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"Das Erbe Adenauers ist Versöhnung"

Dr. Hans-Gert Pöttering im Interview über Populisten, Europa, Flüchtlingspolitik und das Adenauer-Jubiläum 2017

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Ein Anschlag in Berlin, das Brexit-Referendum und stärker werdende Populisten: Für Deutschland und Europa brachte das Jahr 2016 vielfältige Herausforderungen. Im Interview mit kas.de schaut Dr. Hans-Gert Pöttering, Präsident des Europäischen Parlaments a.D. und Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, auf das vergangene Jahr zurück - und blickt auf das Adenauer-Jubiläum 2017.

Berlin, 22. Dez. 2016

kas.de: Herr Dr. Pöttering, Berlin erlebte vor wenigen Tagen einen schrecklichen Anschlag. Wie sollen die Menschen und die Politik damit umgehen?

Dr. Hans-Gert Pöttering: Wir sind mit unseren Gedanken und Gebeten bei den Opfern und ihren Familien und wir müssen uns fragen: Wie können wir uns besser schützen vor solchen terroristischen Attacken. Da gibt es sicher keine schnelle Lösung und Forderungen, dass man dies oder das tun müsste, was gut bei den Menschen ankommt, sind nur dann erfolgreich, wenn wir sie auch durchsetzen können. Und deswegen ist wichtig, dass wir alle Möglichkeiten mit Geduld, aber auch mit Entschlossenheit abwägen, um dann zu Konsequenzen zu kommen und unser Ziel muss sein, dass wir die Sicherheit erhöhen für die Menschen, obwohl wir wissen dass es keine absolute Sicherheit geben kann. Aber selbst wenn wir das wissen, bedeutet das nicht, dass wir nicht etwas tun könnten. Und das müssen jetzt alle Verantwortlichen vom Bundesinnenminister bis zu den Landesministern bis hin zu den Verantwortlichen in der Polizei miteinander besprechen und dann müssen wir zu Ergebnissen kommen und wir müssen unsere Entschlossenheit zeigen, dass unser freiheitlich demokratischer Staat eine Antwort findet auf diese terroristischen Anschläge. Terroristen dürfen keine Chance haben in Deutschland, in Europa und in der Welt.

Direkt nach dem Anschlag nutzten rechte Populisten die Tat für ihre Propaganda. Die Stimmungsmache scheint in einigen Teilen der Bevölkerung zu verfangen. Warum sind Populisten so erfolgreich? Und wird 2017 das Jahr der Populisten?

Mich hat das sehr erschüttert, wie manche die Sie als Populisten bezeichnen, reagiert haben und es sind ja insbesondere Mitglieder oder Verantwortliche einer Partei aus dem rechten Spektrum in der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben nicht einmal ein Mitgefühl geäußert gegenüber den Opfern und ihren Familien, sondern gleich ihre politischen Konsequenzen gezogen und Angriffe gegen Verantwortliche der Bundesrepublik Deutschland gemacht und dieses zeigt, wessen Geistes Kind diese Leute sind und wir müssen eine solche Haltung sehr ernst nehmen. Es ist eine große Gefährdung für unsere Demokratie. Wir müssen den Menschen noch besser die Zusammenhänge darstellen und am Ende wird es auf das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger ankommen, dass sie in die staatlichen Institutionen haben und deswegen ist es so wichtig, dass wir einerseits entschlossen, aber andererseits auch besonnen handeln, um so die Menschen wirklich zu schützen.

Seit Ende Oktober ist eine Gruppe von etwa 60 Altstipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung in der Öffentlichkeit - eine kleine Gruppe, die nicht für die insgesamt 13.500 ehemaligen Stipendiaten spricht. Wer verbirgt sich dahinter?

Das ist ein Vorgang der uns sehr beschäftigt und der auch sehr ärgerlich ist. Natürlich kann man über alles diskutieren. Man kann Dinge gut finden. Man kann das eine oder andere auch daran aussetzen. aber entscheidend ist doch, dass wir die Würde jedes einzelnen Menschen achten und das gilt für alle. Das gilt auch für diejenigen, die asylsuchende Flüchtlinge sind oder aus anderen Gründen aus einer schwierigen Situation heraus die Heimat verlassen. Das muss im Vordergrund stehen und es ist dann die Aufgabe der Politik, wie wir angemessene Antworten darauf finden. Aber sich als die Erben von Konrad Adenauer auszugeben, halte ich für völlig unpassend.

Ja, es ist eine Anmaßung und Konrad Adenauer, würde er heute leben, würde natürlich seine Antwort geben. Aber wir wissen diese Antwort nicht, weil er ja nicht mehr unter uns ist. Und niemand kann heute, 50 Jahre nach dem Tod dieses großen Kanzlers der Bundesrepublik Deutschland, für sich in Anspruch nehmen, ein Erbe Konrad Adenauers zu sein bei diesen konkreten Fragen, die sich uns heute stellen und deswegen fordere ich diejenigen, die den Namen von Konrad Adenauer für sich beanspruchen, ja ihn missbrauchen, auf, dieses nicht mehr zu tun, sondern sich einer vernünftigen Diskussion mit uns zu stellen, zu der wir natürlich bereit sind und dass es selbstverständlich in einer Demokratie ist, dass wir mit allen reden. Und hoffentlich kommen wir dann auch auf der Grundlage von vernünftigen Abwägungen auch zu Schlussfolgerungen, die uns vermitteln, dass wir den richtigen Weg gehen. Und ich glaube das ist das, was Konrad Adenauer auch heute möchte, dass wir miteinander sprechen um zu guten Lösungen im Sinne der Menschen zu kommen.

Für Europa hat dieses Jahr mit dem Brexit-Referendum eine neue Herausforderung gebracht – wo steht Europa Ende 2016?

Die Entscheidung der Briten, wenn auch knapp, die Europäische Union zu verlassen, ist sicher eine der schlimmsten Entscheidungen der letzten Jahre. Für mich persönlich ist es eine der traurigsten Erlebnisse in meinem langen europäischen politischen Leben und wir müssen jetzt versuchen, dass wir einerseits Großbritannien keine Möglichkeiten eröffnen, die Großbritannien die Gelegenheit geben, das Beste aus der Sache heraus zu suchen zum Vorteil Großbritanniens - und wir, die Europäische Union wären diejenigen, die zahlen, die den Beitrag leisten. Zahlen jetzt nicht nur im Sinne von materiellen Werten, sondern im Sinne von Zugeständnissen. Dieses würde ich nicht für akzeptabel halten, sondern wir brauchen Lösungen, die unserem gegenseitigen Interesse entsprechen und ich wünsche mir, dass Großbritannien möglichst nahe bei der Europäischen Union bleibt, dass Großbritannien Teil des Binnenmarktes bleibt und dass wir auch in sicherheitspolitischen Fragen, auch in der Verteidigungspolitik eng zusammenarbeiten, auch wenn Großbritannien der Europäischen Union nicht angehört.

Was die Europäische Union als solche angeht, so gibt es natürlich schwierige Herausforderungen. Wenn wir an die Fragen der Sicherheit denken, der äußeren Sicherheit, der inneren Sicherheit, auch der finanziell- politischen Entwicklung. Aber es gibt auch Erfolge, wenn wir an die Bankenunion denken oder an den Europäischen Stabilitätsmechanismus. Und hier müssen wir weiter zusammenarbeiten mit unseren Partnern in der Europäischen Union, mit den europäischen Institutionen. Und ich plädiere nachdrücklich dafür, dass wir alle Staaten, alle Völker in der Europäischen Union, seien es große Länder, kleine Länder, ernst nehmen. Jedes Land hat seine Würde und Europa lebt davon, die Europäische Union lebt davon, dass wir uns gegenseitig mit Respekt begegnen und dieses sollte Inhalt der deutschen Politik sein und Angela Merkel bemüht sich darum. Und wir sollten ihr unsere ganze Unterstützung dabei geben.

Im nächsten Jahr ist der 50. Todestag unseres Namensgebers. Damit wird 2017 auch ein wichtiges Jahr für die Konrad-Adenauer-Stiftung, wie begeht die Stiftung das Jubiläum?

Zum Gedenken an Konrad Adenauer, zunächst an seinem Geburtstag am 5. Januar, wird hier in Berlin ein Gedenken sein zusammen mit dem Bundesminister, dem Chef des Kanzleramtes Peter Altmaier und unserem Generalsekretär Michael Thielen, hier am Denkmal bei unserer Akademie. Dieses Denkmal zeigt Konrad Adenauer mit dem französischen Staatspräsident Charles de Gaulle. Damit soll auch zum Ausdruck gebracht werden unsere Nähe und unsere Freundschaft, unsere Partnerschaft mit unserem westlichen Nachbarn, mit der französischen Republik. Das ist ja eine Säule der europäischen Einigungspolitik. Am gleichen Tag wird auf dem Petersberg bei Bonn eine Veranstaltung stattfinden zum Gedenken an Konrad Adenauer, an seine Politik mit dem Hauptredner, unserem Ehrenvorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung Bernhard Vogel und mit dem Vorsitzenden des Kuratoriums der Stiftung Konrad-Adenauer-Haus, Jürgen Rüttgers und anderen Persönlichkeiten.

Und dann wird eine ganz große Veranstaltung stattfinden am 25. April im Deutschen Historischen Museum im Schlüterhof mit unserer Bundeskanzlerin, mit Angela Merkel. Darüber hinaus werden wir in unseren Bildungsforen in allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland an diese große historische Persönlichkeit Konrad Adenauer erinnern und wir tun dieses nicht, um nostalgisch zurück zu schauen, sondern um Lehren aus seiner Politik zu ziehen für die Gegenwart und die Zukunft, denn das Erbe Konrad Adenauers ist wegweisend auch für die kommenden Jahre, für die Zukunft, weil seine Politik sich gründet auf Freiheit, Demokratie, europäische Einigung, westliches Bündnis, auf der Grundlage unserer Werte und Zusammenarbeit mit allen unseren Nachbarn in Ost und West, in Süd und Nord. Das ist das Erbe von Konrad Adenauer, dem wir uns auch in der Zukunft verpflichtet fühlen.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich mit einigen Freunden im April 1967 am Sarg von Konrad Adenauer im Palais Schaumburg in Bonn stand und es war ein bewegendes Erlebnis, dort zu stehen am Tag des großen deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer, der die Versöhnung zunächst mit unseren westlichen Nachbarn erreicht hat. Konrad Adenauer ist die Person, wenn ich das persönlich sagen darf, welcher ich es verdanke Mitglied der CDU zu sein, weil seine Europapolitik, die ja Versöhnungspolitik, Friedenspolitik bedeutete, mich so ansprach als jungen Menschen, dass sich dann der Jungen Union und der CDU beigetreten bin und das Erbe Konrad Adenauers im Sinne der Verständigung mit unseren europäischen Nachbarn, mit dem westlichen Bündnis, mit der Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Dieses im nächsten Jahr in besonderer Weise in den Mittelpunkt zu stellen, dass wird dem Erbe Konrad Adenauers gerecht und darum werden wir uns im Jahre 2017 bemühen. Konrad Adenauer ist die Säule unserer politischen Arbeit und es nicht nur eine Persönlichkeit, die nicht mehr bei uns ist, sondern seine Gedanken weisen auch einen politischen Weg in die Zukunft.

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