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"Die Rückkehr zur 'Normalität' wird sich weiter verzögern"

Michael Winzer spricht im kas.de-Interview über Thailands Reaktion auf die Bombenanschläge nach dem Verfassungsreferendum

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Der Schock nach den Anschlägen sitzt tief. Obwohl der Fahndungsdruck hoch ist, gibt es noch keine belastbaren Informationen über die Täter und ihre Hintermänner. "Die Anschläge und das damit gesunkene Sicherheitsempfinden in der Bevölkerung werden wahrscheinlich dazu führen, dass vielfach der Ruf nach mehr Stabilität und hartem Durchgreifen ertönt", sagt Michael Winzer im Interview. Er leitet das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bangkok.

Thailand erlebte kurz nach dem Verfassungsreferendum mehrere Bombenanschläge. Wie ist ihr Eindruck von der momentanen Lage? Weiß man schon mehr über Täter, Hintermänner und Motiv?

Michael Winzer: Viele hier in Thailand sind immer noch geschockt darüber, dass in einer solch konzertierten Anschlagsserie in mehreren Provinzen nahezu gleichzeitig Sprengsätze detonieren. Dies ist ein Novum in der jüngeren Geschichte Thailands. Dies ganze geschah am Vorabend und am Morgen des Geburtstags der Königin, was gleichzeitig der Muttertag in Thailand ist und viele Einheimische in ausgelassener Stimmung in Kurzurlaub gefahren sind. Täter, Hintermänner und Motiv sind noch unklar. Klar ist lediglich, dass eine solche umfassende Anschlagsserie nur von einem sehr professionellen Netzwerk durchgeführt worden sein kann. Weiterhin ist auch klar, dass mit den Anschlägen der Tourismus getroffen werden sollte. Dieser ist eine der tragenden Säulen der seit dem Beginn der politischen Unruhen nicht mehr richtig in Fahrt gekommenen Wirtschaft. Die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt, dass wirtschaftliche Stagnation auch zu weiterer politischer Instabilität führen kann.

Wie ist die momentane Informationslage? Zu Beginn hielt sich die Regierung mit offiziellen Statements immerhin zurück.

Es ist erkennbar, dass die thailändischen Behörden mit Hochdruck ermitteln. Der öffentliche Druck auf die Polizei, bald Ergebnisse vorzuweisen, ist hoch. Die Polizei hat inzwischen bekannt gegeben, dass ihren Erkenntnissen nach 10 bis 20 Personen in die Anschläge verwickelt seien. Aufgrund des Umfangs und der Komplexität der Anschlagsserie wird es aber mit Sicherheit noch etwas dauern, um umfangreichere und belastbare Informationen zu Tätern und deren Motivation zu präsentieren. Es wird sich daher in den nächsten Tagen und Wochen zeigen, wie die Informationspolitik der Behörden sein wird.

Was bedeuten die Anschläge für Thailands Militärführung und die neue Verfassung?

Die Sicherheitsvorkehrungen seit dem Militärputsch und seit dem verheerenden Sprengstoffanschlag am Erawan-Schrein in Bangkok im letzten Jahr sind sehr hoch. Mit der Ausrufung des Kriegsrechts zwei Tage vor dem Putsch im Jahr 2014 sind bereits Grundrechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt worden. Die Anschläge und das damit gesunkene Sicherheitsempfinden in der Bevölkerung werden wahrscheinlich eher dazu führen, dass vielfach der Ruf nach mehr Stabilität und hartem Durchgreifen ertönt. Eine Rückkehr zur "Normalität" wird sich daher durch die Anschläge weiter verzögern. An dem Fahrplan zur neuen Verfassung wird sich aller Voraussicht nach jedoch nichts ändern.

Jetzt wurden nicht-explodierte Bomben gefunden? Sind weitere Anschläge zu erwarten?

So lange die Täter nicht gefasst und deren Motivation geklärt werden, kann keine Entwarnung gegeben werden. Thailand ist bereits in den letzten Jahren immer wieder Ziel von Sprengstoffanschlägen geworden, deren Hintergründe zum Teil nicht aufgeklärt wurden. Obwohl die Sicherheitsvorkehrungen nun noch weiter verstärkt worden sind, ist es nicht auszuschließen, dass sich die Spirale der Gewalt weiter dreht. Alle Hoffnungen ruhen nun auf einer raschen und umfangreichen Aufklärung der Anschläge, was dann auch die Grundlage für eine fundierte weitere Einschätzung der Sicherheitslage wäre.

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Ein Forensiker in Hua Hin City, Thailand, kurz nach den Bombenanschlägen. | Foto: dpa/Rungroj Yongrit