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Von „Deso Dogg“ zu „Abu Talha al-Almani“: Die dschihadistische Karriere von Denis Cuspert

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Abu Talha al-Almani gilt als einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Propagandisten unter den Kämpfern des sogenannten „Islamischen Staates“. Zahlreiche Drohungen gegen Deutschland gehen auf sein Konto. Er steht auf der Liste der internationalen Terroristen. Cuspert war schon mehrfach fälschlicherweise für tot erklärt worden. Auch Ende Oktober 2015 hieß es, er soll bei einem Luftschlag der Anti-IS-Koalition in einem Auto ins Visier geraten sein. Die US-Militärquellen bestätigten die Information. Doch der deutsche „Al-Mourabitoun Media“-Kanal widersprach: „wir bestätigen, dass er lebt“, hieß es an die deutschen „Brüder“ gerichtet. Deutsche Sicherheitsbehörden hatten Mitte November ebenfalls Zweifel geäußert: Es soll einen Telefonmitschnitt geben, auf dem Cuspert als Sprecher identifiziert worden sei. Somit bleibt es nach wie vor unklar, ob der Berliner (nicht mehr) am Leben ist.

 

Jugendalter und das Leben im Kiez

Der im Oktober 1975 als Sohn einer Deutschen und eines Ghanaers geborene Denis Mamadou Gerhard Cuspert wuchs in den Straßen Westberlins (Kiez „SO 36“) auf. Sein Vater wurde wenige Jahre nach der Geburt abgeschoben. Eigenen Angaben zufolge beging er mit 15 Jahren sein erstes Gewaltverbrechen und raubte mit seiner „Gang“ einen Touristen aus. Er und seine acht „Kumpels“ sollen Messer und Pistolen besessen haben und gingen in Mitte und Tiergarten „auf Streifzug“. Nebenbei verkaufte Cuspert Drogen. Konflikte zwischen den Jugendgangs wurden nicht nur mit Fäusten ausgetragen – man wusste auch, wie man mit Messern umgeht. Wegen einer schweren Körperverletzung – er soll einem seiner Kumpels während eines Streits mit einer Gaspistole ins Gesicht geschossen haben – ging Denis für 3 Jahre ins Gefängnis. „Im Knast wurde mir bewusst, wie scheiße mein Leben war – so aussichtslos, so gefährlich”, erinnerte sich Deso Dogg. (1) Die Hafterfahrung war für ihn ein Erweckungserlebnis: „Der Rap hat mich schon immer fasziniert. Ich dachte plötzlich: ‘Fang ein neues Leben an, die Musik kann dich retten.’ Genügend Stoff für Texte lieferte meine Vergangenheit.”

Während der Haft soll sich Cuspert auch dem Glauben zugewendet haben. Der Song „Willkommen in meiner Welt“ (2007) zeigt, dass er den Islam als Stütze und Rettung aus einer persönlichen Notsituation sah. Die Texte des Gangsta-Rappers waren aggressiv, sie handelten vom Gangleben und sie waren zugleich gesellschaftskritisch. Cuspert: „Sie warnen vor der dreckigen Clubszene voller Alkohol und Drogen – und vor falschen Freunden. Werte wie echte Freundschaft und Familie sind wichtig. Ich will, dass die Jungs auf der Straße auf sich aufpassen. Sie sollen ihr Geld anständig verdienen”. Darüber hinaus schildern seine Texte die Lebensumstände und Diskriminierungserfahrungen sozialschwacher Milieus von Migranten in Großstädten.

Somit erfolgte die Sozialisation von Cuspert in einem (kriminellen) Gewaltmilieu, das sich durch eine kritische Distanz zur Mehrheitsgesellschaft und dem Sozialstaat auszeichnete. Das stellte einen wichtigen Prädikator für seine Radikalisierung dar. Den Islam sah er als Rettung aus der Misere.

 

 

Abu Maleeq und dschihadistische Anaschid

Spätestens im Februar 2010 wurde der sich inzwischen Abu Maleeq nennende Cuspert Teil der salafistischen Szene (siehe auch Salafismus in Deutschland). In einem in der Neuköllner „Al-Nur-Moschee“ aufgenommenen Video sprach er mit Pierre Vogel und erklärte seinen Ausstieg aus dem Rap-Geschäft. Der Musik hatte er jedoch nicht vollständig abgeschworen und dichtete seitdem einige Anaschid (islamische Hymnen; siehe auch Jihadistische Hymnen und Gedichte), welche seinen Rap-Songs nicht unähnlich waren. Sie handelten erneut von Gewalt, Ungerechtigkeit und dem Kampf um Gerechtigkeit. Nur waren die Rollen in seinen Anaschid neu verteilt. Es ging nun um die vom Westen angegriffene Umma, Gewalt gegen Muslime, fallende Bomben und weinende Kinder – und von der Notwendigkeit, die Umma zu verteidigen (bspw. „Wach doch auf!“).

Wegen seiner radikalen Auftritte und Texte wandten sich die gemäßigten Salafisten von Abu Maleeq ab, was zur weiteren Radikalisierung des Dschihad-Salafisten führte. Er bezeichnete die Kritiker als „Angsthasenprediger“, die aus Furcht vor staatlicher Verfolgung die „Wahrheit“ über die Dschihadpflicht eines jeden Muslims verschweigen. Diese Aussage fand sich als Zitat in der 10. Ausgabe der Al-Qaida-Zeitschrift „Inspire“ im Frühjahr 2013.

 

Millatu Ibrahim als dschihadistische Keimzelle

In Berlin fand Abu Maleeq jedoch einen Mitstreiter – der in Österreich vorbestrafte Dschihad-Propagandist Mohamed Mahmoud zog im November 2011 in die deutsche Hauptstadt. Bereits Ende 2011 gingen beide nach Nordrhein-Westfalen. In Solingen gründete Mahmoud die „Millatu-Ibrahim-Moschee“, wo er das dschihadistische Gedankengut als Prediger verbreitete und welche fortan der Vereinigung „Millatu Ibrahim“ als Zentrum diente. Anfang März 2012 berichteten die Medien, dass Mahmoud und Cuspert nach Erbach in Hessen verzogen waren. Wegen seiner Hassbotschaften sollte Mahmoud aus Deutschland ausgewiesen werden, weshalb er sich schließlich mit seiner Frau im April 2012 nach Ägypten absetzte.

Am 1. und 5. Mai 2012 geriet „Millatu Ibrahim“ in negative Schlagzeilen, nachdem Rechtspopulisten aus den Reihen der „Pro NRW“ erfolgreiche Provokationen gelungen waren. Während einer Demonstration in Solingen eskalierte die Lage, nachdem eine „Mohammed-Karikatur“ gezeigt worden war. Die Gegendemonstranten bewarfen infolgedessen „Pro NRW“-Demonstranten und Polizisten mit Steinen und griffen Polizeibeamte an. Am 5. Mai 2012 nahm Cuspert bei einer ähnlichen Szenerie in Bonn die Rolle des Wortführers ein und feuerte die Demonstranten an. Infolge einer weiteren Karikaturenprovokation flogen erneut Steine und Flaschen in Richtung der Gegendemonstranten. Einer der Teilnehmer, Murat K., verletzte dabei zwei Polizeibeamte mit einem Messer schwer. Im Januar 2012 adelte Cuspert den „deutschen Löwen Murat K.“ und rief Mitstreiter auf ihn freizupressen.

 

Von Ägypten nach Syrien

Am 29. Mai 2012 verbot der Bundesinnenminister „Millatu Ibrahim“, wonach ein Exodus der Dschihad-Salafisten nach Ägypten einsetzte, wo sich ihr Mitstreiter Mahmud aufhielt. Auch Cuspert gelang es, sich im Juni 2012 der Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden zu entziehen und nach Ägypten auszureisen. In Ägypten intensivierte und radikalisierte „Millatu Ibrahim“ seine dschihad-salafistische Internetpropaganda – die Botschaften wurden militanter und Deutschland galt nun als „legitimes Ziel“.

In einem Video berichtete Cuspert, wie er nach Syrien gelangt war: Über ein Jahr sei er unterwegs gewesen – über Tunesien und Ägypten ging es zunächst nach Darnah in Libyen. Eigentlich war sein ursprüngliches Ziel, gemeinsam mit Mahmoud und weiteren „Millatu-Ibrahim“-Gesinnungsgenossen nach Mali zu gehen. Aber der Weg dorthin sei „geschlossen“ gewesen – daher wurde Syrien als Ziel ausgewählt.

Im April 2014 wurde in einem Video bekannt gegeben, dass Abu Talha einen Treueschwur auf den Anführer des „Islamisches Staates in Irak und Großsyrien“ abgelegt hat. So wurde ein deutscher Gangsta-Rapper, der später dem Dschihad-Salafismus verfiel, zu einem der bekanntesten deutschen Dschihadisten in Syrien, der Leichen seiner Gegner schändete, mit abgeschlagenen Köpfen der Opfer posierte und an seine Gleichgesinnten appellierte, Anschläge in Deutschland zu verüben.

 

Dr. Michail Logvinov

(1) Hier und weiter zitiert nach: Sven Lambert: New York in Berlin: Mit 8 Jahren wurde „Deso Dogg” aus Kreuzberg kriminell – jetzt kämpft er um seine Zukunft, unter: http://www.bz-berlin.de/artikel-archiv/new-york-in-berlin-mit-8-jahren-wurde-deso-dogg-aus-kreuzberg-kriminell-jetzt-kaempft-er-um-seine-zukunft (27. Juni 2004).

 

Lesetipp:

  • Senatsverwaltung für Inneres und Sport Berlin (Hrsg.), Denis Cuspert – eine jihadistische Karriere, Berlin 2014.

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Felix Neumann

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Extremismus- und Terrorismusbekämpfung

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