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Karl Trimborn, Fotos aus: Büro des Reichstags (Hg.): Reichstags-Handbuch 1920, I. Wahlperiode, Verlag der Reichsdruckerei, Berlin 1920 Karl Trimborn, Fotos aus: Büro des Reichstags (Hg.): Reichstags-Handbuch 1920, I. Wahlperiode, Verlag der Reichsdruckerei, Berlin 1920 © gemeinfrei

Carl Trimborn

Rechtsanwalt, Vorsitzender des Zentrums 2. Dezember 1854 Köln 25. Juli 1921 Bonn
von Wolfgang Tischner

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​​​​​Kindheit und Ausbildung

Karl Trimborn wurde am 2. Dezember 1854 als drittes von insgesamt 14 Kindern des Kölner Rechtsanwalts Kornelius Balduin Trimborn geboren. Der Vater war ein arrivierter Rechtsanwalt, der neben einer großen Kanzlei auch als Abgeordneter im Preußischen Abgeordnetenhaus und später im Reichstag über politischen Verbindungen verfügte, die Familie der Mutter hatte die Kölner Posthalterei innegehabt.

In der Kindheit durch Schwerhörigkeit und einen Sprachfehler beeinträchtigt, die ihm auch später noch zu schaffen machen sollten, legte Trimborn am Kölner Apostelgymnasium 1873 sein Abitur ab. Die Tatsache, dass Trimborn nicht das traditionsreiche Marzellengymnasium, sondern eine neugegründete Schule besuchte, ist vielleicht charakteristisch: Obwohl er von seinem familiären Hintergrund her zur Kölner Oberschicht gehörte, verharrte er nicht in traditionellen Strukturen, sondern nutzte beherzt alle Chancen, die sich ihm im Zuge der Reichsgründungszeit boten. Deutlich wird dies auch etwa bei der Wahl der Universität: Die klassische Alma mater für einen preußischen Katholiken war eigentlich die Universität in Bonn oder in Münster. Trimborn dagegen entschied sich für Leipzig, das unter dem sächsischen Kultusminister von Falkenstein im Jahrzehnt der Reichsgründung die prestigeträchtigste deutsche Hochschule geworden war. Dort studierte der Rheinländer anfangs Geschichte und Philosophie, später wechselte er zur Jurisprudenz. Es folgten Stationen an der Universität München und – wieder ein Indiz für seine Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem – an der neu begründeten Reichsuniversität Straßburg, bevor er nach dem Assessorexamen 1882 in die väterliche Kanzlei eintrat. Der Wechsel zum Jurastudium erfolgte nicht ohne Druck seitens des Vaters, was das Verhältnis deutlich belastete. 1884 heiratete Trimborn die belgische Fabrikantentochter Jeanne Mali; aus der glücklichen Ehe ging eine Tochter hervor. Seine Frau war wie Trimborn sozialpolitisch stark engagiert.

 

Organisator des katholischen Milieus

Trimborns Studienzeit fiel in die Hochphase des Kulturkampfes. Um die Reichsgründung innenpolitisch abzusichern, brauchte der Reichskanzler und Preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck ein Bündnis mit den Liberalen. Der politische Preis dafür war ein gesellschaftspolitischer Kampf gegen den angeblich finsteren und antimodernen Katholizismus. Obwohl dieser Konflikt zwischen Liberalismus und Katholizismus sich auch in anderen europäischen Ländern wie der Schweiz oder den Niederlanden zeigte, fand er im Deutschen Reich eine besonders starke Ausprägung. Geführt wurde er von seiten des Staates mit einer Serie von Gesetzen, die der katholischen Kirche ihre Kirchensteuern und teilweise auch ihre Kirchengebäude entzogen, Geistliche und Ordensfrauen de facto vom Schulunterricht ausschlossen und zur Ausweisung von Tausenden Geistlichen aus Deutschland führte. Die deutschen Katholiken reagierten auf diese Verfolgung mit einer politischen und gesellschaftlichen Mobilisierung. Die neugegründete Zentrumspartei konnte in den 1870er Jahren bis zu drei Viertel aller Katholiken bei den Wahlen hinter sich versammeln, die Katholiken gründeten ein dichtes Netzwerk an Vereinen und separierten ihr Sozialleben von dem der protestantischen Mehrheitsgesellschaft. Die Bildung dieser Subgesellschaft, des katholischen Milieus, sollte die deutsche Gesellschaft bis in die 1970er Jahre hinein prägen.

Trimborn begann schon in seiner Leipziger Studienzeit mit der Gründung der katholischen Studentenverbindung Teutonia, sich als Organisator der entstehenden Milieustrukturen hervorzutun. Er stellt gewissermaßen den Idealtypus eines in der Forschung so bezeichneten „Milieumanagers“ dar. Durch seine familiären Kontakte im Rheinland, aber auch in der Studienzeit geschlossene Freundschaften war er hierfür prädestiniert: Aus der Leipziger Zeit war er mit Adolf Gröber (Vorsitzender des Zentrums 1919–20) befreundet, in Straßburg kam Karl Bachem, der spätere Geschichtsschreiber des Zentrums, und später noch der Historiker Hermann Cardauns dazu.

Trimborns Lebenslauf entwickelte sich parallel zum Aufbau und Ausbau der katholischen Milieuorganisation: 1893 wurde er Stadtverordneter in Köln, eine Tätigkeit, die er bis 1913 ausübte. Sozialpolitisch sehr engagiert, verdiente er sich seine Sporen im Vinzenzverein, bevor er im neugegründeten Volksverein für das katholische Deutschland seine eigentliche Berufung fand. Noch auf Vorschlag des greisen Ludwig Windthorst, der unumstrittenen Führungsfigur des deutschen Katholizismus, wurde er 1890 dessen zweiter Vorsitzender. Er war der eigentliche Organisator und baute als „Generalinstrukteur“ (August Pieper) den heute weitgehend in Vergessenheit geratenen Volksverein zu einer schlagkräftigen Vorfeldorganisation der Zentrumspartei aus. Anders als bei der ebenfalls modern organisierten SPD war im Katholizismus die eigentliche Partei im Wesentlichen auf die jeweiligen Fraktionen beschränkt, während der in Mönchengladbach angesiedelte Volksverein die unverzichtbare Organisationsarbeit leistete. Fast schon selbstverständlich war es, daß Trimborn dann seit 1896 das Zentrum im Preußischen Abgeordnetenhaus und im Reichstag vertrat. Schon seit 1894 war er auch Vorsitzender des rheinischen Zentrums, der wichtigsten regionalen Gliederung.

Da die Anwaltstätigkeit für Trimborn immer nur ungeliebter Broterwerb war, gab er 1904 seine Kanzlei auf und widmete sich ganz der Politik. Finanziell war ihm dies trotz der damals nur rudimentären Abgeordnetenbesoldung möglich, da er über äußerst erfolgreiche Grundstücksgeschäfte wohlhabend geworden war. Sein Vermögen wurde 1911 auf ein bis zwei Millionen Mark geschätzt, eine damals immense Summe.

 

In Krieg und Revolution

Obwohl Trimborn während seiner Abgeordnetentätigkeit an vielen wichtigen Gesetzesinitiativen beteiligt war, liegt seine eigentliche Bedeutung in seiner Organisationstätigkeit. Er wuchs nach Windthorsts Tod 1892 in die Rolle als vielleicht wichtigster Organisator des katholischen Milieus herein; eine Tätigkeit, für die er durch sein ausgleichendes Wesen, seine Kompromißfähigeit und seinen konzilianten Umgang her prädestiniert war. Als Politiker fehlte ihm politisches Charisma und der Wille zur Macht; Trimborn blieb zeitlebens der klassische Moderator.

In seiner Funktion für den deutschen Katholizismus konnte Trimborn im späten Wilhelminismus seine Arbeit von Erfolg gekrönt sehen; nach der Jahrhundertwende hatte sich das Zentrum als wichtige Kraft etabliert, die – wenn auch eher unwillig – von der Regierung als Bollwerk gegen die aufkommende Sozialdemokratie gebraucht wurde. Die Kulturkampfgesetze wurden immer weiter abgebaut, die Katholiken schienen anzukommen im Deutschen Reich.

Dieser Prozess wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs zunächst noch beschleunigt. Die Äußerung Wilhelms II. zu Kriegsbeginn, er kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche, wurde innenpolitisch als Signal zum Abbau gesellschaftlicher Barrieren verstanden. Politisch umgesetzt wurde es durch eine steigende Beteiligung der Parteien auch an Exekutivfunktionen, auch wenn die eigentliche Macht bei der Obersten Heeresleitung lag.

In diesem Zusammenhang ist auch Trimborns Eintritt in die deutsche Zivilverwaltung im besetzten Belgien zu sehen. Dort übernahm er die Leitung des belgischen Kultusministeriums, was ihm trotz der außerordentlich belastetenden Bedingungen – die deutsche Armee hatte während der Eroberung etliche Kriegsverbrechen begangen – offenbar im weitgehenden Einvernehmen mit seinen belgischen Beamten gelang.

1917 kehrte Trimborn nach Deutschland zurück. Er übernahm in Vertretung seines erkrankten Freundes Gröber die Leitung der Zentrumsfraktion im Reichstag und war in den kommenden Monaten, als eine Niederlage Deutschlands im Krieg immer wahrscheinlicher wurde, ein zentraler Verhandlungsführer zwischen den Fraktionen. Er gehörte zu den Verfechtern der Friedensresolution des Reichstags von 1917 und drängte auf eine Reform des preußischen Dreiklassenwahlrechts.

Zu den tragischen Entwicklungen der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert gehört die Tatsache, dass Kaiserreich erst im Angesicht der militärischen Niederlage parlamentarisch reformiert wurde. Mit den Oktoberreformen 1918 wurde es in eine parlamentarische Monarchie umgewandelt. Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts, Ministerverantwortlichkeit und Zurückdrängung des Einflusses des Monarchen hätten ohne die Revolution vermutlich die Chance auf eine entwicklungsfähige Demokratie geboten. Trimborn trat nach anfänglichem Zögern noch im Oktober 1918 als Staatssekretär in die kaiserliche Regierung ein; die Integration der Katholiken war damit auch auf der obersten politischen Ebene erreicht.

Nach der Revolution ließ sich Trimborn in die Nationalversammlung wählen und beteiligte sich an der Ausarbeitung der Weimarer Verfassung. Er übernahm 1920 den Parteivorsitz des Zentrums, lehnte aber den Vorschlag von Reichspräsident Friedrich Ebert, die Regierungsbildung zu übernehmen, ab. Politisch engagierte er sich kurzzeitig für eine Abtrennung der Rheinlande von Preußen, um dadurch französischen Annexionswünschen zuvorzukommen. Freilich schwebte ihm dabei ein Verbleib des Rheinstaates im Reichsverbund vor. Schon deutlich gezeichnet von Blasenkrebs, starb Karl Trimborn nach mehreren Operationen am 25. Juli 1921 in Bonn.

Die historische Bedeutung Karl Trimborns liegt nicht nur in seiner Beteiligung an zentralen politischen Entscheidungen der deutschen Geschichte wie den Oktoberreformen oder der Verabschiedung der Weimarer Verfassung. In seiner Biographie zeigt sich vielmehr paradigmatisch der Weg des deutschen Katholizismus im Kaiserreich: Hineingezwungen in den Kulturkampf, abgestempelt als „Reichsfeinde“, erkämpften sich die Katholiken doch bis zum Ersten Weltkrieg eine weitgehende Gleichberechtigung. Mittel in dieser Auseinandersetzung war das katholische Milieu, ein damals höchst modernes Beziehungsgeflecht katholischer Organisationen im Vorfeld der Zentrumspartei. Im Ersten Weltkrieg wurde die Parlamentarisierung des Reiches erreicht, sichtbares Zeichen waren die aus den Reichstagsfraktionen gewählten Staatssekretäre 1918, unter ihnen Trimborn. Tragischer Weise geschah dies erst im Angesicht der militärischen Niederlage. Trimborn war als Parteivorsitzender maßgeblich daran beteiligt, dass sich die Zentrumspartei von Anfang an auf den Boden der parlamentarischen Demokratie stellte.

Sein Nachlass befindet sich im Historischen Archiv der Stadt Köln.

 

Lebenslauf

  • 1873–1877 Studium der Philosophie und Geschichte, dann Jura in Leipzig, München und Straßburg
  • seit 1877 Tätigkeit im Kölner Vinzenz- und Kolpingsverein
  • 1882–1904 Rechtsanwalt in Köln
  • 1882–1913 Stadtverordneter (Zentrum)
  • 1890 stellvertretender
  • 1914 Vorsitzender des Volksvereins für das katholische Deutschland
  • 1893–1918 Vorsitzender der Rheinischen Zentrumspartei
  • 1896–1921 Mitglied des Reichstages
  • 1896–1918 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses
  • 1914–1917 Generalreferent für Unterrichtswesen und Kultus bei der deutschen Zivilverwaltung in Belgien, 04.10.–10.11.1918 Staatssekretär des Innern
  • 1919–1920 Mitglied der Deutschen Nationalversammlung
  • 1920–1921 Vorsitzender der Zentrumsfraktion des Reichstages
  • 22.01.1920–25.07.1921 Vorsitzender des Zentrums.

 

Literatur

  • Norbert M. Borengässer: Carl Trimborn. In: BBK XII (1997), Sp. 494-497
  • Christoph Kuhl: Carl Trimborn (1854-1921). Eine politische Biographie. Paderborn u.a. 2011. (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen Bd. 120)
  • Rudolf Morsey: Karl Trimborn. In: Ders. (Hrsg.): Zeitgeschichte in Lebensbildern. Aus dem deutschen Katholizismus des 20. Jahrhunderts. Mainz 1973, S. 81-93, 301

 

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