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Verloren im World Wide Web

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Alles ist im World Wide Web möglich: zu sehen was die Freundin gerade aus Südamerika postet, während man Schuhe online zu sich nach Hause bestellt. Auch gibt es jedem Nutzer die Möglichkeit, sich ein zweites Gesicht nach einer Wunschvorstellung zu schaffen, ein Gesicht, das die Realität hinter sich versteckt hält.

Im Internet kann jeder sein, wie er will. Somit entsteht die Gefahr, durch „das zweite Gesicht“, die Wunschvorstellung eines Charakters, die reale Persönlichkeit zu verlieren. Durch Komplimente und Bestätigung anderer User wird das virtuelle Ego meilenweit gepusht. Diese Maske scheint eine Zuflucht, ein Schutz für einsame Menschen zu sein. Menschen wie die Protagonistin „Marie“ aus dem zum Thema passenden Musical „Like Me“, aufgeführt anlässlich des 34. Kirchentags in Hamburg.

Maries Leben spielt sich mittlerweile ausschließlich im Internet ab, dort nennt sie sich „Marysgossip“, ihre Idealvorstellung ihrer Persönlichkeit, die jedoch nicht der Realität entspricht. Die im wahren Leben eher unauffällige Marie wird dort als Modekönigin von „Freunden“ geliebt. Bei der Aufführung zeigt die Bühne, dass Marie in ihrem gesamten Leben vom Internet umgeben ist: in der Mitte der Bühne steht Maries reales Leben, bestehend aus ihrem Schlafzimmer, dort liegt sie in einem Pyjama in ihrem Bett.

An den Seiten der Bühne, abgetrennt von schwarzen Vorhängen, stehen drei Personen, eine davon „Marysgossip“, Maries Wunsch-Ich, in Kleidern, die andere Internetnutzer - User - für besonders modisch halten. Neben ihr stehen zwei User und loben sie für ihr Modebewusstsein. Über der Bühne befindet sich ein Bildschirm, der den aktuellen Chatverlauf dieser drei User zeigt. Dass Marie diese virtuellen Freunde im realen Leben nie zuvor getroffen hat, ist ihr egal. Denn diese schenken ihr die für sie nötige Anerkennung.

Das Blatt wendet sich als Maries Computer durch einen Virus zusammenbricht. Diesen Virus hat ein User gesendet, der zusammen mit Maries „Freunden“ beginnt, sich gegen sie aufzulehnen. Jetzt, als ihr virtuelles Leben zeitweise unterbrochen scheint, kommt Marie im analogen Leben nicht mehr zurecht, denn die gewohnte Bestätigung durch andere Menschen bleibt in der Realität aus. Wegen des Gefühls, nicht gut genug zu sein, versucht sie, sich das Leben zu nehmen. Doch ihre zuvor vernachlässigte beste Freundin stoppt sie. Diese Zuneigung und auch die ihres Vaters, lassen Marie realisieren, in welche Gefahr sie der Wunsch nach Anerkennung und Perfektion durch das Internet gebracht haben. Sie beschließt, sich mit ihrer menschlichen Un-Perfektion zu akzeptieren und ihr virtuelles „Wunschleben“ zu beenden.

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Die Reaktion der Zuschauer auf das Musical sind nachdenkliche Gesichtsausdrücke. Auf welches Dasein kommt es wirklich an, auf das irreale jedoch perfekte, oder auf das fehlerhafte aber menschliche und reale Existieren?

Die Autoren des Musicals, die Kreativabteilung der evangelischen Jugend Osnabrück (kurz AG MUK), fordern die Zuschauer im Refrain des letzten Liedes auf, im „Jetzt“ zu leben, im wahren Leben, das keine Illusion sei. Es sei zwar „kein Ponyhof“ und „auch kein Wunschkonzert“, aber jeder Mensch solle riskieren, er selbst zu sein, mit allen Stärken, Talenten und aber auch den Fehlern, die er macht.

Es sei „die Angst vor dem Ich“, die jeden Typ Mensch dazu anleitet, ein zweites Gesicht zu fertigen und sich dahinter zu verstecken, ist eine zentrale Aussage des Musicals. Die Angst, in seiner Gesamtheit und Echtheit auf Inakzeptanz zu stoßen. Was grundlegend wichtig sei, ist sich sowohl im Internet, als auch im realen Leben „zu geben, wie man ist“, sagt Christian Kleinau von der AG MUK, sich nicht zu verstellen, um anderen Menschen zu gefallen.

von Johanna Mann

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