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„Der bürgerliche Staat ist ein Instrument des Kapitals.“

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„Der Staat wird zum Verwalter einer Politik, die weitgehend außerhalb seiner Souveränität beschlossen wird. Als Machtinstrument der Monopolbourgeoisie setzt er immer unverblümter eine Politik gegen die Interessen der Bevölkerungsmehrheit durch.“ Die „bürgerliche Demokratie“ werde „ausgehöhlt und verliert ihren Inhalt“. Diese Passage im DKP-Programm ist paradigmatisch für den Demokratie-Begriff der Linksextremisten. Der demokratische Verfassungsstaat – so wird unterstellt – sei zu einem Instrument verkommen, mit dem „das Kapital“ gegen die Interessen einer angeblichen Bevölkerungsmehrheit vorgehe. Auch Demokratie ist für Linksextremisten eine Machtfrage.

Linksextremisten offenbaren ein identitäres Demokratieverständnis (siehe auch Soll eine Gesellschaft pluralistisch oder homogen sein?), dem im Übrigen auch Rechtsextremisten anhängen: Der freiheitliche Staat sei keine wirkliche Volksherrschaft; er habe sich vom Willen der Bürger entfernt. Wer als Demokrat aus welchem Grund auch immer von „der Politik“ oder „den Parteien“ enttäuscht ist, ist möglicherweise empfänglich für solche Argumente, die dann den Extremisten in die Hände spielen können. Linksextremisten knüpfen gerne an Rosa Luxemburg an, die als Demokratie allein eine sozialistische Volksbewegung gelten ließ und alle Elemente eines Konstitutionalismus verwarf (siehe auch Falsche Vorbilder: Rosa Luxemburg). Auch in der Propaganda der SED waren Gewaltenteilung, Parlamentarismus und Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik reine Fassade, ein von „Kapitalisten“ inszeniertes Kasperletheater, das ausschließlich die Funktion habe, die „wahren“ Herrschaftsverhältnisse zu verschleiern. Verkannt wird dabei, dass allein die formale Trennung von Staat und Gesellschaft die Interessenvielfalt der Menschen berücksichtigt und dennoch – durch Wahlen und andere Abstimmungen – zu politischen Entscheidungen führt. Linksextremisten wollen dagegen einen einheitlichen Volkswillen erzwingen, der in der Konsequenz allein in einem autoritären System durchgesetzt und aufrechterhalten werden kann (siehe auch Mehrheit und „Wahrheit“: Gibt es einen vorbestimmten Gemeinwillen?).

Der Antagonismus von Demokratie und Diktatur ist für Linksextremisten folgerichtig ohne Bedeutung. Für sie zählt allein der Gegensatz zwischen „Kapitalismus“ und „Sozialismus“. Es geht ihnen darum, „den Kapitalisten“ den Staat zu entreißen – durch Klassenkampf, eine Revolution oder eine „Transformation der Gesellschaft“, wie sie die „Reformer“ der Linken verfechten. Diese Partei legt zwar eine weniger dogmatische Sicht auf den Staat an den Tag, indem sie sich – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des gescheiterten „real existierenden Sozialismus“ – zu Gewaltenteilung und Parlamentarismus bekennt. Doch werden diese demokratischen Prinzipien vor allem aus strategischen Erwägungen gutgeheißen. (1) Durch die programmatischen Papiere der PDS und der Linken geistert der Begriff der „Demokratisierung“. Sogar von einer „Demokratisierung der Demokratie“ ist die Rede. Diese Forderung klingt zunächst harmlos, selbst wenn man darauf verweist, dass einst auch Revolutionär Lenin eine „Demokratisierung der Staatsordnung“ für die bürgerliche Republik einforderte. Die Linke strebt unter diesem Begriff ebenfalls einen Umbau des demokratischen Staates an. Ein Vorstandspapier macht geltend, „gesellschaftliche Solidarität und Verantwortung“ seien „ohne (...) Institutionen, in denen die Bürgerinnen und Bürger ihren Interessen Geltung verschaffen können, nicht erreichbar.“ (2) Das repräsentative System der Bundesrepublik könne das nicht leisten und müsse aus diesem Grund „ergänzt“ werden.

Die Linke strebt einen Umbau der Institutionen des demokratischen Verfassungsstaates an. In ihrem Programm lässt sie die Idee der Räte wiederaufleben: „Die Linke tritt neben dem Ausbau direkter Demokratie für ihre Erweiterung durch (...) Wirtschafts- und Sozialräte auf allen Ebenen ein. In solchen Gremien sollten Gewerkschaften, Kommunen, Verbraucherinnen und Verbraucher sowie soziale, ökologische und andere Interessenverbände vertreten sein.“ (siehe auch Was sind Räte als Ergänzungen des Parlaments?) Eine demokratische Legitimation dieser Gremien, etwa durch Wahlen, ist nicht vorgesehen. Das erstaunt bei einer Partei, die sich der Basisdemokratie verschrieben haben will. Es sollen daneben ausschließlich jene Interessen Macht im Staat erlangen, die denen des „Kapitalismus“ (vermeintlich) entgegenstehen. Auch das widerspricht allen demokratischen Prinzipien, etwa dem Mehrheitsprinzip. Weiter heißt es: Die Räte „können im Dialog erarbeiten, was (...) als orientierendes allgemeines Interesse angesehen werden soll und gesellschaftlich zur Geltung zu bringen ist.“

Aus alldem spricht ein identitäres Demokratieverständnis. Gerade die in einer Demokratie aus gutem Grund konstitutive Trennung von Staat und Gesellschaft soll aufgehoben werden. Die Linke meint zu wissen, was die Bürger mehrheitlich wollen, und leitet daraus eine Art Definitionshoheit ab. Sie will unter den Begriffen Solidarität und Gemeinwohl einen bestimmten Volkswillen konstruieren (siehe auch Mehrheit und „Wahrheit“: Gibt es einen vorbestimmten Gemeinwillen?). Und dieser Volkswille soll „zur Geltung gebracht“, mithin verbindlich festgelegt und damit zum Staatswillen gewendet werden. An einer anderen Stelle des Programms ist etwa apodiktisch (= keinen Widerspruch duldend) von den „Gemeinwohlinteressen“ und ihren Repräsentanten die Rede, deren staatlicher Einfluss gegenüber den Interessen des „Kapitals“ gesichert und institutionell verankert werden müsse. Das ist die klassische linksextremistische Argumentation – und liegt sehr nahe am Demokratieverständnis der Diktaturpartei SED (siehe auch „Sozialistische Demokratie“ am Beispiel der DDR). Für diese war die „sozialistische Demokratie darauf gerichtet, das ganze Volk in die Leitung und Planung des staatlichen (…) Lebens einzubeziehen und damit die echte Volksherrschaft zu verwirklichen.“ (3)

Es zeichnet jedes autoritäre und totalitäre System aus, dass es zwischen dem Staat und seinen Bürgern eine Identität der Interessen erklärt und durchsetzt. Das gilt es zu bedenken, wenn sich Linksextremisten für direktdemokratische Modelle starkmachen. Solche Forderungen müssen nicht auf „mehr Demokratie“ hinauslaufen, sie können auch die Schwächung des Parlamentarismus – als des Garanten der formalen Trennung von Staat und Bürgern – zum Ziel haben und einem identitären Gesellschaftsmodell und damit einer Diktatur den Weg bahnen.

Jürgen P. Lang

 

(1) Vgl. Jürgen P. Lang, Ist DIE LINKE eine demokratische Partei?, in: Uwe Backes/Alexander Gallus/Eckhard Jesse (Hrsg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie, Bd. 21, Baden-Baden 2010, S. 161–179.

(2) Parteivorstand der LINKEN, Eine starke Linke für eine andere, bessere Politik, Manuskript, 12. April 2008.

(3) Alfred Kosing, Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie, Berlin 1987, S. 105.

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Felix Neumann

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