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Zur Erinnerung an Josef Stingl (1919-2004)

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Jugend im Egerland

Josef Stingl wurde am 19. März 1919 im egerländischen Maria-Kulm geboren. Der Sohn eines Bäckermeisters gehörte als Sudetendeutscher in der neugegründeten Tschechoslowakei zu einer diskriminierten Minderheit, der die bei den Friedensregelungen 1919 für alle europäischen Völker geforderte Selbstbestimmung verwehrt blieb. In ihrer kulturellen Identität fühlten sich die Sudetendeutschen an das Reich gebunden; innerhalb ihrer Gemeinschaft gab es jedoch dieselben milieutypischen Spaltungen zwischen Sozialisten und Katholiken wie in Deutschland und Österreich. Stingl wurde katholisch erzogen und engagierte sich in der bündischen Jugend, die in den überwiegend katholischen sudetendeutschen Regionen als „Bund Staffelstein“ die bei weitem größte Jugendorganisation war. Aufgrund der Diskriminierung durch den tschechischen Staat fand die 1933 gegründete Henlein-Bewegung, die sich an die NSDAP anlehnte, nicht die scharfe Ablehnung, die dem Nationalsozialismus in Deutschland seitens der Katholiken entgegenschlug. Trotzdem war die politische und religiöse Freiheit im Sudetenland in den 1930er Jahren weit größer als im „Dritten Reich“ oder dem „christlichen Ständestaat“ Österreich nach 1934. Mit der Angliederung der sudetendeutschen Gebiete nach dem Münchener Abkommen 1938 wurde der „Bund Staffelstein“ aufgelöst; jegliche Illusionen über einen möglichen Modus Vivendi mit der NS-Bewegung zerschlugen sich.

Im Zweiten Weltkrieg

Stingl legte im selben Jahr ein Abitur mit hervorragenden Noten ab und wurde anschließend als Fahnenjunker eingezogen; beides Anzeichen für einen nicht selbstverständlichen sozialen Aufstieg. Im Zweiten Weltkrieg absolvierte Stingl als Kampfflieger über 200 Feindflüge und wurde bis zum Oberleutnant befördert. Der Dienst an der Waffe für das Vaterland war auch für dem Regime kritisch gegenüberstehende Katholiken eine Ehrenpflicht. Vorstellungen von einer „Pflicht zur Desertion“ entsprachen nicht dem Denken der damaligen Zeit und sind Forderungen, die sich erst nach Kenntnis der NS-Massenmorde entwickeln konnten. Gerade innerhalb der bündischen Jugend ging man bei aller Distanz zum Nationalsozialismus anfangs mit großer Opferbereitschaft in den Krieg. 1943 heiratete Stingl seine Frau Dorothea; aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Bei Kriegsende geriet Stingl in englische Gefangenschaft, wurde jedoch schon nach kurzer Zeit entlassen. Die Vertreibung der sudetendeutschen Bevölkerung aus der wiedererrichteten Tschechoslowakei zwang ihn jedoch schon Ende 1945, mit seiner Familie nach Berlin zu gehen.

Neuanfang in Berlin

In der zerstörten Reichshauptstadt arbeitete er kurzzeitig als Bauarbeiter, bevor er sich als Angestellter einer Wohnungsbaugesellschaft eine neue Existenz aufbaute. Seine Arbeitskraft muss immens gewesen sein, denn er studierte neben seiner Berufstätigkeit von 1949 an bis zum Diplom 1951 an der Deutschen Hochschule für Politik, dem späteren Otto-Suhr-Institut. Parallel zu Beruf und Studium engagierte er sich in der geteilten und umkämpften Stadt in der CDU, in die er 1947 eintrat. Prägend war für ihn auch die Aufbruchstimmung im Berliner Diasporakatholizismus jener Jahre, die mit Konrad Kardinal von Preysing einen Oberhirten hatte, der – auch als persönlicher Freund von Papst Pius XII. – durch seine mutige Haltung gegenüber dem NS-Regime legitimiert, ähnlich wie Erzbischof Frings in Köln ein Sprecher der Deutschen gegenüber den Alliierten wurde. Preysing verband die unzweideutige Stellungnahme für die parlamentarische Demokratie mit klarer Sprache gegenüber der kommunistischen Bedrohung. Stingl engagierte sich Zeit seines Lebens im deutschen Katholizismus; sowohl als Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken als auch auf zahlreichen Katholikentagen.

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