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Heinz Riesenhuber, Portraitfoto Heinz Riesenhuber, Portraitfoto © KAS/Rainer Unkel

Heinz Riesenhuber

Chemiker, Bundesminister, Honorarprofessor Dr. rer. nat. 1. Dezember 1935 Frankfurt/Main
von Angela Keller-Kühne
„Heinz Riesenhuber gehört zu den wenigen politischen Persönlichkeiten, die über alle Parteigrenzen hinweg hohes Ansehen in Berlin genießen. Mit Herz und Verstand hat er in den vergangenen Jahrzehnten Politik in Hessen und Deutschland gestaltet. Heinz Riesenhuber ist ein wahrer Sympathieträger für Hessen“, so der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier anlässlich von Riesenhubers 75. Geburtstag bei einem Empfang der CDU Hessen.

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Herkunft und Familie

Heinz Friedrich Ruppert Riesenhuber wurde am 1. Dezember 1935 im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen geboren und wuchs im Frankfurter Westend auf. Seine Eltern stammten aus Bayern, der Vater war als Einkaufschef der Frankfurter Degussa tätig.

Im kriegszerstörten Frankfurt ging er zur Schule und legte 1955 am Heinrich-von-Gagern-Gymnasium sein Abitur ab. Die harten Jahre der Nachkriegszeit waren für ihn auch eine Zeit des Aufbruchs. Noch als Schüler und später als Student engagierte er sich politisch. Wie er rückblickend in einem Interview mit der Berliner Zeitung im April 2015 berichtete, hatte er das Gefühl, etwas tun zu müssen. Dies tat Heinz Riesenhuber in der Schule als Klassensprecher und danach im Studentenparlament. Ein entscheidendes politisches Erlebnis war für ihn die Niederschlagung des Ungarn-Aufstands durch die Sowjets 1956. Für ihn und seine Kommilitonen war es selbstverständlich, sich um geflohene ungarische Studenten zu kümmern und Proteste gegen die Sowjets zu organisieren.

An der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität schloss Riesenhuber 1961 sein Studium der Chemie und der Volkswirtschaftslehre als Diplom-Chemiker ab. Während seines Studiums war er Stipendiat der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk. 1962 kehrte er als Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Anorganische Chemie der Johann Wolfgang Goethe-Universität nach Frankfurt zurück und wurde dort 1965 mit der Arbeit „Gitterstörungen in mikrokristallinem FePO4“ zum Doktor der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) promoviert.

Sein beruflicher Weg führte ihn 1966 in die Industrie. Über 16 Jahre arbeitete er in leitenden Positionen: Zunächst bei der Erzgesellschaft mbH im Haus Metallgesellschaft AG Frankfurt, seit 1968 als Geschäftsführer. 1971 bis 1982 war er als technischer Geschäftsführer bei der Synthomer Chemie GmbH Frankfurt tätig.

Riesenhuber ist seit 1968 mit der Richterin Beatrix, geb. Walter, verheiratet und hat vier Kinder: Maximilian (geb. 1970), Eva (geb. 1972), Katharina (geb. 1974) und Felix (geb. 1977).

 

Aufstieg in der hessischen CDU

Den Weg in die CDU fand Riesenhuber 1961. Er wurde Mitglied der Jungen Union und war von 1965 bis 1969 Landesvorsitzender in Hessen und stellvertretender JU-Bundesvorsitzender. Über die Junge Union führte sein Weg steil nach oben: Er wurde Mitglied des Landesvorstand der CDU Hessen und 1970 als Umweltminister in das Schattenkabinett von Alfred Dregger berufen. Nach der schweren Niederlage der Partei bei den hessischen Kommunalwahlen übernahm Riesenhuber 1973 den Vorsitz des größten hessischen CDU-Kreisverbandes Frankfurt. Von den damaligen innerparteilichen Auseinandersetzungen des Arbeitnehmer- und des Wirtschaftsflügels war er unbelastet.

Bei den Kommunalwahlen im März 1977 gewann die CDU 51,3 Prozent aller Wählerstimmen und konnte mit Walter Wallmann erstmal seit 1946 das Amt des Oberbürgermeisters besetzen. Im Jahr darauf legte Riesenhuber sein Amt als Kreisvorsitzender nieder und machte den Weg für Valentin Brück frei, der als gestandener Kommunalpolitiker die Arbeit von Partei, Fraktion und Magistrat koordinieren konnte. Riesenhuber selbst sah sich dazu durch seine starke Arbeitsbelastung als Mitglied des Deutschen Bundestages zeitlich nicht mehr in der Lage.

 

Abgeordneter des Deutschen Bundestags

Riesenhuber wurde 1976 und 1980 über die Landesliste Hessen in den Deutschen Bundestag gewählt. Danach zog er stets als direkt gewählter Abgeordneter in den Bundestag ein, und zwar zunächst für den Wahlkreis Frankfurt am Main I – Main-Taunus-Kreis, seit 2002 für den Wahlkreis Main-Taunus. Bei der Bundestagswahl 2009 erzielte er in seinem Wahlkreis 47,5 Prozent der Erststimmen, 2013 waren es 52,5 Prozent. Zu seinem Markenzeichen entwickelte sich seine Fliege, die auf seinen Wahlkampfplakaten oftmals  schwarz-rot-gold verziert war.

Für Riesenhuber war der direkte Kontakt mit seinen Wählern stets eine Herzensangelegenheit. Er wohnte immer in seinem Wahlkreis und bewahrte sich so den unmittelbaren Kontakt mit den Bürgern. Auch über Wahlkampfzeiten hinaus waren seine Terminkalender, wie ein Blick in das im Archiv für Christlich-Demokratische Politik verwahrte Aktendepositum zeigt, prall gefüllt. "Ein Dutzend Termine am Tag scheint mir nach wie vor das stärkste verfügbare Instrument zu sein. Und es entsteht eine freundschaftliche Zusammengehörigkeit, die die Lebensfreude befördert", sagte er einmal.

Von 1977 bis 1982 war Riesenhuber Vorsitzender des CDU-Bundesfachausschusses Energie und Umwelt. 1977 bereitete er den CDU-Kongress „Energie und Umwelt“ in Hannover vor. Die Veranstaltung in Hannover brachte sowohl Gegner, als auch Befürworter der Kernenergie erstmals an einen Tisch. Aus dem in Hannover verabschiedeten Grundsatzpapier ging das „Energiepolitische Programm der CDU“ hervor, das in das Ludwigshafener Grundsatzprogramm der CDU von 1978 einfloss. Kernpunkte waren unter anderem die Erschließung neuer Energiequellen, um die Abhängigkeit vom Öl zu mindern. Riesenhuber befürwortete den behutsamen Ausbau der Kernenergie, wobei Fragen der Sicherheit und die Unterbringung radioaktiver Abfälle Priorität vor wirtschaftlichen Erwägungen hatten. Von 1980 bis 1982 war er energiepolitischer Sprecher seiner Fraktion, von November 2001 bis Oktober 2002 Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie. Als Ausschussvorsitzender setzte er sich besonders für die Innovationsförderung bei kleinen und mittleren Unternehmen ein. Ebenso war er in den 1970er bis zum Anfang der 1980er Jahre Mitglied des CDU-Bundesfachausschusses Kulturpolitik und des Bundestagsausschusses für Forschung und Technologie und engagierte sich über viele Jahre im Arbeitskreis Mittelstand seiner Fraktion.

 

Bundesminister für Forschung und Technologie

1982 berief Helmut Kohl Riesenhuber zum Minister für Forschung und Technologie. Er behielt das Amt über 11 Jahre und galt als „Kabinettsprimus“. An Kohl schätzte Riesenhuber Verlässlichkeit und Freiräume für Gestaltungsmöglichkeiten. Als Ressortchef mit Fachkompetenz versuchte er, den Einfluss des Staates auf die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der privaten Wirtschaft zurückzudrängen, um die Grundlagenforschung im Bereich der Biotechnologie, Materialwissenschaft, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie den Ausbau der deutschen Beteiligung an der Raumfahrt gezielt zu fördern. In Riesenhubers Amtszeit fiel die Gründung der Deutschen Agentur für Raumfahrtangelegenheiten und die Unterstützung technischer Großprojekte wie den Transrapid.

Auch nach dem Atomunglück von Tschernobyl im Sommer 1986 bezeichnete der Minister die deutschen Kernkraftwerke als sicher und hielt die Atomenergie angesichts der drohenden Klimakatastrophe für unverzichtbar. Sein Ministerium investierte dreistellige Millionenbeträge in die Energieforschung -  erneuerbare Energien spielten dabei noch keine Rolle. In Riesenhubers Ministerzeit fiel auch das mit über 150 Millionen DM budgetierte Programm zur Förderung zukunftsorientierter Unternehmensgründungen in den Neuen Bundesländern.

Als er 1993 nach dem Ausscheiden Wolfgang Schäubles aus dem Kabinett dem schwäbischen Parteifreund Matthias Wissmann weichen musste, war dies dem Regionalproporz in der Union geschuldet. Riesenhuber war bis dahin der am längsten amtierende Minister in diesem Ressort. „Ich war jeden Tag voller Freude Forschungsminister, nicht, um Minister zu sein, sondern, weil ich Forschungsminister war“, sagte er im Juli 1998 in einem Interview mit dem Bonner General-Anzeiger.

Nach seiner Ministerzeit wurde Riesenhuber Mitglied in zahlreichen Beiräten und Aufsichtsräten von deutschen und ausländischen Unternehmen.

 

Alterspräsident des Deutschen Bundestages

Als ältester Abgeordneter übte Riesenhuber die Funktion des Alterspräsidenten des 17. und 18. Deutschen Bundestages aus. Der Charakter des Parlaments hatte sich aus seiner Sicht gewandelt. In den ersten Jahren seines Abgeordnetendaseins habe es große Reden gegeben, die eine prägende Kraft gehabt hätten, "während der Bundestag sich jetzt mehr zu einem Arbeitsparlament entwickelt hat, das mit Sorgfalt einzelne Fragen aufzuarbeiten hat", was dem Wähler nicht immer leicht zu vermitteln sei. "Das klassische, saubere Gegenüber von zwei Volksparteien - die eine in der Regierung, die andere in der Opposition hat sich aufgelöst. Das geht zu Lasten des klaren Profils von beiden", meinte er. Während auf das klare Profil früher sehr viel Wert gelegt worden sei, "war der Wahlkampf von etwas eigener Art, weil die beiden großen Parteien nun in einer Koalition zusammen waren und die Unterschiede in dem, was man politisch wollte, nicht so deutlich wurden".

Der Wirtschaftsrat der CDU e.V. zeichnete Riesenhuber am 27. Juni 2017 für seine herausragenden Verdienste um die Erhaltung und Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft mit der „Gedenkmünze Ludwig Erhard in Silber“ aus und ernannte ihn zum Ehrenmitglied.

Im Herbst 2017 kandidierte Riesenhuber nicht mehr für den Deutschen Bundestag und schied aus dem Parlament aus. Gegenüber der FAZ begründete er diesen Schritt: "Meine Frau hat mich davon überzeugt, dass nach 40 Jahren Arbeit und Lernen und 40 Jahren Politik jetzt 40 Jahre für die Familie an der Reihe sind. Das ist schon ein starkes Argument."

Lebenslauf

  • 01.12.1935 geboren in Frankfurt am Main, katholisch; Vater: Diplom-Kaufmann bei der Frankfurter Degussa
  • 1955 Abitur in Frankfurt/Main
  • 1956-1961 Studium der Naturwissenschaften (Hauptfach Chemie) und Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Mainz und München
  • 1961 Abschluss als Diplom-Chemiker
  • 1961 Eintritt in die Junge Union und die CDU
  • 1962-1965 Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Anorganische Chemie der Universität Frankfurt am Main
  • 1965-1969 Landesvorsitzender der Jungen Union Hessen
  • 1965 Promotion zum Dr. rer. nat.
  • 1965 Landesvorstand der CDU Hessen
  • 1966 Angestellter, später Prokurist bei der Erzgesellschaft mbH, einer Tochter der Metallgesellschaft AG, Frankfurt
  • 1966-1970 Bundesvorstand der Jungen Union
  • 1968 Mitglied im Präsidium der CDU Hessen
  • 1968 Geschäftsführer bei der Erzgesellschaft mbH
  • 1968 Heirat mit Beatrix Walter (vier Kinder)
  • 1971-1982 Technischer Geschäftsführer der Synthomer-Chemie GmbH, Frankfurt/Main
  • 1973-1978 Kreisvorsitzender der CDU Frankfurt/Main
  • 1976-2017 Mitglied des Deutschen Bundestages
  • 1977-1982 Vorsitzender des Bundesfachausschusses der CDU für Energie und Umwelt
  • 1980-1982 Energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • 1982-1993 Bundesminister für Forschung und Technologie
  • 1993 Stellvertretender Vorsitzender des "Deutsch-Amerikanischen Akademischen Konzils", Co-Präsident des Deutsch-Japanischen Kooperationsrates für Hochtechnologie und Umwelttechnik (DJR)
  • 1995 Honorarprofessor an der Universität Frankfurt/Main
  • seit 1998 Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages, 2001-2002 Ausschussvorsitzender
  • 2006-2018 Präsident der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft
  • 2009 Alterspräsident des 17. Deutschen Bundestages
  • 2013 Alterspräsident des 18. Deutschen Bundestages

 

Auszeichnungen (Auswahl):

  • Ehrenmedaille "Marin Drinow", Sofia (1989); Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern (1992), Großoffizier der Französischen Ehrenlegion
  • Gedenkmünze Ludwig Erhard in Silber (2017)
  • Großes Goldenes Ehrenzeichen am Bande der Republik Österreich
  • Hessischer Verdienstorden, Karl-Winnacker-Preis des Universitätsbundes der Philipps-Universität Marburg
  • Orden vom Heiligen Schatz mit Stern und Schulterband (Japan 1996)
  • Ehrendoktor: Weizmann-Institut (Israel), Bergakademie Krakau (Polen), Universität Surrey (Großbritannien), Universität Göttingen

 

Veröffentlichungen

  • Riesenhuber, Heinz: Ethik in Wissenschaft und Technik. Heidelberg 1995.
  • Ders.: In einer verletzten Welt gemeinsam überleben. Forum technischer Wandel. Dokumentation: Bericht der Bundesregierung zu Global 2000. Bonn 1982.
  • Ders./Morkel, Arnd/Wittkämper, Gerhard W.: Gymnasium 2000: Bildungsperspektiven aus Politik, Wissenschaft, Gesellschaft. Köln 1990.

 

Literatur

  • Metzler, Gabriele, in: Kempf, Udo/Merz, Hans-Georg (Hg.), Kanzler und Minister 1949-1998. Opladen 2001.

 

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