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Rechtsextremismus als „Event“: Rechtsextreme Musik

Rechtsextremistische Musik - zwischen Propaganda, Nachwuchswerbung und Profit

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Nach dem Untergang des „Dritten Reichs“ stand die rechtsextremistische Szene Deutschlands vor dem Problem der Überalterung. Mit ihrer rückwärtsgewandten Ausrichtung bot sie jungen Menschen nur wenige für sie interessante Anknüpfungspunkte. Seit Mitte der 1980er Jahre spricht sie jedoch Jugendliche stärker an und gewinnt dadurch Nachwuchs. Ein Mittel dafür ist der Einsatz von Musik.

 

„So klang es damals“ - Erinnerungen an das Dritte Reich

Zunächst hatte der Einsatz von Musik noch einen Bezug zur Zeit der NS-Diktatur. Er erfolgte durch Schallplatten, mit historischen Aufnahmen von SA-Märschen oder Propagandaliedern. Deren Vertreiber gaben vor, durch ihre „So klang es damals“ oder „Aus dem Führerhauptquartier“ betitelten Tonträger lediglich geschichtliche Ereignisse zu dokumentieren. Allerdings kombinierten sie die Musikstücke mit einst im Radio ausgestrahlten Wehrmachtsberichten oder Hitler-Reden, wodurch sie Rechtsextremisten einen Bezug zu der von ihnen verherrlichten Vergangenheit und deren Musik boten.

 

Liedermacher - mit der Gitarre gegen die Demokratie

Für ein eigenes Musikschaffen sorgen seit den 1980er Jahren rechtsextremistische Liedermacher, die sich mit Gesang und Gitarre den Stil linker Musiker zum Vorbild nehmen. Der einflussreichste Vertreter des Genres ist der seit dieser Zeit aktive Frank Rennicke. Er beschönigt einerseits die NS-Diktatur, indem er etwa den einstigen „Stellvertreter des Führers“ mit den Worten „Mit Rudolf Hess ist uns ein Held geboren“ verherrlicht. (1) Andererseits wendet er sich in seinen Liedern gegen die gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse. Diese Kombination macht ihn zu einer Art musikalischer Verbindung zwischen der sogenannten Erlebnisgeneration und jüngeren Rechtsextremisten.

 

Skinheadrock - Gewaltaufrufe für Straßenschläger

An jüngere Zuhörer richtet sich die Rockmusik der Skinheads. Deren Subkultur entstand in den 1960er Jahren ohne extremistischen Hintergrund unter englischen Arbeiterkindern, die auch von jamaikanischen Musikern beeinflusst waren. Anfang der 1980er traten jedoch rassistische Bands auf, denen eine neonazistische Unterwanderung eines Teils der Subkultur gelang. Entscheidend war dabei der 1993 verunglückte englische Sänger Ian Stuart Donaldson mit seiner Band „Skrewdriver“ und dem von ihm mitbegründeten Skinhead-Netzwerk „Blood and Honour“ (siehe auch Die „White Supremacy“-Nazis in Deutschland). Er nutzte einen sich stilistisch an der 1977 entstandenen Punk-Musik orientierenden Street-Rock, um musikinteressierte Jugendliche zu beeinflussen. In Deutschland wurde die bis 2003 bestehende Rockgruppe „Landser“ zur bekanntesten Formation. Die von Michael „Lunikoff“ Regener geführte Band verherrlichte das „Dritte Reich“, forderte die Beseitigung der Demokratie, beleidigte Juden und rief zu Gewalt gegen Ausländer auf. Dabei bezeichneten sich die Bandmitglieder als „Terroristen mit E-Gitarre“ (2) und erklärten ihre Absicht, „den Hass und die Emotionen“ zu schüren (3).

Da musikalische Gewaltaufrufe zu behördlichen Konzertverboten führten, ging die Szene dazu über, heimliche Auftritte zu organisieren und Besucher über Kontrollposten zu lotsen. Dadurch bietet sie heute ein Freizeitangebot an, welches Eingeweihten auch das Gefühl gibt, Teil eines rebellischen Untergrunds zu sein. Zudem umgehen einige Bands staatliche Reaktionen, indem sie sich auf Songs mit gemäßigten Texten beschränken. Dazu gehört die Gruppe „Die Lunikoff Verschwörung“, die Regener gründete, nachdem ein Gericht „Landser“ als kriminelle Vereinigung einstufte und er eine Gefängnisstrafe verbüßen musste.

 

NS-Hatecore – Hass als Lebensgefühl

Zu einem Missbrauch eines subkulturellen Musikstils kommt es auch im Fall des NS-Hatecore. Er entstand, nachdem sich zunächst innerhalb des Punk eine Hardcore genannte Variante gebildet hatte, aus der sich Ende der 1980er Jahre der über einen besonders aggressiven Stil verfügende Hatecore entwickelte. Rechtsextremisten begeistern sich für den Stil und verbreiteten Songs, in denen sie ihren Hass auf die Demokratie und auf Minderheiten auszudrücken. Ein Vertreter des nach dem Skinhead-Rock zweitgrößten Teils der rechtsextremistischen Musikszene ist die deutsche Band „Brainwash“. Sie verkündet ihren Hass auf die von Rechtsextremisten auch als „Auserwählte“ bezeichneten Juden mit den Zeilen: „Hate is what leads us / Hate is our battle cry … We hate everything that’s different / Especially the chosen one.“ (4)

 

NS-Black Metal - heidnisches Kriegertum im Rassenkampf

Eine weitere Betätigung erfolgt im Black Metal, einer düsteren Variante des Heavy Metal. Sie thematisiert Satan und das vorchristliche Heidentum der Germanen, um einen Menschen zu fordern, der ein von eigener Stärke geprägtes Leben ohne religiös-moralische Beschränkungen führt. Während der Black Metal an sich keine politisch-extremistische Ausrichtung hat, greifen mehrere rechtsextremistisch motivierte Bands den Stil auf und propagieren einen mitleidlosen Rassenkrieger im Sinn des Nationalsozialismus. So sah etwa die Band „Absurd“ die „Existenz des deutschen Volkes“ gefährdet und rief mit dem Bild eines mit einem Sturmgewehr bewaffneten Mannes zu „Taten“ auf. (5)

 

Dark Wave - kultureller Faschismus im Tarnanzug

Um die Jahrtausendwende begannen einige Musikgruppen, rechtsextremistische Inhalte in die Subkultur des in den 1980er Jahren entstandenen Dark Wave einzubringen. Da dieser von einer großen Weltoffenheit geprägt ist, erfolgt in der Regel keine offene Agitation. Stattdessen wird durch Anspielungen an bestimmte kulturelle Aspekte für einen neuen europäischen Faschismus geworben. Deutlich positionierte sich hingegen die deutsche Gruppe „Von Thronstahl“, als sie eine ihrer CDs der „Division Charlemagne” widmete, einem einst aus französischen Freiwilligen zusammengestellten Verband der Waffen-SS (6). Letztendlich konnten Rechtsextremisten nur eine geringe Wirkung im Dark Wave entfalten und ihre Einflussnahmeversuche blieben ein Randphänomen.

 

Techno und Schlager - zwischen Provokation und Propaganda

Rechtsextremistische Musiker wissen, dass eine Betätigung in einem ihren Weltbild entgegenstehenden Stil die Aufmerksamkeit der Medien provoziert. So lehnen sie eigentlich Techno und Schlager als Erscheinungen einer aus ihrer Sicht degenerierten Spaßgesellschaft grundsätzlich ab. Wenngleich diese Stile deshalb keine eigentliche Bedeutung für die rechtsextremistische Musikszene haben, nutzten einige Personen sie zur Verbreitung ihrer Propaganda. So verbreitete etwa ein „DJ Adolf“ im Internet mit Techno-Beats unterlegte Ausschnitte aus Reden von Adolf Hitler und Joseph Goebbels. Im Bereich der Schlagermusik missbrauchte ein sich „Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten“ nennendes Projekt bekannte Stimmungshits, indem es deren Melodien mit Texten versah, in denen es unter anderem den Willen zur revolutionären Beseitigung der Bundesrepublik bekundete (7).

 

Hip Hop – „Sprechgesang für die Nation!“

Ein mehr als ungewöhnliches Betätigungsfeld rechtsextremistischer Musiker ist der Hip Hop, da ihre Szene dem von Afro-Amerikanern geschaffenen Stil aus rassistischen Gründen feindlich gegenübersteht. Dennoch nutzen ihn einzelne Personen. Darunter sind die Mitglieder des sich bereits durch seinen Namen als neonazistisch charakterisierenden „n’Socialist Soundsystem“ (Enesess), das Hip Hop als „Propagandamittel für die Bewegung“ einsetzt. (8)

 

Warum das alles?

Das stärkste musikalische Engagement erfolgt im Skinheadrock. Der Bedeutung nach folgen der NS-Hatecore, der Bereich der Liedermacher und der NS-Black Metal. Obwohl andere Musikstile nur eine Randbedeutung haben (Dark Wave), skurrile Einzelerscheinungen sind (Techno und Schlager) oder eigentlich szenefremd bleiben (Hip Hop), betätigen sich Bands und Liedermacher in unterschiedlichen Musikstilen. Dies hat mehrere Gründe. Zunächst besteht ein aufrichtiges Interesse vieler junger Rechtsextremisten an Musik und an subkulturellen Erscheinungen. Für sie sind die konspirativen Konzerte subkulturelle Freizeitangebote, durch die persönliche Kontakte und emotionale Bindungen entstehen. Darüber hinaus dient Musik als Transportmittel für Propaganda und wird eingesetzt, um als Rahmenprogramm politische Veranstaltungen interessant zu machen. Zudem dient sie zur Nachwuchswerbung unter Jugendlichen, etwa durch die kostenlose Verteilung sogenannter Schulhof-CDs. Dazu kommt ein nicht zu unterschätzender, äußerst profaner Grund - der Gelderwerb. So konkurrieren mehrere Szenevertriebe um Marktanteile und Geschäftemacher verbreiten Schwarzpressungen. Damit existieren genug Gründe, um dafür zu sorgen, dass Musik auch zukünftig ein zentrales Feld rechtsextremistischen Handelns sein wird.

Elmar Vieregge

 

(1) Frank Rennicke, Auslese (CD aus 1993), Damals im Mai (Lied 12)

(2) Landser, Ran an den Feind (CD aus 2000), Rock gegen ZOG (Lied 2)

(3) Landser, Republik der Strolche (CD aus 1996), Landser (Lied 1)

(4) Brainwash, Hate is our justice (CD aus 2007), Hate is our justice (Lied 1)

(5) Absurd, Wehrwolfthron (CD aus 2001), Booklet, S. 3, 4

(6) Von Thronstahl, Imperium Internum (CD aus 2000), Booklet, S. 12

(7) Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten, Braun is beautiful (CD aus 2004), Was wollen wir singen (Lied 8)

(8) Enesess, Das Soundsystem, http://www.enesess.befehlston.com/?page_id=2, abgerufen am 12.02.2014

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Felix Neumann

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Extremismus- und Terrorismusbekämpfung

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