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Norbert Röttgen im Wahlkampf zur Landtagswahl 2012 in Hamm Norbert Röttgen im Wahlkampf zur Landtagswahl 2012 in Hamm © Tim Reckmann - CC BY-SA 3.0 DE

Norbert Röttgen

Jurist, Bundesminister, Landesvorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen Dr. jur. 2. Juli 1965 Meckenheim
von Kordula Kühlem

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Einige Themenbereiche ziehen sich wie Leitfäden durch das Leben und die Karriere von Norbert Röttgen. Dazu gehört die Verbundenheit mit seiner Heimat, dem Rhein-Sieg-Kreis. Dort kam er am 2. Juli 1965 als Sohn des Postbeamten Wilhelm und dessen Ehefrau Agnes Röttgen zur Welt – im Alten Kloster in Meckenheim, weil die Entbindungsstation in Rheinbach, wo die Familie zu dieser Zeit wohnte, zu Zeiten der geburtenstarken Jahrgänge überfüllt war. Seine Verwurzelung kam dadurch zum Ausdruck, dass Norbert Röttgen über vierzig Jahre später seine damalige Hebamme besuchte, die sich noch gut an das schon bei dem Neugeborenen ausgeprägte, energische Kinn erinnern konnte. Bis heute hat Röttgen den Rhein-Sieg-Kreis und die von diesem umschlossene Stadt Bonn nur kurzzeitig verlassen. In Rheinbach legte er am Städtischen Gymnasium 1984 sein Abitur ab, noch im gleichen Jahr wurde er Mitglied des Kreisvorstandes der CDU, in die er schon zwei Jahre vorher eingetreten war. In Bonn studierte er von 1984 bis 1989 Rechtswissenschaften, unterstützt durch ein Begabtenstipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung.

 

Abgeordneter des Deutschen Bundestags

Nach dem 1993 bestandenen zweiten Staatsexamen und der Zulassung zum Rechtsanwalt im selben Jahr wurde Röttgen 1994 zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag gewählt – als Direktkandidat des südlichen Rhein-Sieg-Kreises, dessen Repräsentant er bis heute ist. Zwar verlagerte sich sein Wirkungskreis seitdem nach Berlin, aber noch immer wohnt er mit seiner Familie in Königswinter. Sein Heimatbekenntnis drückte sich in der Hauptstadt zum einen durch die stellvertretende Leitung der nordrhein-westfälischen Landesgruppe in der CDU/CSU-Fraktion von 2000 bis 2009 aus, zum anderen durch sein gleichbleibend engagiertes Eintreten für die Aufrechterhaltung der Repräsentanz der Bundesregierung in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn. Nachdem Röttgen bereits von 1992 bis 1996 Vorsitzender der Jungen Union in NRW war, wurde er 2009 Vorsitzender der CDU Mittelrhein. Bei der Suche nach einem neuen Vorsitzenden für Nordrhein-Westfalen stimmte in der Befragung der Basis eine Mehrheit der CDU-Mitglieder etwas unvorhergesehen für Röttgen. Mit der Bestätigung dieses Votums durch den Landesparteitag am 6. November 2010 wurde er zum neuen CDU-Landesvorsitzenden und blieb dies bis 2012.

Ein zweiter wichtiger Schwerpunkt Röttgens war stets das Thema Familie. Er selbst, der mit seiner Ehefrau Ebba Herfs drei Kinder hat, sagte von sich: „Ich kann mir nicht vorstellen, kein Familienleben zu haben.“ (SZ, 23.6.2005). Doch nicht nur als gelebte Wirklichkeit kümmerte sich Röttgen um dieses Thema. Immer wieder beschäftigte er sich auch politisch damit, wobei für ihn der Schutz der Kinder, dann der Familie als Institution im Vordergrund stand. Seine Praxisnähe verdeutlichte der Familienvater durch seinen Kommentar zu einer Gesetzesänderung 2011, nach der Klagen gegen Kinderlärm nicht mehr möglich waren: „Es gibt keine geräuschfreien Kinder.“ (FAZ, 27.5.2011). In diesem Zusammenhang stand sicher auch sein Beitrag zur Aushandlung des „Schulfriedens“ in Nordrhein-Westfalen im Juli 2011, der von Seiten der größten Oppositionspartei CDU vor allem mit dem Engagement ihres Landesvorsitzenden verbunden war.

Wegen seiner intensiven Beschäftigung mit rechtlichen Fragen – für den seit 2001 promovierten Juristen nicht erstaunlich – amtierte Röttgen von 2001 bis 2009 als Vorsitzender des Bundesarbeitskreises Christlich-Demokratischer Juristen sowie von 2002 bis 2005 als rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. In der Zeit der rot-grünen Koalition wurde er zum Gegenspieler von Brigitte Zypries, der sozialdemokratischen Justizministerin des zweiten Kabinetts Gerhard Schröder. Doch da die Bundestagswahl 2005 zwar die CDU unter Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder an die Macht brachte, Zypries aber als Mitglied der Großen Koalition ihr Amt behielt, blieb Röttgen Erster Parlamentarischer Geschäftsführer, wozu ihn die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag am 26. Januar 2005 mit großer Mehrheit wählte.

 

Bundesumweltminister

Oft beschäftigte sich Röttgen mit Fragen, die unter die heute so gern gebrauchten Schlagwörter Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit fielen. Schon in den 1990er Jahren forderte er als einer der damals „Jungen Wilden“ in der CDU deren personelle Erneuerung. Die inzwischen immer lauter und gleichzeitig konkreter geführte Diskussion in der Union über eine mögliche Koalition mit den Grünen ging auch auf ihn zurück, der zu den Gründungsmitgliedern der sogenannten Pizza-Connection gehörte – einer Gruppe junger Politiker von Union und Grünen, die sich noch in Bonn regelmäßig zu Gesprächen traf.

Über die Frage nach der Zukunftsgestaltung kam Röttgen offensichtlich auch zum Thema Umwelt, und sein Name stand ab 2007 unter diversen Bundestagsanträgen zur globalen Energiepolitik, zum Klimaschutz und erneuerbaren Energien. In der CDU/CSU-FDP Koalition 2009 erhielt er sein von ihm so bezeichnetes „Wunschministerium“ für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zwar wurde er durch den von ihm kritisierten vorübergehenden Ausstieg aus dem Atomausstieg kurzzeitig zurückgeworfen, der unter dem Eindruck der Nuklearkatastrophe von Fukushima (März 2011) erneut vollzogene Wandel in der Energiepolitik der Regierung Merkel trug jedoch seine Handschrift. Schon am 19. November 2009 schrieb das Handelsblatt: „Die Ernennung von Norbert Röttgen zum Bundesumweltminister ist die am stärksten unterschätzte Personalie der neuen Bundesregierung.“

Schließlich wurden Röttgen selbst stets Zukunftsfähigkeit und weitere Karriereschritte zugetraut. 2005 war er Mitglied eines Quartetts, das das Wahlprogramm der Union „Deutschlands Chancen nutzen“ ausarbeiten sollte. Im Juni 2006 wurde er zum neuen Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen  Industrie (BDI) gewählt. Das Amt sollte er am 1. Januar 2007 antreten. Parallel zu diesem Schritt wollte Röttgen sein Amt als Fraktionsgeschäftsführer aufgeben, gleichzeitig jedoch sein Abgeordnetenmandat bis zum Ende der Wahlperiode 2009 ausüben. Nachdem diese Doppelfunktion auf Kritik in der Öffentlichkeit gestoßen war, erklärte Röttgen seinen Verzicht auf die Übernahme des BDI-Vorsitzes. Als Grund nannte er, er fühle sich seinen Wählern und seiner Partei verpflichtet. Die Fraktion honorierte diese Entscheidung mit seiner erneuten Wahl zum Fraktionsgeschäftsführer im September 2006.

 

Vorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen

Nachdem Jürgen Rüttgers nach der Niederlage der CDU bei der Landtagswahl am 9. Mai 2010 seinen Rückzug von allen politischen Ämtern bekanntgegeben hatte, wurde Röttgen im Herbst 2010 neuer Vorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen. Bei einer Mitgliederbefragung des Landesverbandes sprachen sich 54,8 Prozent der Teilnehmer für Röttgen aus. 45,2 Prozent votierten für seinen Gegenkandidaten Armin Laschet. Auf dem Landesparteitag am 6. November 2010 in Bonn folgten 92,5 Prozent der Delegierten dem Mitgliedervotum und wählten Röttgen zum neuen Vorsitzenden der CDU Nordrhein-Westfalen. In seiner Dankesrede sagte Röttgen, es gehe nun darum, geschlossen gegen die rot-grüne Minderheitsregierung zu arbeiten und er kündigte an, dass im größten Landesverband der CDU künftig mehr über Sachthemen diskutiert werden solle. Am 15. November wurde Röttgen beim 23. Bundesparteitag der CDU in Karlsruhe auch zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt, wobei er mit 88,2 Prozent „herausragend“ abschnitt, wie die FAZ schrieb. Das Amt des stellvertretenden Bundesvorsitzenden hatte er bis 2012 inne.  

Nach der vorzeitigen Auflösung des nordrhein-westfälischen Landtags im März 2012 wurde Röttgen am 4. April zum Ministerpräsidentenkandidaten der CDU ausgerufen. Nach der verlorenen Landtagswahl am 13. Mai 2012 trat er als CDU-Landesvorsitzender zurück und er verzichtete auf sein Landtagsmandat. Seine Amtszeit als Bundesumweltminister endete nach Meinungsverschiedenheiten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am 16. Mai 2012.

 

Schwerpunkt Außenpolitik

Doch die Aufgabe dieses Amtes setzte Kapazitäten für neue Schwerpunkte frei. Kurz nach der Landtagswahl wurde Röttgen stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestags. Im Januar 2014 übernahm er schließlich den Vorsitz dieses bedeutsamen Gremiums. Anlässlich seiner Berufung stellte die ZEIT am 21. November 2013 fest, die „Zeit als prominenter Hinterbänkler“ habe „er als ‚eine Art Sabbatical‘ betrachtet.“ Wobei es sicherlich hilfreich war, dass Röttgen seinen Wahlkreis weiterhin mit um die 50 Prozent und damit immer deutlich mehr Stimmen als die Bundespartei gewann.

Schon knapp drei Jahre später urteilte der Tagesspiegel am 21. Oktober 2016: „Wer für die Außenpolitik einen Kopf in der CDU sucht, der findet ihn in Norbert Röttgen.“

 

Kandidatur für den CDU-Bundesparteivorsitz

Im Februar 2020 erklärte Röttgen seine Kandidatur als Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer für das Amt des CDU-Bundesvorsitzenden. Auf dem Bundesparteitag der CDU am 15./16. Januar 2021, der wegen der Corona-Pandemie nur virtuell stattfinden konnte, wurde jedoch Armin Laschet, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Er setzte sich in einer Stichwahl im zweiten Wahlgang mit 521 zu 466 Stimmen gegen Friedrich Merz durch. Im ersten Wahlgang waren auf Merz 385, auf Laschet 380 und auf Norbert Röttgen 224 Stimmen entfallen.

Bei der Bundestagswahl am 26. September 2021 gewann Röttgen im Wahlkreis Rhein-Sieg-Kreis II 40,1 Prozent der Erststimmen und wurde damit erneut in den Bundestag gewählt. Aufgrund der starken Verluste der Union bei der Wahl kündigte Armin Laschet im Oktober 2021 seine Bereitschaft zum Rücktritt von Amt des Parteivorsitzenden an. Nachdem der CDU-Bundesvorstand eine Mitgliederbefragung zum Parteivorsitz und die Neuwahl des Bundesvorstands bei einem Parteitag am 21./22. Januar in Hannover angekündigt hatte, erklärte Norbert Röttgen am 12. November 2021 seine erneute Kandidatur für das Amt des CDU-Bundesparteivorsitzenden. Bei der Mitgliederbefragung zur Wahl des Parteivorsitzenden erhielt Norbert Röttgen 25,8 Prozent der abgegebenen Stimmen. Für seine Mitbewerber Friedrich Merz und Helge Braun stimmten 62,1 bzw.  12,1 Prozent derjenigen CDU-Mitglieder, die sich an der Abstimmung beteiligten. Damit wurde Merz im ersten Wahlgang zum Bundesparteivorsitzenden der CDU designiert. Das Ergebnis wurde am 17. Dezember 2021 bekanntgegeben. Röttgen bedankte sich anschließend bei seinen Wählerinnen und Wählern und wünschte Merz alles Gute. Er kündigte an, nun werde  „die CDU gemeinsam kämpfen“.

 

 

Lebenslauf

  • 2. Juli 1965 geboren in Meckenheim
  • 1982 Eintritt in die CDU
  • 1984 Abitur
  • 1984–1989 Studium der Rechtswissenschaften in Bonn
  • 1989 Erstes juristisches Staatsexamen
  • 1992–1996 Vorsitzender der JU Nordrhein-Westfalen
  • 1993 Zweites juristisches Staatsexamen
  • Zulassung als Rechtsanwalt
  • seit 1994 MdB
  • 2000­–2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
  • 2001 Promotion
  • 2001–2009 Vorsitzender des Bundesarbeitskreises Christlich-Demokratischer Juristen
  • 2002–2005 rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
  • 2005–2009 1. Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag
  • 2005–2009 Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums
  • 2009–2011 Vorsitzender des CDU-Bezirksverbands Mittelrhein
  • 2009–2012 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
  • 2010–2012 Vorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen
  • 2010–2012 stellvertretender Vorsitzender der CDU Deutschlands
  • 2012–2013 stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss
  • 2014–2021 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschuss

Veröffentlichungen

(Auswahl):

  • Deutschlands beste Jahre kommen noch. Warum wir keine Angst vor der Zukunft haben müssen. München 2009.
  • Politik ist gelebte Zukunftsverantwortung!, in: Pöttering, Hans-Gert (Hg.): Damit ihr Hoffnung habt. Politik im Zeichen des „C“. Sankt Augustin u. a. 2010.
  • Die Energiewende als nationales Gemeinschaftsprojekt. Der Gegensatz zwischen Ökologie und Ökonomie wird überwunden, in: Die Politische Meinung 502 (2011), S. 52–57.
  • Die Energiewende ist ein ökonomisches, ökologisches und gesellschaftliches Erfolgsprojekt, in: Entscheidung 60 (2012) 3/4, S. 12–15.
  • Europe must remember that this crisis is not Greece’s alone, in: Financial Times 9. Juli 2015.
  • Europe needs Britain in these troubled times, in: The Times, 18. Januar 2019.

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