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Die libanesische Hisbollah

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Die Hisbollah (arab. »Partei Gottes«) ist eine schiitische Organisation, die hauptsächlich im Libanon aktiv ist. Sie teilt sich in eine politische Partei und eine bewaffnete Miliz. Die Politik und das Selbstverständnis der Hisbollah speisen sich aus islamistischen Positionen, einer revolutionär-schiitischen und anti-westlichen Gesinnung sowie dem Wechselspiel mit libanesischer Realpolitik. Seit ihrer Gründung steht zudem der bewaffnete Kampf gegen Israel im Zentrum ihres Handelns.

 

Hintergrund und Programm

Der Nährboden der Hisbollah keimte ab den 1970er-Jahren an der Schnittstelle dreier Bewegungen auf, nämlich der »Islamischen Revolution« in Iran (siehe auch Schiitischer Islamismus in Iran), der palästinensischen Bewegung und der schiitischen Mobilisation im Libanon. Die Revolution in Iran hatte einen entlang islamistischer und anti-imperialistischer Politiken operierenden Staat geschaffen, der auf den »Export der Revolution« bedacht war und dessen schiitische Bevölkerung seit Jahrhunderten mit den Schiiten des Libanons verbunden war. Somit waren die programmatischen und personellen Voraussetzungen für die spätere enge Kooperation zwischen der Hisbollah und Iran ideal.

Im konfessionellen Kaleidoskop Libanons, das sich vor allem aus Christen, Sunniten und Schiiten zusammensetzt, war es das Hauptziel der Hisbollah, der sozialen und politischen Marginalisierung der Schiiten entgegenzuwirken. Schiitische und klassenkämpferische Narrative vermischten sich dabei mit der Idee des Widerstandes gegen Israel, der zunehmend internationalisiert, islamisiert und militarisiert wurde. Während des libanesischen Bürgerkrieges (1975-1990) konzentrierte die Hisbollah ihre militärischen Aktivitäten auf den Kampf gegen Israel, das den Südlibanon besetzt hielt und 1982 auch Beirut okkupiert hatte. Die Hisbollah richtete dabei auch Selbstmordattentate, die zahlreiche Opfer hervorbrachten, gegen israelische Truppen. Neben solchen Anschlägen griff die Hisbollah auch auf Entführungen israelischer Soldaten zurück und setzte konventionelle Waffen ein. Der Abzug Israels aus der südlibanesischen Sicherheitszone im Jahre 2000 steigerte das Prestige der Hisbollah in hohem Maße.

Im Gegensatz zu ihrer islamistischen Ideologie appellierte der Widerstand nicht nur an die schiitische Bevölkerungsmehrheit, sondern vermochte es ab den 1990er-Jahren, konfessionelle Schranken zu durchbrechen, so dass die Hisbollah heute auch von Sunniten und libanesischen Christen politisch unterstützt wird. Im August 2015 ist die Hisbollah mit 13 Sitzen im libanesischen Parlament und zwei Kabinettsposten der Regierungskoalition vertreten. Die Hisbollah verfügt über effektive und ausgedehnte Wohltätigkeitsnetzwerke, die sowohl Muslimen als auch Christen zur Verfügung stehen und stellenweise sogar staatliche Strukturen ersetzen. Schiitische Rechtsgelehrte, wie Hasan Nasrallah, Generalsekretär der Hisbollah, nehmen in der Führung der Hisbollah eine Schlüsselrolle ein.

 

Aktivitäten und Anhänger in Deutschland

Das Bundesamt für Verfassungsschutz verzeichnete in den Jahren 2012 bis 2014 etwa 950 deutsche Hisbollah-Aktivisten, die meist verwandtschaftlich mit dem Libanon verbunden sind. Etwa 250 Unterstützer leben allein in Berlin. Die Hauptstadt ist immer wieder auch Bühne des »Welt-Quds-Tages« gewesen. Jener Tag wurde 1979 von Ajatollah Chomeini ins Leben gerufen, um jährlich am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan der »internationalen islamischen Solidarität mit den Palästinensern« und dem »Widerstand gegenüber Israel« Ausdruck zu verleihen.

In Deutschland sind es das Islamische Zentrum Hamburg und Anhänger der Hisbollah, die sowohl als Organisatoren wie auch als Ordner und Demonstranten in Erscheinung treten. In den letzten Jahren wurden jeweils rund eintausend Teilnehmer gezählt, denen sich Kundgebungen irankritischer und proisraelischer Organisationen entgegenstellten. Insgesamt ist das öffentliche Auftreten der Hisbollah in Deutschland jedoch sehr zurückhaltend und stark auf die finanzielle Unterstützung der Hisbollah im Libanon ausgerichtet. Von 1997 bis 2014 fungierte das bundesweit aktive »Waisenkinderprojekt Libanon e. V.« als vereinsrechtlich verfasste Nebenorganisation der Hisbollah in Deutschland. Die Satzung bestimmte die Hilfe für Kriegswaisen als Vereinsziel. Die ermittelnden Sicherheitsbehörden kamen zu der Erkenntnis, dass sog. »Märtyrer-Familien«, also auch Angehörige von Selbstmordattentätern, über die mit der Hisbollah assoziierte »Märtyrer-Stiftung« mit Spendengeldern aus Deutschland unterstützt worden waren. Das Bundesinnenministerium verhängte daraufhin ein Vereinsverbot.

 

Einschätzung und Ausblick

Kritiker der Hisbollah verweisen auf deren zahlreiche Attentate und das seit 2006 stark gewachsene Arsenal an ballistischen Waffen. Die Ablehnung des Existenzrechts Israels wird gleichermaßen als Kritikpunk benannt. Die Hisbollah wird von den USA, Kanada und Israel als terroristische Organisation eingestuft, während die EU ihren bewaffneten Arm als Terrorgruppe führt. Die militärische Schlagkraft der Hisbollah ist stärker als die der ineffizienten libanesischen Armee, weswegen die in einer UN-Resolution geforderte Entwaffnung immer wieder abgelehnt wurde. In Teilen des Libanons und islamisch geprägten Staaten erfreut sich die Hisbollah einer hohen Popularität und wird als legitime und erfolgreiche Widerstandsorganisation geachtet.

Im Syrienkonflikt ist die Hisbollah im Grenzgebiet zu Libanon als Verbündete des syrischen Präsidenten Assad aktiv und militärisch erfolgreich. Diese Parteinahme schadete dem nationalen wie auch internationalen Ansehen der Hisbollah, denn sie schürte konfessionelle Spannungen im Libanon und verstärkte den Eindruck, die Hisbollah agiere als verlängerter Arm Teherans. Das Engagement der Hisbollah in Syrien ist vor allem jedoch als eines der eigenen Existenzsicherung zu verstehen, hängt doch die finanzielle und logistische Unterstützung der Hisbollah von dem politischen und territorialen Fortbestand der sog. »Achse des Widerstandes« (Iran-Syrien-Hisbollah) ab.

Dr. Christian Funke

 

Lesetipps:

  • Augustus Richard Norton, Hezbollah. A Short History. Princeton 2014 (2009).
  • Joseph Elie Alagha, The Shifts in Hizbullah’s Ideology. Religious Ideology, Political Ideology, and Political Program. Leiden 2006.

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Felix Neumann

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