreit der Großmächte?

von Peter Rimmele, Philipp Huchel

Wie China, Indien und die USA im Indischen Ozean um Einfluss ringen

Weil seine geopolitische und geoökonomische Bedeutung immer weiter zunimmt, droht der Indische Ozean zur nächsten Bühne der Rivalitäten zwischen den Großmächten Indien, USA und China zu werden. Neben dem Pazifik ist der Indische Ozean damit auch möglicher Schauplatz eines potenziellen Konfliktes zwischen alten und neuen Großmächten. Doch auch die Europäische Union und besonders Deutschland sollten sich stärker für ihre Interessen im Indischen Ozean einsetzen.

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Ein Soldat der indischen Marine läuft die Gangway zu seinem Schiff hinauf.

Während zur Zeit des Kalten Krieges vor allem der Atlantik und Pazifik als entscheidende Räume der geopolitischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Großmächten USA und Sowjetunion galten, ist im 21. Jahrhundert mit dem (Wieder-)Aufstieg Asiens, insbesondere Chinas und Indiens, ein wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Bedeutungszuwachs des Indischen Ozeans einhergegangen. Für einige Beobachter gilt der Indische Ozean als wichtigstes Weltmeer des 21. Jahrhunderts, als „Center Stage for the Twenty-first Century“. Das dem ehemaligen amerikanischen Admiral Alfred Thayer Mahan zugeschriebene Zitat „Whoever controls the Indian Ocean dominates Asia. (…) In the twenty-first century, the destiny of the world will be decided on its waters“ scheint auf den ersten Blick die Relevanz des Indischen Ozeans zu überschätzen. Diese Aussage trägt jedoch durchaus der wachsenden geoökonomischen und geopolitischen Bedeutung Rechnung und hat das strategische Denken von Entscheidungsträgern in China und Indien geprägt.

Seine besondere geopolitische Bedeutung erlangt der Indische Ozean durch seine Rolle als Transitzone für die Handelsströme der Weltwirtschaft sowie durch seine schmalen, leicht zu kontrollierenden Zugänge. Diese maritimen Nadelöhre sind nicht nur bedeutend für den Handel, sie sind auch kritische Punkte für die globale Energiesicherheit. Die zwei wichtigsten „maritime oil chokepoints“ befinden sich im Indischen Ozean: die Straße von Hormuz und die Straße von Malakka, durch die 2015 täglich 17 Millionen Barrel bzw. 15,5 Millionen Barrel Öl transportiert wurden, was einem Anteil von 30 bzw. 26 Prozent des weltweiten Handels mit Öl auf dem Seeweg entspricht. Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Indischen Ozeans werden gleichzeitig immer mehr Akteure in der Region aktiv. So hat der sprunghafte Anstieg von Piraterie vor der Küste Somalias ab 2005 gezeigt, wie verletzlich der internationale Seehandel ist, und eine Vielzahl von Nationen dazu bewegt, sich militärisch in der Region zu engagieren. Auch Deutschland hat sich seit 2008 an der Anti-Piraterie-Operation Atalanta zum Schutz der freien Seefahrt vor der Küste Somalias beteiligt. In den letzten Jahren ist vor allem China in der Region wirtschaftlich aktiver geworden und hat in jüngster Vergangenheit wohl auch zum Schutz von Investitionen und Interessen seine militärischen Aktivitäten deutlich ausgeweitet. In Indien wird dies als zunehmende Bedrohung eigener Interessen wahrgenommen, was zu einem Ausbau der wirtschaftlichen und militärischen Aktivitäten Indiens sowie einer verstärkten Zusammenarbeit mit anderen Staaten geführt hat. Und auch andere Staaten, wie beispielsweise die USA, Japan, Australien und Frankreich, wollen ihr Engagement angesichts zukünftiger Rivalitäten zwischen den Großmächten ausweiten oder haben dies bereits getan.

Der Indische Ozean ist für Deutschland aufgrund seiner exportorientierten Wirtschaft von enormer Bedeutung, da das Land auf einen freien Seehandel und den ungehinderten Zugang zu den Absatz- und Rohstoffmärkten in Asien angewiesen ist. Die zunehmende Rivalität im Indischen Ozean zwischen den aktiver werdenden Großmächten in dieser Region bedroht die maritime Sicherheit und damit Deutschlands wirtschaftliches und sicherheitspolitisches Interesse an der Aufrechterhaltung maritimer Versorgungswege. So hielt auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seinem Staatsbesuch in Indien im März 2018 in einem Interview fest, dass Deutschland „als global agierende Handelsmacht (…) ein überragendes Interesse an Frieden und Stabilität (…), immer stärker auch für einen offenen, sicheren Indischen Ozean“ hat. Die strategische Priorität Deutschlands sollte es daher sein, sicherheitspolitische Kooperationen mit Partnerländern in der Region auszubauen und, wie im „Weißbuch zur Sicherheitspolitik“ von 2016 festgehalten, für den Aufbau und die Weiterentwicklung „ordnungsstiftender Vereinbarungen und Institutionen“ im Indischen Ozean zu sorgen und sich auch aktiv an deren Aufrechterhaltung zu beteiligen. Während die geostrategische Bedeutung des Indischen Ozeans immer weiter zunimmt und dieser neben dem Pazifik immer mehr zur Bühne von Auseinandersetzungen zwischen den Großmächten zu werden droht, sind demnach etablierte Institutionen zur Konfliktvermeidung von immenser Bedeutung.

70 Prozent des weltweiten Handels mit Öl passieren die Seewege des Indischen Ozeans.

Wachsende wirtschaftliche Bedeutung des Indischen Ozeans

Die wirtschaftliche Bedeutung des Indischen Ozeans wird in den kommenden Jahren weiter anwachsen, obwohl dieser bereits jetzt als „the world’s preeminent energy and trade interstate seaway“ gilt. Gegenwärtig passieren etwa 50 Prozent des weltweiten Containerverkehrs und 70 Prozent des weltweiten Handels mit Öl die Seewege des Indischen Ozeans. Knapp 30 Prozent des weltweiten Handelsgeschäfts werden in dessen Häfen abgewickelt. Die hohen wirtschaftlichen Wachstumszahlen in den Anrainerstaaten – exemplarisch dafür steht das voraussichtliche Wachstum Indiens 2018 mit 7,4 Prozent – deuten darauf hin, dass die Bedeutung des Handels in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter zunehmen wird. Insbesondere Indien ist auf den Handel über den Ozean angewiesen, da es aufgrund seiner geografischen Lage mit dem blockierten Zugang in Richtung Westen durch Pakistan und den Himalaya im Norden davon abhängig ist, 80 Prozent seines Öls über den Indischen Ozean zu importieren und 95 Prozent seines Handelsvolumens ebenfalls über diesen Seeweg zu verschiffen. Mit Blick auf den Handel zwischen den Anrainerstaaten wird jedoch auch deutlich, dass dieser lediglich 20 Prozent der Handelsaktivitäten im Indischen Ozean ausmacht und dass für Länder außerhalb dieser Region, insbesondere für Europa sowie die ostasiatischen und pazifischen Staaten, der Indische Ozean von enormer Bedeutung für ihre Handelsbeziehungen ist. Demnach werden Handelsabkommen, beispielsweise das der EU mit Japan und Südkorea oder das geplante Abkommen zwischen der EU und Indien, diese Hauptschlagader des Welthandels zukünftig weiter anschwellen lassen.

Auch für die Energiesicherheit spielt der Indische Ozean eine enorme Rolle. Durch die Straße von Hormuz, die den Persischen Golf mit diesem verbindet, fließen täglich nicht nur knapp 30 Prozent des weltweiten Seehandels mit Öl, sondern ebenfalls 30 Prozent des auf dem Seeweg gehandelten Flüssiggases. 80 Prozent davon gehen in die asiatischen Märkte, wobei China, Japan, Indien, Südkorea und Singapur die größten Abnehmer sind. Die Straße von Malakka, gelegen zwischen Indonesien, Malaysia und Singapur, verbindet den Indischen Ozean mit dem Südchinesischen Meer und dem Pazifischen Ozean. Für China stellt diese das wohl wichtigste Nadelöhr dar, da rund 80 Prozent der chinesischen Erdölimporte durch die Straße von Malakka transportiert werden. Doch nicht nur für China ist diese Verbindung von enormer Bedeutung, sondern für eine Vielzahl von Ländern, da rund die Hälfte der weltweit operierenden Schiffe einen Umweg nehmen müssten, sollte die Straße von Malakka gesperrt sein. Dass die Bedeutung der Straßen von Hormuz und Malakka eher zu- als abnehmen wird, ist auch dem wachsenden Energiebedarf Chinas und Indiens geschuldet. Um das Jahr 2030 wird China die USA als weltgrößten Ölverbraucher wahrscheinlich überholen. Und für Indien gilt, dass sein Ölverbrauch ab 2025 stärker als der Chinas wachsen wird.

Der Indische Ozean verfügt über große Fischbestände und Bodenschätze.

Neben seiner hohen Bedeutung als Transitzone für Handelsgüter und Energieträger verfügt der Indische Ozean auch über große Fischbestände und Bodenschätze. Zwischen 1950 und 2010 hat sich der Fischertrag mit 11,5 Millionen Tonnen mehr als verdreizehnfacht und die Aquakultur in der Region ist seit 1980 um das Zwölffache gewachsen. Zwar sind die küstennahen Regionen größtenteils überfischt, jedoch sind vor allem in der Tiefsee noch große Fischbestände vorhanden. Außerdem sind beträchtliche Mineralressourcen auf dem Meeresboden zu finden. Neben Manganknollen, die Nickel, Kobalt und Eisen enthalten, sind im Indischen Ozean auch Sulfidablagerungen vorhanden, die Kupfer, Eisen, Zink, Silber und Gold beinhalten. Auch verschiedene Seltene Erden sind im Indischen Ozean vorhanden, selbst wenn deren Gewinnung heute noch nicht kommerziell durchführbar ist. Unter anderem sind China und Indien bei der Erkundung und Ausbeutung dieser Ressourcen aktiv und auch Deutschland führt seit 2015 Erkundungen von Sulfidvorkommen im südwestlichen Teil des Indischen Ozeans durch.

Zunehmende geoökonomische Konkurrenz durch Konnektivitätsinitiativen

Vor allem die Etablierung von Initiativen für eine verbesserte Konnektivität in der Region des Indischen Ozeans verändert das wirtschaftliche und politische Gesamtbild der Region derzeit nachhaltig. Die Nutzung des wirtschaftlichen Potenzials, die Beseitigung des bisherigen Mangels an Infrastrukturinvestitionen, eine stärkere ökonomische Integration und der Gewinn an Einfluss sind Ziele dieser Initiativen. Die Hauptakteure sind dabei China und Indien, was zu einem verstärkten geoökonomischen Wettbewerb zwischen den beiden Ländern geführt hat.

Die Maritime Seidenstraße Chinas

Die derzeit wohl bedeutendste Konnektivitätsinitiative wurde 2013 von China ins Leben gerufen. Die sogenannte Maritime Seidenstraße ist eine Entwicklungsstrategie zur Förderung der Infrastrukturkonnektivität in Südostasien, Ozeanien, dem Indischen Ozean und Ostafrika zugunsten chinesischer Interessen. Diese ist die maritime Komponente der Belt and Road Initiative (BRI), welche sich in ihrer anderen Komponente an Land auf die Infrastrukturentwicklung in Zentralasien in Richtung Europa konzentriert. Dabei überlappen sich wirtschaftliche und strategische Interessen Chinas. Letztlich ist das Ziel die Stärkung des eigenen Einflusses in Asien. Aus ökonomischer Perspektive erhofft sich China unter anderem eine Steigerung seines Exports, die Öffnung bestehender oder neuer Märkte, den Export chinesischer technischer Standards, eine Senkung der Transportkosten durch verbesserte Konnektivität und die Möglichkeit, Überkapazitäten zu beseitigen. Politisch und strategisch sollen unter anderem eine Anbindung der bisher wirtschaftlich schwachen chinesischen Westregionen erreicht, Versorgungswege verkürzt und die Abhängigkeit von einem Transport durch Nadelöhre, wie die Straße von Malakka, reduziert werden. Außerdem ist es der Versuch Chinas, eine stärkere Anbindung der Staaten an sich zu erreichen und eine regionale Führungsrolle zu übernehmen. Als Mittel setzt China dafür massive Investitionen sowie den Ausbau von Hafenanlagen, den Bau von Öl- und Gaspipelines sowie Infrastrukturprojekte entlang seiner maritimen Versorgungsrouten ein. Von Kritikern des Projekts wird sowohl die Frage nach der Wirtschaftlichkeit derartiger Projekte aufgeworfen als auch, ob diese lediglich den geopolitischen Absichten Chinas dienen. Dabei steht unter anderem die Befürchtung im Raum, dass China ursprünglich für kommerzielle Zwecke geplante Anlagen auch militärisch nutzen könnte. Zusätzlich wird auch kritisiert, dass diese Großinvestitionen in der Art strukturiert sind, um diese als Hebel einzusetzen und damit Einfluss auf die Innen- und Außenpolitik hoch verschuldeter Empfängerländer auszuüben.

Abb. 1: Konnektivitätsinitiativen Chinas und Indiens

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Quelle: Eigene Darstellung nach Center for Strategic & International Studies (CSIS).

Wie stark sich dabei ökonomische und strategische Absichten überschneiden, wird an einer Reihe von Infrastrukturinvestitionen deutlich. Der Ausbau des Hafens von Gwadar in Pakistan ist Teil des China-Pakistan Economic Corridor (CPEC), der die chinesische Provinz Xinjiang mit dem Indischen Ozean verbinden soll, um damit eine bessere Anbindung der Provinz zu erreichen und deren Wirtschaft zu fördern. Gleichzeitig aber befindet sich der Hafen geografisch nahe an der Hauptversorgungslinie für Chinas Erdölimporte aus dem Persischen Golf. Dieser kann trotz der offiziellen Verlautbarungen, lediglich einem wirtschaftlichen Zweck zu dienen, auch durch die chinesische Volksbefreiungsarmee militärisch genutzt werden, was bereits der Fall war. Auch in anderen Häfen, in die China investiert hat und angekündigt hatte, diese ausschließlich wirtschaftlich zu nutzen, folgten Besuche und Statio‑nierungen von Kriegsschiffen und U-Booten, etwa im Hafen von Colombo oder in Dschibuti.

Im Seidenstraßen-Projekt überschneiden sich Chinas wirtschaftliche und strategische Interessen.

Die hohen Zinssätze für chinesische Kredite haben dazu geführt, dass eine Reihe von Staaten durch die Seidenstraßen-Projekte bei China hochverschuldet ist. Das Paradebeispiel wie China diese Verschuldung nutzen kann, um mehr Rechte und damit mehr Kontrolle zu erlangen, hat sich in Sri Lanka gezeigt. Dort hat die Regierung auf Drängen Chinas die Schulden in Eigentumsanteile am Hafen von Hambantota umgewandelt und diesen für 99 Jahre an China vermietet, wodurch China letztlich die komplette Kontrolle über das zuvor finanzierte Infrastrukturprojekt erhält. Ähnliche Fälle haben sich auch bei den Investitionen in den Ausbau der Hafenanlagen von Gwadar in Pakistan, Payra in Bangladesch, Kyaukphyu in Myanmar sowie auf den Malediven ereignet. Dies bestätigt letztlich die von Kritikern zuvor genannte Befürchtung, China könnte über die gewährten Kredite Druck auf die verschuldeten Staaten ausüben. Der zunehmende Druck durch China zeigt sich auch darin, dass bei der Ausschreibung von Verträgen in diesen Hafenanlagen nur chinesische Firmen berücksichtigt werden, wodurch ein freier und fairer Wettbewerb praktisch ausgeschlossen ist.

Die fragmentierte Reaktion Indiens

Indien hat versucht, den wachsenden Einfluss Chinas in seiner Nachbarschaft und im Indischen Ozean mit eigenen Konnektivitätsinitiativen zu konterkarieren und damit seinem schwindenden Einfluss entgegenzuwirken. Verglichen mit der Belt and Road Initiative sowie ihrer Komponente „Maritime Seidenstraße“ sind diese aber deutlich kleinformatiger, fragmentierter und eher von reaktivem Charakter. Im Wesentlichen sind diese Aktivitäten wiederaufgenommene oder ausgebaute frühere Initiativen Indiens, was auf die schwachen finanziellen Möglichkeiten des Landes, fehlende personelle Kapazitäten sowie mangelnde administrative Fähigkeiten zurückzuführen ist. Indiens Premierminister Narendra Modi hat 2015 für Indiens Agieren im Indischen Ozean das Narrativ Security and Growth for All in the Region (SAGAR) geprägt. Das Ziel Indiens sei es demnach, ein Klima d es Vertrauens und der Transparenz zu schaffen, die Einhaltung internationaler maritimer Regeln und Normen durch alle Länder zu gewährleisten, friedliche Konfliktlösungen anzustreben und die maritime Zusammenarbeit zu steigern.

Konkret hat sich Indien dabei zunächst auf seine nähere Nachbarschaft konzentriert, um diese laut Weltbank am wenigsten integrierte Region der Welt stärker miteinander zu verbinden. Die durch den Gegensatz zwischen Pakistan und Indien gelähmte South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC) hat Indien zugunsten der Bay of Bengal Initiative for Multi-Sectoral Technical and Economic Cooperation (BIMSTEC) seit 2015 weitgehend vernachlässigt. Dieser bereits seit 1997 bestehenden Organisation der Anrainerstaaten der Bucht von Bengalen wurde 2016 durch Indien wieder neues Leben eingehaucht. Sie soll vor allem dazu dienen, die Länder Indien, Bangladesch, Myanmar und Thailand ökonomisch, aber auch politisch stärker miteinander zu verbinden. Neben angestrebten Investitionen in Infrastruktur wurden zuletzt bei einem Treffen der nationalen Sicherheitsberater auch Sicherheitsfragen, insbesondere zur maritimen Sicherheit, diskutiert. Eine Aufwertung erfuhr auch die seit Anfang der 1990er Jahre bestehende Look East-Politik, die Modi 2014 zu einer Act East-Politik aufwertete, um die Zusammenarbeit mit Ländern wie Japan sowie den Mitgliedstaaten der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) zu stärken. Zusätzlich treibt Indien innerhalb des Landes den Ausbau von Hafenanlagen voran. Im Rahmen des Sagar Mala Projekts will Indien sechs Megahäfen bauen und, an diese angeschlossen, spezielle Wirtschaftszonen schaffen. Zusätzlich sollen den Häfen mehr Autonomierechte gewährt werden, die den Handel erleichtern könnten.

Das derzeit wohl ambitionierteste Projekt stellt die Investition in den Hafen von Chabahar im Iran dar. Indien will hier unter Umgehung Pakistans eine Verbindung zu den Ländern Zentralasiens, unter der Bezeichnung India-Central Asia Transport Corridor, sowie nach Russland, unter dem Namen North-South Transport Corridor, herstellen. Bisher ist jedoch lediglich eine Getreidelieferung nach Afghanistan erfolgt; weitere Erfolgsmeldungen sind ausgeblieben. Größter Rückschlag dürfte für Indien sein, dass der Iran vor Kurzem auch China und Pakistan angeboten hat, die Hafenanlagen zu nutzen.

Eine zuvor kaum denkbare Neuerung in der indischen Außenpolitik stellt die Zusammenarbeit mit anderen Staaten bei Projekten in der südasiatischen Nachbarschaft Indiens dar. Projekte wie die Kooperation mit United States Agency for International Development (USAID) in Afghanistan oder die Zusammenarbeit mit den USA beim Bau von Überlandleitungen in Nepal waren vor einigen Jahren noch nicht vorstellbar. Weitere Projekte sind der gemeinsam mit Japan geplante Ausbau des Hafen Trincomalee in Sri Lanka sowie der ebenfalls mit Japan geplante Asia-Africa Growth Corridor (AAGC), der die afrikanischen Anrainerstaaten des Indischen Ozeans stärker mit den asiatischen verbinden soll. Bislang bestehen all diese Projekte jedoch nur auf dem Papier.

China ist bereit, seine Interessen im Indischen Ozean auch militärisch zu verteidigen.

Wachsende geopolitische Rivalitäten

Chinas intensiverem sicherheitspolitischen Engagement im Indischen Ozean liegt die Motivation zugrunde, seine Seeverbindungen zum Persischen Golf und damit seine Versorgung mit Öl zu schützen. Zusätzlich will es seine Investitionen in die Hafenanlagen entlang der Küste absichern, welche die geostrategische Abhängigkeit von der Straße von Malakka verringern sollen. China hat in den vergangenen Jahren nicht nur seine Streitkräfte modernisiert und seine Marinekapazitäten ausgebaut, es hat auch in seinem Defence White Paper aus dem Jahr 2015 festgehalten, dass es sich zudem künftig auf der offenen See und nicht nur zum Schutz der Küste engagieren will. Bereits seit 2009 ist China im Indischen Ozean aktiv, zunächst im Golf von Aden zur Pirateriebekämpfung. Inzwischen hat es seine militärische Präsenz deutlich ausgebaut und 2016 seine erste militärische Basis außerhalb des eigenen Territoriums – auch wenn diese von chinesischer Seite lediglich als Logistikzentrum bzw. Versorgungsbasis beschrieben wird – in Dschibuti errichtet. Dies stellt eine deutliche Abkehr von der bisherigen chinesischen Politik dar, keine Truppen außerhalb des eigenen Landes zu stationieren, und zeigt klar, dass China bereit ist, seine Interessen im Indischen Ozean auch militärisch zu verteidigen. Zusätzlich hat das Land seine militärischen Aktivitäten ausgeweitet und unter anderem Kriegsschiffe und U-Boote in Häfen nahe den maritimen Versorgungslinien andocken lassen sowie Patrouillenfahrten mit der Begründung der Pirateriebekämpfung durchgeführt. Dies nährte Befürchtungen aufseiten Indiens sowie der USA, dass Häfen, die durch China ausgebaut werden, nicht nur für kommerzielle Zwecke, sondern auch militärisch genutzt werden. Anhand des zuvor beschriebenen Agierens Chinas bei der Überschreibung des Hafens von Hambantota wird ebenfalls deutlich, dass China größere Freiheiten bei der Nutzung seiner maritimen Infrastruktur in fremden Ländern anstrebt. Das zunehmend offensive Auftreten im Südchinesischen Meer, zuletzt durch die Stationierung von Raketen auf den Spratly-Inseln, hat außerdem Befürchtungen genährt, dass zum einen ein Konflikt im Südchinesischen Meer auf den Indischen Ozean überspringen könnte und dass zum anderen China, ähnlich zu seinem Vorgehen im Südchinesischen Meer, auch offensiver im Indischen Ozean auftreten könnte.

Indien hat als Reaktion auf die wachsende chinesische militärische Präsenz, die als String of Pearls-Strategie, d. h. als Einkreisung durch chinesische Basen, wahrgenommen wird, sowie aufgrund seiner eigenen regionalen und globalen Ambitionen seine maritimen Kapazitäten in den letzten Jahren erheblich ausgebaut. Offiziell hat Indien seinen Aktionsradius mit der maritimen Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2015 deutlich im Indischen Ozean erweitert. Diese Ansprüche unterstützend, hat Indien durch eigene atomar betriebene Unterseeboote und den 2013 in Betrieb genommenen Flugzeugträger Vikramaditya seine maritimen Fähigkeiten ausgebaut. Derzeit befindet sich das Land im weiteren Ausbau seiner Flotte und ein weiterer Flugzeugträger, diesmal aus eigener Produktion, ist in Bau. Indien hat zusätzlich seine bilateralen Sicherheitskooperationen gestärkt. Neben dem vertraglich vereinbarten Ausbau der militärischen Zusammenarbeit mit den Inselstaaten Seychellen, Mauritius, Malediven und Komoren hat Indien in mehreren Ländern, wie zum Beispiel Madagaskar, Radarstationen zur Überwachung maritimer Aktivitäten instal‑liert. Außerdem trafen sich im November 2017 die Regierungschefs der USA, Japans, Australiens und Indiens, um den zwischenzeitlich ausgesetzten Quadrilateral Security Dialogue(Quad) wiederzubeleben. War dieser aufgrund unterschiedlicher außenpolitischer Auffassungen zwischenzeitlich unterbrochen, scheint sich mittlerweile in allen Teilnehmerländern die Auffassung durchgesetzt zu haben, dass dieses sicherheitspolitische Format aufgrund der wachsenden militärischen Aktivitäten Chinas im Indischen und Pazifischen Ozean notwendig ist. Auch die militärische Kooperation mit den USA wurde seit Anfang der 2000er Jahre ausgeweitet. Dessen Höhepunkt stellt die jährliche Marineübung Malabar dar, an der sich auch Japan beteiligt. Doch Indien lehnt trotz der Konflikte mit China weiterhin eine gegen China gerichtete formale Allianz ab.

Trotz der Konflikte lehnt Indien eine gegen China gerichtete formale Allianz ab.

Neben China und Indien sind die USA der wichtigste sicherheitspolitische Akteur in der Region des Indischen Ozeans. Sie verfügen über eine Reihe von größeren Marinebasen. Im Persischen Golf, in Dschibuti sowie auf Diego Garcia sind größere Flottenverbände stationiert. Angesichts der wirtschaftlichen Probleme und des zunehmend offensiveren Auftreten Chinas sind die USA bemüht, sicherheitspolitische Partner in der Region zu finden. Die durch die USA wahrgenommene Herausforderung der aktuellen globalen Ordnung durch China will Washington mit Hilfe von Bündnispartnern kontern. Auf europäischer Seite ist vor allem Frankreich aufgrund seiner Überseeterritorien im Indischen Ozean aktiv und hat zuletzt auch seine Kooperation mit Indien ausgebaut. Im März 2018 vereinbarten der französische Präsident Emmanuel Macron und Modi, dass die Nationen beider Länder künftig die Marinestützpunkte für ihre Flotten nutzen können. Deutlich hielt Macron, ohne China direkt zu nennen, fest: „The Indian Ocean, like the Pacific Ocean, cannot become a place of hegemony“.

Wie das Zitat Macrons bereits andeutet, geht mit den wachsenden Aktivitäten insbesondere Chinas eine zunehmende verbindende Betrachtung des Indischen mit dem Pazifischen Ozean einher. Bereits im Jahr 2007 sprach der japanische Premierminister Shinzo Abe vor dem indischen Parlament von einer „confluence of the two seas“. Abe trat dafür ein, dass Japan und Indien als gleichgesinnte Demokratien Freiheit und Wohlstand in der Region des Indo-Pazifiks fördern sollten. Seine Vision war eine Region, die neben den asiatischen Staaten auch die Vereinigten Staaten und Australien umfasst, in welcher sich Menschen, Waren, Kapital und Wis-sen frei und ungehindert bewegen können. Die Strategie zielte darauf ab, die wirtschaftlichen Dynamiken Asiens und Afrikas zu kombinieren, und sah eine stärkere regionale Integration entlang der Küsten des Indischen und Pazifischen Ozeans durch Infrastrukturausbau und verbes-serte Konnektivität vor. Gleichzeitig stellte diese Strategie ein geopolitisches Gegengewicht zu den Aktivitäten Chinas, die darauf ausgerichtet sind, sich als Seemacht zu etablieren, dar. Grundsätzlich hat der Begriff Indo-Pazifik in letzter Zeit deutlich an Relevanz gewonnen. In der neuesten nationalen Sicherheitsstrategie der USA findet sich erstmals der Begriff Indo-Pacific in einem offiziellen US-amerikanischen Sicherheitsdokument und dort wird diese Region als Schauplatz des Ringens zwischen einer freien und einer repressiven Weltordnung hochstilisiert: „A geopolitical competition between free and repressive visions of world order is taking place in the Indo-Pacific region.“ Diese Formulierung findet sich auch in den Reden von US-Präsident Donald Trump bei seiner ersten Asien-Reise wieder, bei denen er immer wieder die Bedeutung eines „free and open Indo-Pacific“ betonte. Die Idee hinter dieser Formulierung ist, dass sich künftig die demokratischen Pazifikanrainer im Indischen Ozean und vice versa, die Anrainerstaaten des Indischen Ozeans im Pazifik, stärker im Bereich Sicherheit engagieren und für die Freiheit der Hohen See einsetzen. Dies bestätigte auch der ehemalige US-Außenminister Rex Tillerson, als er davon sprach, die Region als „single strategic arena“ zu betrachten. Diese neue Bezeichnung dient dazu, Chinas Aktivitäten sowohl im Indischen als auch im Pazifischen Ozean einzudämmen und die Staaten, die diese Entwicklung mit Sorgen betrachten, zu vereinen.

Die wachsenden geopolitischen Rivalitäten zeigten sich zuletzt bei der Staatskrise auf den Malediven im Februar 2018, wo China in den vergangenen Jahren durch große Investitionen in lokale Infrastruktur und Tourismus zu einem wichtigen politischen Akteur geworden ist. Das Verfassungsgericht der Malediven hatte Anfang Februar unter anderem die Freilassung politischer Gefangener angeordnet und die Urteile gegen den früheren Präsidenten sowie weitere im Exil lebende Oppositionspolitiker aufgehoben. Präsident Abdulla Yameen reagierte darauf mit der Verhängung des Ausnahmezustands. Infolgedessen verlangten Oppositionspolitiker eine Intervention Indiens, um die demokratische Ordnung auf den Malediven wiederherzustellen. Indien zeigte sich jedoch zurückhaltend und ein indischer Regierungsmitarbeiter erklärte: „Wir müssen die regionale Stabilität im Blick behalten, während die Folgen einer Intervention nie absehbar sind“. Was er damit meinte, wurde angesichts eines Artikels in der chinesischen Global Times deutlich. In dieser wurde Indiens Zurückhaltung gefordert und angedroht, China werde notwendige Schritte unternehmen, sollte Indien intervenieren.

Die Unsicherheit wächst aufgrund fehlender Sicherheitsmechanismen

Angesichts der zunehmenden Rivalitäten im Indischen Ozean steigt die Unsicherheit und die Gefahr einer Konfrontation scheint aufgrund fehlender Sicherheitsmechanismen zu wachsen. Zwar gibt es Formate wie die Indian Ocean Rim Association (IORA), in der fast alle Anrainerstaaten Mitglied sind. Dennoch sind deren Aktivitäten und Institutionen weitgehend davon abhängig, welches Land diese gerade führt. Auch Kooperationen im Format des Indian Ocean Naval Symposium (IONS), die die höchsten Militärs der Marinestreitkräfte der Anrainerstaaten und weiterer wichtiger Staaten im Indischen Ozean zusammenbringt, haben bisher nicht zu effektiven Konsultationsmechanismen geführt. Zudem drohen die im Rahmen der Anti-Piraterie-Missionen geschaffenen Institutionen und Abstimmungsmechanismen mit deren schrittweisen Auslaufen wegzufallen, obwohl sich besonders hier das gemeinsame Interesse an der Sicherung der Handelswege gezeigt hat. Weder die Relevanz des Indischen Ozeans als wichtige Transitzone für den Welthandel noch die für alle Staaten bestehende hohe Relevanz des Schutzes der eigenen Seewege haben die Staaten bisher zu der Überzeugung kommen lassen, dass sie am besten durch gemeinsame Sicherheitsanstrengungen und nicht durch Alleingänge geschützt werden können. Besonders die Aktivitäten Chinas haben eine Atmosphäre von Unberechenbarkeit und Misstrauen im Indischen Ozean geschaffen. Chinas Strategie, mithilfe von Schuldenfallen andere Staaten zu erpressen, zivil deklarierte Hafenanlagen militärisch zu nutzen und U-Boote im Indischen Ozean unter dem Vorwand der Pirateriebekämpfung einzusetzen, obwohl diese kaum dafür geeignet sind, deutet daraufhin, dass China nicht kooperativ agieren und vor allem seine eigene Position, auch auf Kosten der Sicherheit anderer, stärken will. Sollte China diesen Weg weitergehen, wird dies zu einem wachsenden Bedrohungsgefühl führen, welches in einigen Staaten wie Indien bereits vorherrscht, und infolgedessen werden Chinas im Einzelfall undurchschaubare Handlungsmotive immer stärker als feindlich und gegen die eigenen Interessen gerichtet wahrgenommen werden. Dies wird, und erste Schritte sind bereits durch die Neuformierung von QUAD getan, zu einer Gegenkoalition der sich bedroht fühlenden Staaten führen. Auch die Hochstilisierung der Rivalität seitens der USA zu einem Wettstreit zwischen repressiver und liberaler Weltordnung deutet auf eine weitere Konfliktes kalation hin. Ob China weiterhin durch seine Politik Unsicherheit schürt und letztlich Reaktionen anderer Staaten provoziert oder sich darauf besinnt, zu den Spielregeln der liberalen Weltordnung zurückzukehren, welche erst den Aufstieg Chinas ermöglicht haben, bleibt abzuwarten. Jedoch scheint diese Variante angesichts des derzeitigen chinesischen Agierens im Indischen Ozean eher unwahrscheinlich. Es ist daher im europäischen und speziell im deutschen Interesse, sich stärker für Stabilität im Indischen Ozean zu engagieren. Neben seinem stark ausgeprägten wirtschaftlichen Interesse hat Deutschland auch ein überragendes Werteinteresse, die Freiheit der Hohen See und vor allem die liberale Weltordnung aufrechtzuerhalten. Trotz der geografischen Entfernung hat Deutschland durch sein Engagement in der Operation Atalanta bereits bewiesen, dass es bereit ist, sich für diese Interessen auch im Indischen Ozean einzusetzen.

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Peter Rimmele ist Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Indien.

Philipp Huchel ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Indien.

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