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Wolfgang Schäuble 1998 Wolfgang Schäuble 1998 © Regina Schmeken/Süddeutsche Zeitung Photo

Wolfgang Schäuble

Rechtsanwalt, Parteivorsitzender der CDU, Fraktionsvorsitzender, Bundesminister, Bundestagspräsident Dr. jur. 18. September 1942 Freiburg i.Br. 26. Dezember 2023 Offenburg
von Hans Jörg Hennecke
Mehr als fünf Jahrzehnte prägte Wolfgang Schäuble die Geschichte der Bundesrepublik entscheidend mit. Vor allem die Aushandlung des Einigungsvertrags 1990, die Entscheidung für den Regierungssitz Berlin 1991 und die Stabilisierung des Euro in der Staatsschuldenkrise nach 2008 sind mit seinem Namen verbunden. Doch war seine Karriere nicht frei von Tragik: Durch ein Attentat seit 1990 an den Rollstuhl gefesselt, musste er 2000 in der CDU-Spendenaffäre den Partei- und Fraktionsvorsitz aufgegeben. So blieb ihm der Weg ins Kanzleramt, für das er alle Qualifikationen mitbrachte, verwehrt.

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Übersicht – Springen Sie in die jeweiligen Abschnitte:

Frühe Jahre

Matchmaker in der frühen Ära Kohl

Innenminister und Architekt der deutschen Einheit

Fraktionsvorsitzender und Kanzleranwärter

Parteivorsitzender am Abgrund der Spendenaffäre

Minister unter Merkel in der Euro-Krise

Nestor von Parlament und Partei

Bilanz

 

Frühe Jahre

Wolfgang Schäuble wuchs als zweiter von drei Söhnen des Steuerberaters Karl Schäuble und dessen Frau Gertrud in Hornberg auf. Nach dem Abitur absolvierte er ein Jura-Studium in Freiburg und Hamburg, an das sich Promotion, Referendariat und der Eintritt in die Finanzverwaltung anschlossen. Aus der Ehe, die er 1969 mit der Diplom-Volkswirtin Ingeborg Hensle schloss, gingen ein Sohn und drei Töchter hervor.

Nach dem Beitritt zur CDU 1965 wurde Schäuble vier Jahre später zum Vorsitzenden der Jungen Union Südbaden gewählt. Bei der vorgezogenen Bundestagswahl 1972 errang er das Direktmandat für den Wahlkreis Offenburg, den er seither stets unangefochten gewann. Von Beginn an galt er als tatkräftiger Unterstützer des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Helmut Kohl – zunächst 1971 im Kampf um den Parteivorsitz, später in den Auseinandersetzungen mit der CSU um die Kanzlerkandidaturen der Jahre 1976 und 1980 und um den zwischenzeitlich drohenden Bruch der Fraktionsgemeinschaft im Bundestag.

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Matchmaker in der frühen Ära Kohl

1981 rückte er als einer von vier Parlamentarischen Geschäftsführern in den engeren Zirkel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf. Ein Jahr später, nach der Wahl Helmut Kohls zum Bundeskanzler, erfolgte der Aufstieg zum Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer. Unter dem neuen Fraktionsvorsitzenden Alfred Dregger, der als Repräsentant des konservativen Flügels der Union gegenüber Kohl keinen konkurrierenden Führungsanspruch für sich reklamierte, fiel Schäuble die Rolle des intellektuell fordernden und bisweilen schroff auftretenden, aber eben auch unentbehrlichen Fraktionsmanagers zu. Erste Blessuren blieben nicht aus: So scheiterte 1984 ein von Schäuble konzipierter Gesetzentwurf, der die für die Union brenzlige Flick-Parteispendenaffäre mit einer Amnestieregelung entschärfen sollte. Just dieser Affäre verdankte Schäuble noch im selben Jahr allerdings den nächsten Karriereschritt. Kohl konnte nach dem Wechsel seines Staatsministers Philipp Jenninger an die Spitze des Bundestages das bis dahin störanfällige Bundeskanzleramt neu organisieren und machte Schäuble zum Chef der Regierungszentrale im hervorgehobenen Range eines Bundesministers für besondere Aufgaben. Neben dem alltäglichen Regierungs- und Koalitionsmanagement zeichnete Schäuble auch für die Koordination der Geheimdienste sowie für die Deutschlandpolitik verantwortlich – so auch zur Vorbereitung des Honecker-Besuchs in Bonn 1987. Der effiziente Schäuble konnte allerdings nicht verhindern, dass die Koalition in schwierigem Fahrwasser unterwegs war: Nach der glanzlosen Bestätigung bei der Bundestagswahl 1987 kratzten insbesondere die zähen Auseinandersetzungen um die geplante Steuerreform am Image der Koalition und des Kanzlers, dessen politisches Ende im Jahr 1989 nahe schien.  

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Innenminister und Architekt der deutschen Einheit

Auf die wachsenden Anfechtungen reagierte Kohl im Frühjahr 1989 mit einer umfassenden Kabinettsumbildung, bei der der kantige CSU-Innenminister Friedrich Zimmermann durch den moderateren Schäuble ersetzt wurde. Innerhalb kurzer Zeit gelang es diesem, die innen- und rechtspolitischen Konflikte zwischen CSU und FDP zu dämpfen und eine Novellierung des Ausländerrechts auf den Weg zu bringen. Unterdessen sekundierte er Kohl bei der Abwehr einer halbherzigen Fronde, zu der der nicht erneut als Generalsekretär vorgeschlagene Heiner Geißler im Vorfeld des Bremer CDU-Parteitags im September 1989 ansetzte.

Der vereitelten Parteirevolte folgte mit dem Fall der Berliner Mauer eine welthistorische Zeitenwende. Während Kohl mit instinktiver Sicherheit die Zustimmung der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs für die Wiedervereinigung einholte und Finanzminister Theo Waigel die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion aufgleiste, war es Schäuble, der das Heft des Handelns bei den anstehenden Verhandlungen um die rechtliche Integration der DDR in die Bundesrepublik an sich zog. Gemeinsam mit dem DDR-Unterhändler Günther Krause gelang es ihm innerhalb weniger Wochen, die komplexen Detailfragen zu klären und durch Einbindung der zaudernden SPD die erforderlichen Mehrheiten einzuwerben. Die Unterzeichnung des Einigungsvertrags am 31. August 1990 war die historische Sternstunde in Schäubles Karriere.

Umso tragischer war das Attentat, dem Schäuble nur neun Tage nach der Wiedervereinigung am 12. Oktober 1990 zum Opfer fiel. Am Ende einer Wahlkampfveranstaltung in Oppenau, nicht weit von Schäubles Wohnort Gengenbach, trat ein geistig verwirrter Mann auf Schäuble zu und streckte ihn mit mehreren Pistolenschüssen nieder. Eine Kugel zertrümmerte das Rückenmark und fügte ihm eine Querschnittslähmung zu, von der die Arme nur knapp verschont blieben.

Nach diesem Schicksalsschlag war zunächst unklar, ob Schäuble seine politische Laufbahn würde fortsetzen können. Er trotzte der Behinderung jedoch mit eiserner Selbstdisziplin und kehrte nach wenigen Wochen in sein Ministerbüro zurück. Bei der Regierungsbildung 1990/1991 blieb er mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand zunächst Innenminister. Seine gewachsene Autorität als Architekt der Einheit wurde in der historischen Debatte des Bundestags über den künftigen Sitz von Parlament und Regierung am 20. Juni 1991 erlebbar. Schäuble gab mit seinem kurzen, eindringlichen Appell für die Hauptstadt Berlin den Ausschlag dafür, dass die Bonn-Befürworter eine knappe, unerwartete Niederlage erlitten.

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Fraktionsvorsitzender und Kanzleranwärter

Zum Jahresende 1991 kam es mit Verzögerung zum Wachwechsel im Fraktionsvorsitz. Anders als sein Vorgänger Dregger wurde Schäuble von Beginn an als potenzieller Kanzler wahrgenommen. Bei aller Loyalität zu Kohl lag es nun an ihm, Zukunftsvorstellungen für die Union zu entwickeln, die über die Ära des amtierenden Kanzlers hinauswiesen. Schäuble verkörperte einen erneuerungsbereiten Konservatismus, der die Bedeutung gemeinschaftsstiftender Werte wie Freiheit, Bürgersinn und Pflichtgefühl herausstellte und durchaus provozierend ein positives Selbstverständnis als Nation, ja sogar „Nationalstolz“, reklamierte. Ausgeprägt war seine Kritik am hypertrophen Staat, an Besitzstandsdenken und Status-quo-Orientierung.

Je mehr Kohl sich auf die großen Themen der Außen- und Europapolitik verlegte, desto mehr hatte Schäuble im Regierungsalltag die schwierigen innen- und wirtschaftspolitischen Agenden zu steuern. Im ersten gesamtdeutschen Bundestag war sein Geschick insbesondere bei der Neuregelung des Asylrechts, bei der Einführung der Pflegeversicherung und bei der Akzeptanz von Auslandseinsätzen der Bundeswehr gefordert. Nach der denkbar knappen Wiederwahl bei der Bundestagswahl 1994 fand die Koalition aus Union und FDP nur zögerlich Antworten auf die schwelende „Standortdebatte“. Letztlich scheiterten die von Schäuble vorangetriebenen „Petersberger Beschlüsse“ zur Steuerpolitik am Widerstand der SPD im Bundesrat. Die knappen Mehrheitsverhältnisse und Kohls einsame Entscheidung vom Frühjahr 1997, entgegen früheren Andeutungen bei der Bundestagswahl doch noch einmal anzutreten, verhinderten einen rechtzeitigen Wechsel im Kanzleramt und brachten Schäuble in eine undankbare Warteposition.

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Parteivorsitzender am Abgrund der Spendenaffäre

Das maßgeblich von Schäuble konzipierte „Zukunftsprogramm“, das mit Vorschlägen zu einer ökologischen Steuerreform auch Signale in Richtung der Grünen setzte, konnte die deutliche Wahlniederlage der Union 1998 nicht vereiteln. Nun fiel dem Fraktionsvorsitzenden unangefochten auch der Parteivorsitz zu. Seine erste Personalentscheidung sollte sich sogleich als die folgenreichste erweisen: Als Generalsekretärin erkor er die bisherige Umweltministerin Angela Merkel. Vordergründig verlief Schäubles erstes Amtsjahr als Oppositionsführer bemerkenswert erfolgreich. Angesichts der chaotischen Anfänge der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder erzielte die CDU im Jahr 1999 spektakuläre Wahlerfolge und konnte durch Regierungswechsel in den Ländern ihren Einfluss im Bundesrat zurückgewinnen.

Zunächst wenig erkennbar war, dass der omnipräsente Ehrenvorsitzende Kohl die eindeutige Ausrichtung der CDU auf Schäuble verhinderte. Zutage trat dies erst in voller Konsequenz, als im November 1999 über die CDU eine Parteispendenaffäre beispiellosen Ausmaßes hereinbrach, für die Kohl die Hauptverantwortung trug, in die aber auch Schäuble verstrickt war. Die folgenden Wochen gerieten zu einem selbstzerstörerischen Machtkampf zwischen Kohl und Schäuble. Dessen Glaubwürdigkeit litt darunter, dass er im Bundestag die Entgegennahme einer Barspende in Höhe von 100.000 Euro verschwiegen hatte und sich über deren Verbleib mit der früheren Schatzmeisterin Brigitte Baumeister öffentlich zerstritt. Unterdessen hatte sich die Generalsekretärin Angela Merkel kurz vor Weihnachten 1999 ohne Wissen des Parteivorsitzenden durch einen mutigen Zeitungsartikel an die Spitze der Erneuerer gesetzt. Während die unbelastete Merkel zur Hoffnungsträgerin der Union avancierte, musste Schäuble Mitte Februar 2000 vom Partei- und Fraktionsvorsitz zurücktreten.

Immerhin blieb er Mitglied des CDU-Präsidiums und übernahm nach der Bundestagswahl 2002 zusätzlich in der Fraktion als Stellvertreter Merkels die Zuständigkeit für die Außen-, Sicherheits- und Europapolitik. Viele Blicke richteten sich wieder auf ihn im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl 2004. Doch angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung war Merkel skeptisch, ob seine Kandidatur durchsetzbar gewesen wäre, und lancierte mit dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle die Bewerbung des wenig bekannten IWF-Präsidenten Horst Köhler. Der übergangene Schäuble ließ sich im Gegenzug wenig später nicht in die Pflicht nehmen, als Merkel ihn bat, anstelle des zurückgetretenen Friedrich Merz innerhalb der Fraktion die Zuständigkeit für die Wirtschafts- und Finanzpolitik zu übernehmen. 

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Minister unter Merkel in der Euro-Krise

Nach der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 und der Bildung einer Union/SPD-Koalition kehrte Schäuble nach 14 Jahren in das Innenministerium zurück. Hier setzte er zunächst liberale Akzente in der Integrationspolitik, indem er eine „Deutsche Islam-Konferenz“ einrichtete. Substanziell wichtiger und politisch kontroverser war allerdings Schäubles Politik zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Mit verschiedenen Gesetzentwürfen und Debattenbeiträgen – so zur Nutzung biometrischer Daten bei Pässen,  zur Einführung einer zentralen Anti-Terror-Datei, zur Erweiterung von Kompetenzen des Bundeskriminalamtes oder zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren bis hin zum möglichen Abschuss von gekaperten Flugzeugen – zeigte Schäuble klares Profil.

Eine unerwartete Wende nahm Schäubles Karriere noch einmal nach der Bundestagswahl 2009, die dank einer erstarkten FDP zu einer Neuauflage der christlich-liberalen Koalition führte. Da FDP-Chef Westerwelle für sich das Außenministerium reklamierte, konnte Bundeskanzlerin Merkel das wichtigere Finanzministerium für die CDU sichern und es Schäuble übertragen. Vordergründig oblag es dem zeitweise gesundheitlich angeschlagenen Schäuble im neuen Amt, die ambitionierten Forderungen der FDP nach Steuersenkungen auszubremsen und die nach der Finanzmarktkrise von 2008 dringend gebotene Konsolidierung des Bundeshaushaltes voranzutreiben. In der Tat gelang es ihm, nacheinander mehrere Haushalte ohne Neuverschuldung vorzulegen und zu vollziehen – erstmals seit 1969.

Die haushaltspolitischen Erfolge verblassten jedoch vor dem Hintergrund der dramatischen Währungs- und Staatsschuldenkrise, die Europa seit 2008 erfasste. Sie war einerseits unmittelbare Folge der Finanzmarktkrise, andererseits hatte die in vielen Euro-Ländern verbreitete Neigung, die Kosten der Staatsverschuldung niedrig zu halten und deren Risiken zu kollektivieren, nicht unerheblich zu den Fehlanreizen und Finanzillusionen auf den Finanzmärkten beigetragen. Schäubles Agieren in der Krise leitete sich aus dem „Kerneuropa“-Konzept ab, das er 1994 zusammen mit dem Außenpolitiker Karl Lamers formuliert hatte. Mit Blick auf die Währungsunion hielt er – anders als die FDP und weite Teile der Union – eine stärkere Vergemeinschaftung der Währungs- und Finanzpolitik als Integrationskern für erforderlich, zu der sich die dazu willigen Länder allerdings auf ein verbindliches Regelwerk zur Disziplinierung ihrer Haushaltspolitiken und zur Stabilisierung der gemeinsamen Währung einlassen müssten. Kanzlerin Merkel ließ sich zunächst nur zögernd auf gemeinschaftliche Rettungskonzepte für gefährdete Länder ein, stellte ihre Bedenken aber allmählich hintan und verfolgte schließlich als prioritäres Ziel, die Währungsunion mit allen Ländern zusammenzuhalten. Schäuble dagegen hielt es im Falle Griechenlands, das sich den Forderungen nach Haushaltssanierung und Strukturreformen notorisch zu widersetzen versuchte, für geboten, dass das Land zumindest zeitweise aus der Währungsunion ausscheiden solle. 2012 für seine europapolitischen Verdienste mit dem renommierten Karlspreis ausgezeichnet, wurde Schäuble über die von ihm eingeforderte Austeritätspolitik zur europäischen Kontroversfigur. Das ohnehin komplizierte Verhältnis zur Kanzlerin bekam hierdurch weitere Risse, die sich in der Flüchtlingskrise 2015/2016 vertieften. Unterm Strich blieb das hektische Krisenmanagement jener Jahre ambivalent: Es gelang einerseits die Währungsunion zusammenzuhalten, andererseits kam es gegen den nachlassenden Widerstand Deutschlands zur Aufweichung der Stabilitätskultur und zur Vergemeinschaftung von Schulden und Risiken.

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Nestor von Parlament und Partei

Nach der Bundestagswahl 2017 entzog sich Schäuble allen Unwägbarkeiten der langwierigen Regierungsbildung und folgte zügig dem Ruf, die Nachfolge des langjährigen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert zu übernehmen. Mit seiner Autorität und Erfahrung fand er sich schnell in die neue Rolle hinein – als Hüter der parlamentarischen Debattenkultur angesichts des oft provokativen Auftretens der AfD, als Repräsentant des Selbstbewusstseins des Bundestages gegenüber der von ihm gewählten Bundesregierung während der Corona-Pandemie und als öffentliche Instanz zu Fragen der Verfassungspolitik und der Demokratie. Notwendigerweise ging sein tagespolitischer Einfluss nun zurück. Als Nestor der Union vermittelte er aber im Sommer 2018 erfolgreich in dem eskalierten Streit zwischen den beiden Parteivorsitzenden Merkel und Seehofer um die Asyl- und Zuwanderungspolitik. Nach Merkels Rückzug vom Parteivorsitz unterstützte er 2018 gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und 2020/2021 gegen Armin Laschet vergeblich die Kandidaturen von Friedrich Merz für den CDU-Parteivorsitz. Eine entscheidende Rolle fiel ihm im Frühjahr 2021 noch einmal zu, als er dem neuen CDU-Vorsitzenden Laschet im Ringen um die Kanzlerkandidatur gegen den CSU-Vorsitzenden Markus Söder den Rücken stärkte.

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Bilanz

Auch wenn ihm das Kanzleramt verwehrt blieb, gehört Wolfgang Schäuble zu den machtpolitisch einflussreichsten und in ihrer intellektuellen Vielschichtigkeit interessantesten Persönlichkeiten, die die CDU in ihrer Geschichte hervorgebracht hat. Als versierter, allerdings auch nicht immer fehlerfreier und unbestrittener Techniker der Macht war er eine entscheidende Stütze für Kohls lange Kanzlerschaft und erwarb sich mit der Aushandlung des Einigungsvertrags eigene historische Verdienste. Sein frühes Scheitern als Parteivorsitzender im Zuge der Parteispendenaffäre war nach Lage der Dinge unvermeidbar und nicht ohne Tragik, aber auch zum Teil selbstverschuldet. Nach dem persönlichen Bruch mit seinem Vorgänger Kohl verband ihn zu seiner Nachfolgerin Merkel eine komplizierte Beziehung, die ebenfalls von gemeinsamen Erfolgen und wechselseitigen Abhängigkeiten, aber auch wiederkehrenden Enttäuschungen und Verletzungen geprägt war. Mit seinem aus der protestantischen Ethik und einem skeptizistischen Politikverständnis abgeleiteten Konservatismus, der mehr kommunitaristische als liberale Züge trug, prägte er die Programmentwicklung der CDU seit der Wiedervereinigung maßgeblich und war ihr wichtigster Repräsentant in vielen Selbstverständigungsdebatten des Landes. Nachwirken wird insbesondere sein außen- und europapolitisches Denken, das bei aller Bejahung der Integration von der Notwendigkeit tragfähiger Institutionen und robuster Ordnungsregeln ausgeht.

Am 26. Dezember 2023 verstarb Wolfgang Schäuble in Offenburg nach langer Krankheit.

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Lebenslauf

  • 18.09.1942 Geburt in Freiburg i. Br.
  • 1961 Abitur in Hausach
  • 1961–1966 Studium in Freiburg und Hamburg
  • 1963/64 Vorsitzender des RCDS in Hamburg bzw. Freiburg
  • 1965 Eintritt in die CDU
  • 1966 Erstes Juristisches Staatsexamen
  • 1969 Heirat mit Ingeborg Hensle. Vier Kinder.
  • 1969–1972 Bezirksvorsitzender der JU Südbaden
  • 1970 Zweites Juristisches Staatsexamen
  • 1972 Promotion zum Dr. iur., Eintritt in die Finanzverwaltung des Landes Baden-Württemberg (Regierungsrat)
  • seit 1972 Mitglied des Deutschen Bundestags
  • 1973 Berichterstatter im Steiner/Wienand-Untersuchungsausschuss
  • 1976–1984 Vorsitzender des Bundesfachausschusses Sport der CDU
  • 1978 Zulassung als Rechtsanwalt beim Landgericht Offenburg
  • 1981–1982 Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • 1982-1984 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • 1984–1989 Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramts
  • 1989–1991 Bundesminister des Innern
  • 1990 Verhandlungsführer der Bundesregierung zum Einigungsvertrag
  • 12.10.1990 Attentat während einer Wahlkampfveranstaltung
  • 1991–2000 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • 1998–2000 Parteivorsitzender der CDU
  • 2000 Rücktritt von Partei- und Fraktionsvorsitz im Zusammenhang mit der CDU-Parteispendenaffäre
  • seit 2000 Mitglied des CDU-Präsidiums
  • 2002–2005 stv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagfraktion
  • 2005–2009 Bundesminister des Innern
  • 2009–2017 Bundesminister der Finanzen
  • 2012 Träger des Karlspreises
  • 2017–2021 Präsident des Deutschen Bundestags
  • seit 2021 Alterspräsident des Deutschen Bundestags

 

Veröffentlichungen

  • Der Vertrag. Wie ich über die deutsche Einheit verhandelte. Hg. und mit einem Vorwort von Dirk Koch und Klaus Wirtgen. Stuttgart 1991.
  • Und der Zukunft zugewandt. Berlin 1994.
  • Und sie bewegt sich doch. Berlin 1998.
  • Mitten im Leben. Berlin 2000.
  • Scheitert der Westen? Deutschland und die neue Weltordnung. München 2003.
  • Protestantismus und Politik. München 2017.
  • Grenzerfahrungen. Wie wir an Krisen wachsen. Berlin 2021.

 

Literatur

  • Werner Filmer/Heribert Schwan, Wolfgang Schäuble. Politik als Lebensaufgabe.  München 1992.
  • Ulrich Reitz, Wolfgang Schäuble. Die Biographie. Bergisch Gladbach 1996.
  • Hans Peter Schütz, Wolfgang Schäuble. Zwei Leben. Ein Porträt. München 2012.

 

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