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Irmgard Karwatzki. (Quelle: Slomifoto/KAS-ACDP) Irmgard Karwatzki. (Quelle: Slomifoto/KAS-ACDP) © Slomifoto/KAS-ACDP

Irmgard Karwatzki

Sozialarbeiterin, Diözesanreferentin, Parlamentarische Staatssekretärin 15. Dezember 1940 Duisburg 9. Dezember 2007 Mönchengladbach
von Denise Lindsay M.A.

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„Ganz nah am Bürger hatte sie ihr Ohr, ganz nah an Menschen mit Sorgen ihr Herz. Christliches Handeln war ihre Maxime – privat, politisch und beruflich“

 

– so würdigt die „Rheinische Post“ in ihrem Nachruf die im Alter von 66 Jahren verstorbene CDU-Politikerin Irmgard Karwatzki treffend.

 

Herkunft und Ausbildung

Irmgard Karwatzki kommt am 15. Dezember 1940 in Duisburg als jüngstes von vier Kindern des Hafenarbeiters Eduard Karwatzki zur Welt. Das Aufwachsen mit drei älteren Brüdern habe ihr – so betont sie bei vielen Gelegenheiten – früh beigebracht, dass man sich durchsetzen müsse, wenn man etwas erreichen wolle. 1947 bis 1955 besucht sie die Katholische Volksschule an der Bismarckstraße. Da der Vater ihr – trotz Begabung und Drängen der Lehrer – nicht den Besuch des Gymnasiums erlaubt, beginnt sie nach dem Ende ihrer Schulzeit 1955 eine Ausbildung zur Bürogehilfin bei der Firma Klöckner in Duisburg. Nach erfolgreich abgeschlosser Ausbildung und kurzer Tätigkeit im Ausbildungsbetrieb tritt sie 1960 eine Stelle als Stenotypistin und Kontoristin in der Duisburger Kohlengroßhandlung und Reederei Piepmeyer & Oppenhorst an.

Sehr früh ist Irmgard Karwatzki klar, dass diese Tätigkeit ihr Leben nicht er- und ausfüllen wird. Schon als junges Mädchen engagiert sie sich in ihrer Heimatgemeinde St. Ludger in Duisburg-Neudorf als Pfarrjugendleiterin. 1963 besucht sie, nach Erlangung der Fachhochschulreife auf dem zweiten Bildungsweg, die Höhere Fachschule für Sozialarbeit der Arbeitsgemeinschaft für Sozialpädagogik und Gesellschaftsbildung in Düsseldorf, wo sie 1966 den Abschluss als graduierte Sozialarbeiterin erlangt. In dieser Zeit arbeitet sie zudem ehrenamtlich als Stadtjugendleiterin des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in ihrer Heimatstadt. Das ehrenamtliche Engagement ist ihr – trotz der beruflichen Belastung – sehr wichtig, da es ihr immer wieder vor Augen führt, dass solidarisches und gemeinsames Handeln Erfolge erzielen kann. Die Erkenntnis, „daß man mit dem gemeinsamen Einsatz für eine Sache Erfolg haben kann und daß auch Kompromisse immer noch sehr viel besser sind als zu resignieren und alles beim alten zu belassen“, ist auch für ihren späteren Lebensweg entscheidend. Der Einsatz in Jugendverbänden stellt für sie eine wichtige Lehrzeit dar, hier übt sie sich in der Kunst des Diskutierens und lernt zudem, auch Mehrheitsentscheidungen, die nicht ihrer Überzeugung entsprechen, gemäß ihrem Verständnis von Demokratie, zu akzeptieren.

 

Beginn des politischen Engagements – Kommunalpolitikerin in Duisburg

1965 tritt Irmgard Karwatzki der CDU bei und beginnt ihre politische Arbeit auf kommunalpolitischer Ebene in Duisburg. Sie entscheidet sich für die CDU, weil sie in der Partei die „christliche Motivation“ ihres Handelns unterstützt sieht und in ihren Augen hier „der einzelne Mensch im Mittelpunkt“ steht. Ein weiterer Grund ist zudem die Verehrung, die sie für den Staatsmann Konrad Adenauer und seine politischen Leistungen empfindet. In ihm sieht sie auch ihren Anspruch an die Politik personifiziert: „Politiker sind Vertreter der Menschen, die sie wählen, nicht deren Vorgesetzte.“

Über das politische Engagement in ihrer Heimatstadt Duisburg – 1969 wird sie Sachkundige Bürgerin im Gesundheits- und Sozialausschuss der Stadt – und in der CDU des Rheinlands, führt ihr Weg sie 1976 in den Deutschen Bundestag. Der Einzug gelingt ihr – nach einer harten Auseinandersetzung mit den männlichen Mitbewerbern um die Nominierung – über die nordrhein-westfälische Landesliste. Um den Kontakt zu ihren Wählern vor Ort bestmöglich aufrechtzuerhalten, behält sie ihren Wohnsitz in Duisburg-Neudorf zunächst bei und pendelt täglich nach Bonn. Wichtig ist es ihr, das Gefühl für die Realität zu behalten. Die Presse bescheinigt ihr immer wieder, „Bodenhaftung“ zu besitzen. Beim Kampf um die Spitzenkandidatur für das Amt des Duisburger Oberbürgermeisters setzt sie sich 1979 mit vier Stimmen Vorsprung in einer harten Auseinandersetzung gegen Herbert Willi Köhler, den Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung der Eisen- und Stahlindustrie, durch. Die „Rheinische Post“ (12. Januar 1979) titelt sogar: „Sozialarbeiterin kämpft gegen einen Stahlmanager“. Sie wird als einer der Stellvertreter des Oberbürgermeisters Josef Krings gewählt; ein Amt, das sie vier Jahre lang neben ihrem Bundestagsmandat ausübt. Von 1975 bis 1977 und 1979 bis 1990 ist sie auch Mitglied im Duisburger Stadtrat.

 

Mitglied des Deutschen Bundestages und Parlamentarische Staatssekretärin

Im Bundestag gilt Karwatzkis Interesse im Besonderen der Jugend- und der Frauenpolitik. Schon 1973 ist sie Mitglied im Landesvorstand der Frauenvereinigung des Rheinlands geworden. Ein wichtiges Anliegen ist es für sie – sicher auch bedingt durch eigenes Erleben –, die schulische und berufliche Förderung von Mädchen zu propagieren und deren Chancen auf eine gute Ausbildung zu stärken. Benachteiligung auf diesem Gebiet nennt sie „ungerecht und kurzsichtig“.

1982 wird sie Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit. Auch in dieser Funktion ist es der überzeugten Katholikin „mehr denn je zuvor wichtig, glaubwürdig zu bleiben“. In der Frage der Reform des § 218 StGB vertritt sie daher eine entschiedene Haltung: Für sie hat das Lebensrecht des Ungeborenen immer eindeutigen Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Frau. Bei der im Rahmen der Wiedervereinigung notwendig gewordenen Reform des § 218 führt sie den Vorsitz der Arbeitsgruppe „Schutz des ungeborenen Lebens“ der CDU/CSU-Fraktion. Sie tritt gegen eine Fristenlösung und für eine verbesserte Indikationsregelung bei gleichzeitiger Beratung und verstärkter Hilfe für betroffene Frauen ein. In ihren Augen ist und bleibt ein Schwangerschaftsabbruch „Unrecht“.

1985 ist sie – wie einige ihrer Fraktionskolleginnen – als Nachfolgerin für den aus dem Amt des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit scheidenden Heiner Geißler im Gespräch. Für die „Emma“ (April 1985) gilt sie als „diskrete Favoritin“. Sie unterliegt jedoch der Seiteneinsteigerin Rita Süssmuth. Bis März 1987 bleibt sie als Parlamentarische Staatssekretärin im Amt, danach wechselt sie als Parlamentarische Staatssekretärin zum Bundesminister für Bildung und Wissenschaft. Im April 1989 gibt sie dieses Amt zugunsten von Norbert Lammert auf. 1994 übernimmt sie den Vorsitz der „Gruppe der Frauen“ in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 1995 wird sie – als erste Frau – Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen. Eine Herausforderung, die sie gerne annimmt, denn – so begründet sie es gegenüber der „Frankfurter Rundschau“ (30. März 1996) – „wir Frauen können nicht nur Führungspositionen fordern, wir müssen auch zugreifen, wenn die Chance kommt“. Für Irmgard Karwatzki stehen Haushaltskonsolidierung und eine ausgeglichener Haushalt immer auch in direktem Zusammenhang mit einer guten Sozial- und Familienpolitik.

In ihrer Partei setzt sie sich dezidiert für die Einführung einer Quotenregelung ein, um für Frauen „einen gerechten Anteil an Ämtern und Mandaten“ durchzusetzen und deren Chancen auf politische Partizipation zu erhöhen. „Ohne Quotierung läuft gar nichts, auch wenn ich das selbst einmal geglaubt habe“, gesteht sie 2001 ehrlich ein. Von 1991 bis 1999 ist sie zudem Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Frauen Union und setzt sich in diesem Amt ebenfalls energisch für die Belange der Frauen ein.

2005, nach der vorgezogenen Auflösung des Deutschen Bundestages, erklärt die unverheiratet gebliebene Politikerin ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur für das Parlament.

Irmgard Karwatzki verstirbt am 9. Dezember 2007, nur wenige Tage vor ihrem 67. Geburtstag, in Mönchengladbach an den Folgen eines Herzinfarkts.

 

„Soziale Gerechtigkeit und die Würde aller Menschen waren Fixpunkte ihres christlichen Menschenbildes“

 

– mit diesen Worten gedenkt Theo Waigel in seinem Nachruf seiner langjährigen Kollegin im Deutschen Bundestag.

Lebenslauf

  • 1965 CDU
  • 1971–1976 Referentin an der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen
  • 1975–1977 und 1979–1990 Mitglied im Rat der Stadt Duisburg
  • 1976–2005 MdB
  • 1979–1983 Bürgermeisterin der Stadt Duisburg
  • 1982–1987 Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit
  • 1987–1989 beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft und 1994–1998 beim Bundesminister der Finanzen
  • 1991–1999 Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Frauen Union

 

Veröffentlichungen

  • Irmgard Karwatzki: Benachteiligung von Mädchen ungerecht und kurzsichtig. In: Frau und Politik Nr. 9 September 1978
  • Dies.: Christlich, sozial und gerecht handeln können. In: Renate Hellwig (Hg.): Die Christdemokratinnen – Unterwegs zur Partnerschaft. Stuttgart/Herford 1984, S. 289–299
  • Dies.: Mehr Aufmerksamkeit für Mädchen. In: Frau und Politik, April 1984 S. 3f.
  • Dies.: Eine Bergtour ist selten Gipfelstürmerei. In: Rita Süssmuth (Hg.): Mut zur Macht in Frauenhand. Herford 2001, S. 267–272

 

Literatur

  • Sigrid Latka-Jöhring: Frauen in Bonn. Zwanzig Porträts aus der Bundeshauptstadt. Bonn 1998, S. 85–93.

 

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