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August Wegmann, Plakat zur Landtagswahl 1959 August Wegmann, Plakat zur Landtagswahl 1959

August Wegmann

Jurist, Minister 21. Oktober 1888 Dinklage/Kreis Vechta 6. Juni 1976 Oldenburg
von Andreas Grau
In Niedersachsen, vor allem in Oldenburg hat sein Name bis heute einen guten Klang. Der gläubige Katholik gehörte in den 1950er und 1960er Jahren zu den markantesten Figuren in der niedersächsischen Politik. Aufgrund seiner Herkunft und seines ausgeprägten Rechtsbewusstseins setzte sich der konservative Politiker besonders für den Erhalt der Rechte und Traditionen des Freistaates Oldenburg ein.

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Jugend und Studium

August Wegmann wurde am 21. Oktober 1888 in Dinklage als Sohn eines Webers geboren. Das katholische Elternhaus prägte ihn sein Leben lang. Er besuchte das Gymnasium in Vechta und später in Quakenbrück, wo er sich den Schulbesuch durch Nachhilfeunterricht für die Kinder des Rektors verdiente. 1910 bestand er das Abitur und begann anschließend in Freiburg im Breisgau ein Jurastudium. Er schloss sich damals dem Kartellverband Katholischer Deutscher Studentenvereine (KV) an, dem er stets eng verbunden blieb. Nach Stationen in Berlin, München und Münster bestand Wegmann 1913 das 1. Staatsexamen.

Sein Referendariat in Vechta und Oldenburg wurde durch den Ausbruch des 1. Weltkriegs 1914 unterbrochen. Wegmann meldete sich freiwillig und wurde im Laufe des Krieges zum Oberleutnant und Führer einer Maschinengewehr-Kompanie befördert. Das Kriegserlebnis hatte einen prägenden Eindruck auf ihn. 1919 aus dem Heer entlassen, setzte er sein Referendariat fort und bestand 1920 das 2. Staatsexamen. Als Assessor trat er anschließend in das Staatsministerium des Freistaates Oldenburg ein und wechselte 1923 – nach kurzer Tätigkeit als Rechtsanwalt – als Ministerialrat in das oldenburgische Finanzministerium, wo er die Haushaltsabteilung leitete.

 

Reichstagsabgeordneter

Bei der Reichstagswahl im Mai 1924 kandidierte August Wegmann, der schon als Wahlredner für das Zentrum hervorgetreten war, im Wahlkreis Weser-Ems und wurde über die Reichsliste des Zentrums auch in den Reichstag gewählt. Er blieb bis November 1933 Mitglied des Parlaments. Obwohl er der jüngste Abgeordnete seiner Fraktion war, wurde ihm bereits 1926 deren Geschäftsführung übertragen – eine Würdigung seiner besonderen Fähigkeiten.

Daneben arbeitete er im Rechtsausschuss, im Haushaltsausschuss sowie im Ausschuss zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung mit. 1927 heiratete er Anna Leffers. Aus der glücklichen Ehe gingen fünf Kinder hervor. Zu Beginn der 1930er Jahre unterstützte der sparsame Wegmann die Politik von Reichskanzler Heinrich Brüning, dem er sich sehr verbunden fühlte. Nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligte er sich daher intensiv an der Diskussion um das Wirken und die Person Brünings und verteidigte diesen gegen den Vorwurf, maßgeblich zur Auflösung der Weimarer Republik beigetragen zu haben. Auch Brüning hielt zeitlebens Kontakt zu Wegmann, den er zu den „Treuesten der Treuen“ rechnete.

 

Drittes Reich

Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler gehörte Wegmann im März 1933 zu den Abgeordneten, die im Auftrag des Zentrums Einfluss auf die Ausarbeitung des Gesetzes über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums nehmen sollten. Außerdem war er Mitglied des Kuratoriums für das Restvermögen der Zentrumspartei. Als letzter Geschäftsführer nahm er im Zuge der Auflösung der Zentrumsfraktion deren Protokolle an sich. Um sie vor dem Zugriff der Gestapo zu schützen, versteckte er die Kladden auf dem Dachboden seines kleinen Elternhauses. Erst 1962 übergab Wegmann diese wichtige Quelle der neugegründeten Kommission für Zeitgeschichte, die sie umgehend veröffentlichte.

Da er als Zentrumsmitglied am 1. Mai 1933 zwangsweise in den Ruhestand versetzt wurde, arbeitete er wieder als Rechtsanwalt in Delmenhorst. Mit Rücksicht auf seine große Familie hielt sich Wegmann politisch zurück. Seine politische Korrespondenz verbrannte er vorsichtshalber in der Heizung. Eine Ausnahme von dieser „Vorbeugungsmaßnahme“ waren Akten zur Kanzlerschaft des früheren Reichskanzlers Brüning, die er ihm bei einem Besuch im niederländischen Exil 1934 mitbrachte. Er blieb aber im Fadenkreuz der Nazionalsozialisten. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 wurde er im Zuge der Aktion „Gewitter“ verhaftet und kam ins Polizeigefängnis Oldenburg. Aufgrund einer schweren Diphterieerkrankung musste er im Oktober 1944 in die Isolierstation des Oldenburger Krankenhauses verlegt werden. Dort wurde er bis März 1945 behandelt. Um sich einer erneuten Verhaftung durch die Gestapo zu entziehen, versteckte er sich bis Kriegsende in einem Pfarrhaus in Osternburg.

 

Minister und Verwaltungspräsident in Oldenburg

Unmittelbar nach der Kapitulation Deutschlands kehrte August Wegmann wieder in die Politik zurück. Bereits am 11. Mai 1945 wurde er zum kommissarischen Landrat des Kreises Oldenburg-Land ernannt und kurz darauf übertrug ihm sein Freund, der oldenburgische Ministerpräsident Theodor Tantzen, die Leitung der Abteilung für Inneres, Verwaltung und Polizei im Oldenburgischen Staatsministerium. Nachdem das Land Oldenburg durch die Britische Militärregierung wiederhergestellt worden war, übernahm der überzeugte Oldenburger Wegmann in der Regierung Tantzen im April 1946 das Amt des Innenministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten. Obwohl sich beide vehement für den Fortbestand Oldenburgs einsetzten, hatten ihre Bemühungen letztlich keinen Erfolg: Mit der Gründung des Landes Niedersachsen am 1. November 1946 durch die Verordnung Nr. 55 der Militärregierung endete die oldenburgische Selbständigkeit wieder. Während Tantzen in die Landesregierung nach Hannover wechselte und kurz darauf starb, wurde Wegmann im Dezember 1946 zum Präsidenten des neuen niedersächsischen Verwaltungsbezirks Oldenburg ernannt. Der Vorschlag der CDU, auch Wegmann, der inzwischen CDU-Mitglied geworden war, als Innenminister in die Landesregierung aufzunehmen, scheiterte am damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Hinrich Wilhelm Kopf(SPD).

Bis zu seiner Pensionierung 1953 amtierte Wegmann als selbstbewusster Verwaltungspräsident in Oldenburg. Trotz der großen Enttäuschung über den Verlust der Selbstständigkeit bemühte er sich, die Rechte des ehemaligen Landes Oldenburg gegenüber den Zentralisierungsbestrebungen Hannovers zu verteidigen und dessen Geschichte und Tradition zu wahren. So konnte er u.a. eine Anpassung des oldenburgischen Schulwesens an das niedersächsische Schulrecht verhindern. 1948 gelang es ihm, mit Ernst Wirmer einen Vertreter oldenburgischer Interessen für das Land Niedersachsen in den Parlamentarischen Rat nach Bonn zu entsenden.

 

In der Landespolitik

Anstatt sich als Pensionär nun ausschließlich seinen Hobbies, der Kunst und der Jagd zu widmen, nahm August Wegmann, der bei seinem Ausscheiden aus dem Amt des Verwaltungspräsidenten mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden war, seine politische Arbeit wieder auf. Nach dem plötzlichen Tod von Hermann Ehlers im Oktober 1954, ließ er sich dazu überreden, dessen Nachfolger als Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Oldenburg zu werden. Außerdem wurde er im April 1955 in den Niedersächsischen Landtag gewählt. Da Bundeskanzler Adenauer auf die Bildung einer bürgerlichen Koalition in Niedersachsen und die Ablösung des SPD-Ministerpräsidenten drängte, bildeten CDU, Deutsche Partei (DP), Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) und FDP nach der Landtagswahl eine Regierungskoalition. Zum Ministerpräsidenten wurde am 26. Mai 1955 der DP-Vorsitzende Heinrich Hellwege gewählt. Das Amt des Innenministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten übernahm Wegmann.

Als überzeugter Föderalist legte der neue Innenminister u.a. ein Oldenburg-Gesetz vor, das die historischen Belange und das kulturelle Erbe Oldenburgs sichern sollte. Weil die Verabschiedung des Gesetzes auf sich warten ließ, drohte der ebenso entschlossene, wie zuweilen auch unbequeme Wegmann im Oktober 1956 sogar mit Rücktritt. Erst 1958 konnte sein Nachfolger im Amt, Hinrich Wilhelm Kopf, den Gesetzentwurf vorlegen. Das Ende der Legislaturperiode 1959 verhinderte allerdings eine Verabschiedung des Gesetzes.

Bereits im November 1957 brach die bürgerliche Regierungskoalition in Hannover auseinander, nachdem die FDP-Fraktion unabgesprochen Abgeordnete der rechtsradikalen Deutschen Reichspartei (DRP) als Hospitanten aufgenommen hatte. Nach kurzen Verhandlungen schmiedete Hellwege eine neue Regierungskoalition aus CDU, DP und SPD. Da die SPD aber das Innen- und das Sozialministerium beanspruchte, mußte Wegmann das Innenministerium abgeben und wurde neuer Finanzminister. Trotzdem gehörte er zu den CDU-Abgeordneten, die die Koalition mit der SPD begrüßten. Anlässlich seines 70. Geburtstages im Oktober 1958 ehrte die Landesregierung August Wegmann mit einer Kabinettssitzung in Oldenburg.

Aus der Landtagswahl im April 1959 ging die SPD wieder als Sieger hervor. Nachdem Spitzenkandidat Kopf eine Koalition mit BHE und FDP geschlossen hatte, mussten CDU und DP in die Opposition gehen. Als einfacher Abgeordneter gehörte Wegmann noch bis 1967 dem Landtag an. Den Vorsitz der CDU-Oldenburg hatte er schon 1965 seinem Landsmann Gerhard Glup übergeben. Allen Bemühungen, zur Gründung eines einheitlichen niedersächsischen CDU-Landesverbandes, konnte er sich in seiner Amtszeit erfolgreich widersetzen.

 

Unruhestand

Kurz nach seinem Ausscheiden aus der Politik wurde August Wegmann anlässlich seines 80. Geburtstages 1968 von der Landesregierung mit einem großen Empfang im Oldenburger Schloss geehrt. Dabei überreichte ihm der damalige Bischof von Münster, Joseph Höffner, das Großkreuz des päpstlichen St. Sylvester Ordens. Pflichtbewusst nahm Wegmann weiterhin seine Ämter als Vorsitzender des Verwaltungsrats der Staatlichen Kreditanstalt Oldenburg-Bremen und des Aufsichtsrats der Oldenburgischen Landesbank war. Als Mitglied der 1962 gegründeten Kommission für Zeitgeschichte beteiligte er sich außerdem lebhaft an den Diskussionen um die Zustimmung des Zentrums zum Ermächtigungsgesetz, den Untergang des Zentrums und den Abschluss des Konkordats mit dem Vatikan 1933.

August Wegmann starb am 6. Juni 1976 hochgeachtet in seinem geliebten Oldenburg. Zu seiner Beerdigung erwiesen ihm Vertreter der Landesregierung, des Landtags und der niedersächsischen CDU sowie viele Bundes- und Landtagsabgeordnete die letzte Ehre.

Lebenslauf

  • 21. Oktober 1888 geboren in Dinklage, kath. Gymnasium in Vechta und Quakenbrück
  • 1910 Abitur in Quakenbrück
  • 1910–1913 Jurastudium in Freiburg, Berlin, München und Münster
  • 1913 1. Staatsexamen
  • 1914–1919 Kriegsdienst, Oberleutnant
  • 1920 2. Staatsexamen
  • 1920 Assessor im Oldenburgischen Staatsministerium
  • 1922/23 Rechtsanwalt
  • 1923 Ministerialrat im Oldenburgischen Finanzministerium
  • 1924–1933 Mitglied des Reichstages (Zentrum)
  • 1927 Heirat mit Anna Leffers, 5 Kinder
  • 1. Mai 1933 aus dem Staatsdienst entlassen und in den Ruhestand versetzt
  • 1933–1945 Rechtsanwalt
  • 1930–1936 Vorsitzender des Aufsichtsrats der Lebensversicherungsgesellschaft „Katholische Volkshilfe“ in Berlin
  • 1935 kurzzeitig inhaftiert
  • 1944 verhaftet
  • 11. Mai 1945 kommissarischer Landrat des Kreises Oldenburg-Land und Leiter der Abteilung für Inneres, Verwaltung und Polizei im Oldenburgischen Staatsministerium
  • 1946 Eintritt in die CDU
  • 3. April 1946 Innenminister und stellvertr. Ministerpräsident des Landes Oldenburg
  • 1946–1953 Präsident des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Oldenburg
  • 1954–1965 Vorsitzender des CDU-Landesverbandes Oldenburg
  • 1955–1967 MdL
  • 1955–1957 Innenminister und stellvertr. Ministerpräsident in der Regierung Hellwege
  • 1957–1959 Finanzminister
  • 6. Juni 1976 gestorben in Oldenburg

Auszeichnungen:

  • EK II. und EK I.
  • 1953 Großes Bundesverdienstkreuz
  • 1953 Orden vom Heiligen Grabe zu Jerusalem
  • 1958 Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband
  • 1962 Niedersächsische Landesmedaille
  • 1968 Großkreuz des päpstlicher St. Silvesterordens

 

Literatur

  • Hans Friedl: August Wegmann, in: Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg, Oldenburg 1992, S. 784-786.
  • Bernd Haunfelder: Reichstagsabgeordnete der Deutschen Zentrumspartei 1918-1933, Düsseldorf 1999.
  • Martin Schumacher (Hg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration, Ausbürgerung, 3. Aufl., Düsseldorf 1994.
  • Beatrix Herlemann: Biographisches Lexikon niedersächsischer Parlamentarier 1919-1945, Hannover 2004.
  • CDU-Landesverband Oldenburg (Hg.): CDU im Oldenburger Land 1945-1985. Chronik des CDU-Landesverbandes Oldenburg, Vechta 1986.
  • Matthias Frederichs: Niedersachsen unter dem Ministerpräsidenten Heinrich Hellwege (1955-1959), Hannover 2010.

 

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