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1945-1949: Gründungsphase der CDU

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Nach dem 2. Weltkrieg erfolgte der Durchbruch christlicher, interkonfessioneller, für alle sozialen Schichten offenen Volksparteien nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Christlich-demokratische Parteien bzw. christlich-soziale Parteien entstanden in Italien (1943, Democrazia Cristiana, DC), Luxemburg (1944, Chrёstlech-Sozial Vollekspartei, CSV), Frankreich (1944, Mouvement Républicain Populaire, MRP), Österreich (1945, Österreichische Volkspartei, ÖVP), Belgien (1945, Christelijke Volkspartij/Parti Social Chrétien, CVP/PSC), Norwegen (1945, Kristelig Folkeparti, KrF). In Ländern mit konfessionell weitgehend homogener Struktur, wie Italien, Belgien, Österreich und Frankreich, ging es um den Zusammenschluss verschiedener katholischer Strömungen; in den anderen hingegen setzte eine Entwicklung zur Interkonfessionalität ein, die der in Deutschland vergleichbar war. Während in Westeuropa die neuen Parteien von ihrem Erfolg „geradezu überrascht“ wurden (H. Maier) und schnell in die Regierungsverantwortung kamen, zwang die Machtübernahme der kommunistischen Parteien und die Errichtung diktatorischer Einparteienherrschaften in Mittel- und Osteuropa die christlichen Demokraten ins Exil, in den Untergrund oder als Hilfstruppen der Kommunisten in die sog. Nationale Front.

 

Initiativen

In Deutschland bildeten sich wenige Wochen nach Kriegsende – als Reaktion auf das Scheitern der Weimarer Republik, auf Nationalsozialismus und Weltkrieg – in vielen Städten unabhängig voneinander christlich-demokratische Parteigruppierungen. Anders als bei SPD, KPD und – wenn auch nicht in gleichem Maße – bei den Liberalen, die nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Reiches 1945 unmittelbar an ihre überkommenen Traditionen anknüpfen konnten, lassen sich bei CDU und CSU keine direkten Verbindungslinien in die Vergangenheit ziehen. Ihre Gründung kann auch nicht auf ein Datum fixiert werden. Der Zusammenschluss von sehr unterschiedlich geprägten lokalen Gründungen zu regionalen Verbänden zog sich bis 1947 hin. Eines der wichtigsten Daten der Frühgeschichte der Union ist das Godesberger Reichtreffen vom 14.-16. Dezember 1945, an dem die bayerische CSU allerdings nicht teilnahm. Von diesem Zeitpunkt an wurde der Name „Union“, wie er in Berlin und in der SBZ geprägt worden war, im Westen übernommen: in der britischen Zone und in Hessen (bisher Christlich-Demokratische Partei), in Rheinhessen und Nordwürttemberg (Christlich-Soziale Volkspartei) und verzögert in Südbaden (Badische Christlich-Soziale Volkspartei BCSV). Allerdings vermochten die Berliner Gründer nicht, ihren Führungsanspruch gegenüber den Regionalparteien durchzusetzen. Der in Godesberg angestrebte Dachverband für die verschiedenen Landesverbände, deren Bildung erst 1947 abgeschlossen war, kam nicht zustande, und der als verbindende Klammer in Frankfurt eingerichtete Zonenverbindungsausschuss, der Anfang 1946 ins Leben gerufen wurde, erlangte keine Bedeutung. Auch die im August 1946 gegründete Arbeitsgemeinschaft der CDU/CSU blieb mit ihrem Generalsekretariat in Frankfurt wenig schlagkräftig. Immerhin brachte sie die führenden Unionspolitiker aus den Ländern zusammen: Jede Zone entsandte fünf Vertreter und fünf Stellvertreter, Berlin zusätzlich einen Vertreter, die mit dem neunköpfigen Vorstand nach länderübergreifenden einheitlichen Lösungen suchten. Es dauerte fast fünf Jahre, bis auf dem 1. Parteitag in Goslar  im Oktober 1950 eine gemeinsame Organisation, die CDU-Bundespartei, gebildet wurde.

 

Intention und Zielsetzung

Die Kristallisationskerne von CDU und CSU sind häufig als „spontane“ Reaktionen auf die geistige und materielle Katastrophe bezeichnet worden, die das Dritte Reich hinterlassen hatte. Tatsächlich aber waren schon während der Gewaltherrschaft überall evangelische und katholische Christen, Gewerkschafter, ehemalige Anhänger der konfessionellen (Zentrum, Bayerische Volkspartei (BVP), Christlich-Sozialer Volksdienst (CSVD)), liberalen (DDP/DStP und DVP) und konservativen (DNVP u.a.) Parteien zusammengekommen, um die Gestaltung des künftigen Deutschland zu beraten und vorzubereiten. Treffend hat einer der Kölner CDU-Gründer (Leo Schwering) vom „Katakombengeist“ gesprochen, der die Anfänge der Partei geprägt habe. Man war sich einig im Willen, die für Kapitalismus wie Marxismus gleichermaßen verantwortlich gemachte materialistische Weltanschauung sowie totalitäre und kollektivistische Tendenzen zu bekämpfen. Der zu schaffende neue Staat sollte den Gesetzen von Recht und Sittlichkeit unterworfen sein, die Grundsätze der christlichen Ethik sollten erneuert, und die Würde der einzelnen Person und die Freiheit des Einzelnen sollten gegen übertriebene Machtbefugnisse des Staates wiederhergestellt werden.

In bewusster Abkehr vom traditionellen deutschen Parteiensystem und seiner Zersplitterung, die als mitverantwortlich für das Scheitern der Weimarer Republik galt, zog man die Konsequenz und rief zur Sammlung all jener Kräfte auf, die „nicht in den Programmen der KPD und SPD ihre politische Heimat finden“ (Berlin, 26. Juni 1945) und die bereit waren, „alte Bahnen und Denkweisen zu verlassen“ („Kölner Leitsätze“, 17. Juni 1945).

Dass diese Sammlung nur in einer neuartigen schichtenübergreifenden Volkspartei  zu verwirklichen war, die sich überkonfessionell den Grundsätzen des Christentums verpflichtete, stand für die Gründer außer Frage. So haben sie ihre Konzeption „in der Besinnung auf die Werte des Christentums“ auch als bewusstes Signal für einen grundsätzlichen und demokratischen Neubeginn verstanden.

Diese Zielsetzung besagte aber nicht, dass die neue politische Bewegung für sich das Monopol beanspruchte, als einzige Partei christliche Politik zu betreiben oder zu behaupten, dass sich nur bei ihr die Christen politisch zusammenfinden konnten. Die CDU und CSU und ihre Gründer haben nie bestritten, dass auch außerhalb ihrer Organisation noch andere Möglichkeiten zur individuellen Vertretung christlicher Grundsätze und Interessen in der Politik existieren können. Allein die Union aber bekannte sich als Weltanschauungspartei expressis verbis auch im politischen Leben zum christlichen Menschenbild und zu den moralischen und rechtlichen Grundsätzen, die vom Naturrecht, von der christlichen Ethik und von der „abendländischen Kultur“ her bestimmt werden. Insofern verstand sich die Partei in der Bewahrung dieser Werte als „konservativ“, in der Wertschätzung der Freiheit und des Freiheitsstrebens als „liberal“, und nicht zuletzt in ihrem Bestreben um Gerechtigkeit im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenleben auch als „sozial“. Sie sollte weder eine katholische, noch eine protestantische Partei sein, sondern die Gemeinsamkeiten beider Konfessionen in sich vereinen.

 

Regionale Gründungszentren

Dieser Ideenfundus ist programmatisch vielfältig differenziert worden, da die einzelnen Parteigründungen jeweils andere konfessionelle, soziologische, ökonomische, verfassungs- und parteigeschichtliche Traditionen zu verarbeiten hatten. Am umfassendsten entsprach der Berliner Gründungsaufruf vom 26. Juni 1945 den allgemeinen Grundideen. Auch zeigt die Liste seiner Unterzeichner am deutlichsten die Umsetzung der Sammlungsidee der Konfessionen, Stände und parteipolitischen Orientierungen: Neben dem früheren Reichsminister Andreas Hermes (Zentrum) hatten Protestanten (wie Otto Heinrich von der Gablentz und Rudolf Pechel), Gewerkschafter (wie Jakob Kaiser und Josef Ersing), frühere Liberale (wie Ernst Lemmer und Ferdinand Friedensburg), ehemalige Zentrumspolitiker (wie Heinrich Krone und Hans Lukaschek) oder Konservative (wie Theodor Steltzer und Paul Graf Yorck von Wartenburg) den Aufruf unterschrieben. Weit mehr als die Hälfte von ihnen war den Widerstandskreisen gegen Hitler zuzurechnen. Der Berliner Vorstand unterstützte ähnliche Parteigründungen überall in der sowjetischen Zone.

In Stuttgart gründeten christliche Gewerkschafter sowie frühere Anhänger des Zentrums und des Christlich-Sozialen Volksdienstes am 25. September 1945 die Christlich-Soziale Volkspartei. Sie übernahmen weitgehend das Berliner Programm, allerdings unter stärkerer Betonung christlicher Ordnungsvorstellungen und unter Abschwächung von Verstaatlichungsforderungen. In Nordbaden waren Gründerkreise in Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg aktiv. Ihr Versuch, ehemalige Liberale zu integrieren, gelang nicht. Der Frankfurter Gründerkreis umfasste ehemalige Zentrumsanhänger, Mitarbeiter der „Rhein-Mainischen Volkszeitung“ und evangelische Politiker. Ihr Aufruf vom 15. September 1945 betonte am entschiedensten einen „wirtschaftlichen Sozialismus auf demokratischer Grundlage“. In Kiel vertraten die Gründer hingegen sehr bewusst den Gedanken der „bürgerlichen“ Sammlung und die Einbindung liberaler Elemente; die Arbeiter wurden aufgerufen, „bürgerliches Selbstbewusstsein und bürgerlichen Lebensstil“ zu entwickeln. In Köln waren es thomistisch- naturrechtliche Denkanstöße der Walberberger Dominikanerpatres Laurentius Siemer und Eberhard Welty und eine intensive Beschäftigung mit der Katholische Soziallehre, die Eingang in die „Leitsätze“ vom 1. Juli 1945 fanden. Die CDU Rheinland konstituierte sich am 2. September 1945 in Köln (Vorsitzender wurde Leo Schwering), die CDU Westfalen (Lambert Lensing) am gleichen Tag in Bochum. Bedeutende Vertreter des Protestantismus wie Otto Schmidt und Hermann Lutzke aus Wuppertal, Hans Encke aus Köln, Paul Bausch aus Stuttgart oder Robert Tillmanns aus Berlin wollten ein bewusst „politisches Christentum“ im Selbstverständnis der neuen Partei verankert sehen. In der französischen Zone konstituierten sich auf Drängen der Militärregierung die verschiedenen christlichen Parteigruppierungen, die in Aulendorf, Freiburg, Koblenz, Trier, Landau und Mainz entstanden waren, im Frühjahr 1946 als Christlich-Demokratische Parteien. In Bayern, wo zunächst Adam Stegerwald im Oktober 1945 in Würzburg die Initiative ergriffen hatte, übernahm der Münchener Gründerkreis die führende Rolle. Mit dem Gründungsaufruf, der den „Grundgedanken christlicher Kultur und des christlichen Sittengesetzes“ herausstellte, kam es zur Gründung der CSU am 25. November 1945. Doch schon bald brachen tiefe Gegensätze zwischen einzelnen Gruppierungen auf: Konservativ-kirchliche und spezifisch bayerische Traditionen rieben sich an liberal-konservativen und stärker föderalistischen Vorstellungen und erschwerten der Partei zunächst ein klares programmatisches und personelles Profil.

 

Verbindungen zum Zentrum

Bei all dieser Vielfalt in parteipolitischer, konfessioneller und programmatischer Hinsicht wird man der Union jedoch ein enges Verwandtschaftsverhältnis zur ehemaligen Zentrumspartei attestieren müssen. Sie bildete gewissermaßen ihre Pfahlwurzel. Selbst im protestantischen Berlin waren mehr als die Hälfte der Gründer ehemalige Mitglieder und Politiker des Zentrums, und im katholischen Westen stellten seine früheren Anhänger und die ihm eng verbundenen christlichen Gewerkschafter die personelle Infrastruktur und das Hauptreservoir der Wählerschaft. Die Wiederbegründung der Deutschen Zentrumspartei am 14. Oktober 1945 in Soest, die von früheren Zentrumsparlamentariern aus dem Rheinland und aus Westfalen in bewusster Anknüpfung an die Tradition der 1933 untergegangenen Partei ausging und konservativ-katholische und traditionalistische Zentrumsanhänger ansprach, erwies sich insofern als Glücksfall für die Union, als sie gegenüber den skeptischen protestantischen Kreisen stets auf ihre Gegnerschaft zu dieser faktisch katholischen Partei, die sich als „Partei der schöpferischen Mitte und des sozialen Ausgleichs“ verstand, verweisen konnte. Zu ihrem ersten Vorsitzenden wurde Wilhelm Hamacher gewählt, der spezifisch katholische Positionen vertrat, etwa in der Frage der Bekenntnisschule und der konfessionellen Lehrerbildung, des Elternrechts oder einer Sozialordnung im Sinne der Katholische Soziallehre. Eine führende Rolle spielte zunächst auch Karl Spiecker, der naturrechtliche Positionen betonte und die Partei links von der CDU etablieren wollte, sich aber gegen die traditionellen kirchlichen Zielsetzungen verhaftete Mehrheit, die durch die Aufnahme von Protestanten eine Öffnung nach rechts befürchtete, nicht durchsetzen konnte und 1949 in die CDU übertrat.

Fusionsbestrebungen zwischen der Zentrumspartei und der CDU der britischen Zone scheiterten, weil sich die jeweiligen Vertreter weder über das Verhältnis von Weltanschauung und Politik noch auf ein gemeinsames Programm einigen konnten. Zudem lehnte Spiecker den Kurs Konrad Adenauers gegen die SPD ab, weil er befürchtete, dass damit die deutsche Parteienlandschaft in ein rechts-christliches und ein links-sozialistisches Lager aufgespalten werden würde. Die Zentrumspartei sei traditionell eine Partei der Mitte zwischen Rechtskonservatismus und Sozialdemokratie. Ihren Wiederaufstieg verhinderte die Entscheidung der katholischen Bischofskonferenz von Fulda (August 1945) für den interkonfessionellen Sammlungsgedanken wie auch die Zustimmung evangelischer Landeskirchen zu diesem Konzept. Auch gelang es ihr nicht, eine einheitliche, zonenübergreifende Organisation aufzubauen und eine für alle Gliederungen des Zentrums einheitliche Programmatik zu erarbeiten, so dass die Erfolge bei Wahlen begrenzt blieben. Immerhin war sie in den meisten Ländern an den üblichen Allparteienregierungen der Nachkriegszeit zunächst beteiligt.

 

Bedeutung der Union

Es ist heute vielfach in Vergessenheit geraten, welch tiefen Einschnitt die Entstehung von CDU und CSU nicht nur in der deutschen Parteiengeschichte bedeutet: Mit ihrem politischen Gestaltungswillen, der divergierende politische und gesellschaftliche Strömungen – den politischen Katholizismus, Christliche Gewerkschaften, den deutsch-nationalen protestantischen Konservatismus, Teile des liberalen Bürgertums – in die politische Mitte zwischen Rechtskonservatismus auf der einen und Sozialdemokratie und Kommunismus auf der anderen Seite integriert, setzte sie ein nachhaltiges Signal für den demokratischen Neubeginn. Nicht ohne Grund ist sie „alles in allem der spontanste, sichtbarste und der wirksamste politische Ausdruck der Wandlung Deutschlands und der Deutschen im 20. Jahrhundert“ (Eugen Gerstenmaier) genannt worden.

Innerhalb kurzer Zeit gelang es der Union, unter Betonung ihrer christlichen Grundlage ohne konfessionelle Bindung und unter bewusster Abwendung von der Tradition deutscher Parteienzersplitterung jene Kräfte zu binden, die sich in den Zeiten gemeinsamer nationalsozialistischer Verfolgung zusammengefunden hatten. Weniger durch eine ins einzelne gehende Programmatik als vielmehr durch Postulierung einiger zentraler Leit- und Wertvorstellungen vermochte sie, die durch Diktatur und Krieg hindurchgegangenen Wähler in allen Zonen in kaum erwarteter Weise an sich zu ziehen. Auf Anhieb gewann sie in den Landtagswahlen der Jahre 1946 und 1947 500.000 Stimmen mehr als die SPD. In den Ländern Baden, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern konnte die neue Partei die Ministerpräsidenten stellen.

 

Sowjetische Zone und Berlin

Von Anfang an stand die Entwicklung der CDU in der sowjetischen Zone unter besonderen, ungünstigen Vorzeichen. War die Gründungskundgebung vom 22. Juli 1945 in Berlin vom Wunsch nach Erneuerung und Aufbruch getragen, so zeigte sich sehr schnell, dass die sowjetische Besatzungsmacht nicht gewillt war, einer demokratischen Entwicklung freien Lauf zu lassen. Auseinandersetzungen um die Schul- oder die Bodenreform führten bereits im Dezember 1945 zur Absetzung der beiden Vorsitzenden Andreas Hermes und Walther Schreiber. Ihre Nachfolger Jakob Kaiser und Ernst Lemmer strebten mit dem Konzept eines „Sozialismus aus christlicher Verantwortung“, einer Mischform von Plan- und Marktwirtschaft, einen modus vivendi mit der SMAD an. Trotz vielfältiger Behinderungen wurde die CDU 1946 mit 220.000 Mitgliedern zweitstärkste Partei in der SBZ nach der SED und erreichte bei den Kommunal- und Landtagswahlen im Herbst rund 23% der Stimmen. In allen fünf Landesregierungen und in Berlin war sie vertreten.

Die von Kaiser angestrebte Verständigung mit den Sowjets und der SED war jedoch zum Scheitern verurteilt. Die Befürwortung des Marshallplans, die Ablehnung der Oder-Neiße-Grenze, die Kritik an der erzwungenen Mitarbeit im parteiübergreifenden, von der SED dominierten „antifaschistischen Blockausschuss“ und die Verweigerung der Teilnahme am „Volkskongress“ Ende 1947 führten zur Absetzung der beiden Vorsitzenden und anderer Mitglieder des Parteivorstands. Zum neuen Vorsitzenden wurde auf dem Erfurter Parteitag 1948 Otto Nuschke gewählt, der in der Wiedervereinigungs- und Neutralisierungspolitik die Linie der Sowjets vertrat und die Politik der Anpassung an die SED von der Führungsspitze aus vorantrieb. Die Hoffnung der Basis auf Erhaltung eines demokratischen Freiraums erfüllte sich nicht; vielmehr geriet die gesamte Partei in all ihren Gliederungen unter zunehmenden Gleichschaltungsdruck. Bald gab sie ihren Anspruch auf eigenständige Politikgestaltung auf und unterwarf sich schließlich auf ihrem 6. Parteitag 1952 dem Führungsanspruch der SED.

Kaiser und Lemmer, die nach ihrer Absetzung nach West-Berlin gegangen waren, wurden diffamiert, ihre Anhänger verfolgt, verhaftet oder zur Flucht gezwungen. In Berlin gründeten sie 1950 die Exil-CDU, die die Arbeit des 1947 in geheimer Abstimmung gewählten Hauptvorstands der Ostzonen-CDU fortsetzen und als allein legitimierte Vertretung der Ostzonen-CDU gelten sollte. Die deutsche Teilung spiegelte sich damit in der Spaltung der Union wider.

 

Britische Zone

Im 1946 gegründeten Nordrhein-Westfalen entwickelten die beiden Landesverbände Rheinland (unter dem Vorsitz von Konrad Adenauer) und Westfalen das neue Land zu einer CDU-Hochburg. Begünstigt durch die lebendig gebliebene Zentrumstradition und unter maßgeblicher Mitwirkung früherer christlicher Gewerkschafter gelang der zügige Aufbau schlagkräftiger Parteiorganisationen. Bei den ersten Gemeinde- und Kreistagswahlen 1946 verfehlte die CDU mit 49,1% der Stimmen nur knapp die absolute Mehrheit, büßte aber bei der Landtagswahl 1947 aufgrund der scharfen Konkurrenz durch die wiedergegründete Deutsche Zentrumspartei, die 9,8% der Stimmen erreichte, fast 12% ein. Die anfängliche Stärke des Zentrums in Nordrhein-Westfalen und im westlichen Niedersachsen führte zu einer Zersplitterung der Stimmen im christlichen Lager. Dennoch konnte die CDU mit Karl Arnold den Ministerpräsidenten stellen.

In Niedersachsen, wo sich die neue Partei in einer schwierigen Konkurrenz mit der Niedersächsischen Landespartei, der späteren DP, aber auch der Zentrumspartei befand, entstanden drei CDU-Landesverbände: Oldenburg unter dem Vorsitz von Fritz Söhlmann und Hermann Siemer, Braunschweig unter Führung von Heinrich Rönneburg und Georg Strickrodt und Hannover mit den Vorsitzenden Bernhard Pfad, Paul Otto und Günther Gereke. 1950 wurde der Dachverband „CDU in Niedersachsen“ gebildet. Wie schwer es die Union hatte, zeigten die ersten, mageren Wahlergebnisse.

Die im Sommer 1945 gegründete Niedersächsische Landespartei, die das mäßige Abschneiden der CDU verursachte, knüpfte bewusst an die Tradition der Deutsch-Hannoverschen Partei an, erstrebte die Unabhängigkeit Hannovers und die Wiedereinsetzung der Welfen-Dynastie und vertrat insofern dezidiert föderalistische Positionen. Als entschieden antimarxistische und antisozialistische Partei, die Sozialisierung, Mitbestimmung, Planwirtschaft und Bodenreform strikt ablehnte und „Christentum und christliche Moral“ als „Richtschnur“ für politisches Handeln und als Grundlage der Gesellschaftsordnung forderte, zeigte sie sich als protestantisch-konservative Partei, die insbesondere das mittelständische Besitzbürgertum anzusprechen vermochte. Mit dem Verlangen nach Abbruch der Entnazifizierung und mit ihrem Einsatz für ehemalige Wehrmachtsangehörige öffnete sie sich für rechtsextreme Gruppen, sah es allerdings als „staatspolitische Aufgabe“ an, dieses Potential in die neue Demokratie zu integrieren. Vorsitzender war von 1946 bis 1961 Heinrich Hellwege. Bei den Land- und Stadtkreiswahlen am 13. Oktober 1946 erreichte sie 19,8% (CDU 22,5%), bei der Landtagswahl am 20. April 1947 17,9% (CDU 19,9%), bei der Bundestagswahl 1949 4%. Um ihren regionalen Charakter zu überwinden, nannte sie sich 1947 in Deutsche Partei um und konnte auch außerhalb Niedersachsens Mandate in norddeutschen Landtagen erringen. Aufgrund der Sogwirkung der CDU, mit der sie die Westorientierung und die Einstellung zu ökonomischen Grundsatzfragen verband, verlor sie aber sukzessive an Bedeutung. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre wechselten ihre Anhänger sowie erhebliche Teile ihres Führungspersonals zur CDU über.

In Bremen traf die CDU auf die wohl schwierigste Situation in der britischen Zone. Das Fehlen einer konfessionellen Parteitradition, unterschiedliche Zielvorstellungen der Gründungsmitglieder und die Besonderheit der politischen Kräfteverhältnisse mit konkurrierenden konservativen oder interessengebundenen Gruppierungen verhinderten, in die Bremer Bürger- und Kaufmannschaft nachhaltig einzudringen und die SPD-Dominanz zu brechen.

Vergleichbar war die Situation in Hamburg. Auch hier traf die CDU aufgrund unterschiedlicher Gründergruppen, die eine katholisch und stark sozial geprägt, die andere protestantisch und liberal-konservativ eingestellt, auf starke Vorbehalte, was ihre Ausgangssituation von vornherein ungünstig beeinflusste.

Auch in Schleswig-Holstein war die Ausgangsposition der CDU aufgrund der Tatsache, dass es in der Weimarer Republik keine konfessionelle Partei gegeben hatte und das bürgerliche Lager zersplittert war, sowie wegen gegensätzlicher Interessen von Bauern, Vertriebenen und Flüchtlingen nicht einfach. Außerdem gab es zunächst Differenzen zwischen ihren prominenten Gründern, die unterschiedlichen Parteitraditionen entstammten: Carl Schröter in Kiel hatte vor 1933 der DVP angehört, andere der DDP, Paul Pagel in Bad Segeberg war Mitglied der DVP gewesen, Hans Schlange-Schöningen in Plön kam aus der DNVP bzw. der Christlich-Nationalen Bauern- und Landvolkpartei. Im Februar 1946 schlossen sich die Parteigruppierungen unter dem Vorsitz von Schröter zur CDU zusammen. Aber Querelen zwischen Schröter und dem ernannten Ministerpräsidenten Theodor Steltzer schwächten die Partei. Nachdem der nationalkonservative Steltzer resigniert hatte, setzte Schröter nach den verlorenen Wahlen 1947 mit einem rechtsliberalen Profil auf eine kompromisslose Opposition gegen die SPD und gelangte im Bündnis mit anderen Parteien 1950 zur Regierungsverantwortung.

Anfang Januar 1946 schlossen sich die acht Landesverbände der CDU der britischen Zone zum Zonenverband zusammen. Die Leitung des Zonenausschusses übernahm Konrad Adenauer, der sich anschließend auch den Vorsitz im rheinischen Landesverband und in der CDU-Fraktion Nordrhein-Westfalen erkämpfte, sein Stellvertreter wurde Friedrich Holzapfel. Adenauer stieg damit in eine Schlüsselposition der westdeutschen CDU auf, die sich bald durch eine effektive Organisation, eine einheitliche politische Linie und Parteidisziplin auszeichnete. Unter seiner Führung prägte der Zonenausschuss die programmatische Entwicklung der Partei in den Anfangsjahren; er beschloss das Programm von Neheim-Hüsten (1. März 1946) und das „Ahlener Programm“ (3. Februar 1947) zur Wirtschafts- und Sozialverfassung. Es bedeutete einen Kompromiss zwischen katholischem Solidarismus und liberaler Marktwirtschaft und führte die verschiedenen Flügel der Partei in der politischen Mitte unter dem Begriff „Gemeinwirtschaft“ zusammen. Das Aktionsprogramm forderte, ausgehend von der Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem und unter Ablehnung staatskapitalistischer Forderungen, die „Stärkung der wirtschaftlichen Stellung und Freiheit des Einzelnen, Verhinderung der Zusammenballung wirtschaftlicher Kräfte in Hand von Einzelpersonen, von Gesellschaften, privaten und öffentlichen Organisationen, durch die die wirtschaftliche oder politische Freiheit gefährdet werden könnte“.

 

Französische Zone

Nach der Gründung des Landes Rheinland-Pfalz am 30. August 1946 und der Bildung einer vorläufigen Regierung unter Wilhelm Boden (CDU) bildeten die CDU-Verbände der Regierungsbezirke Trier, Koblenz, Montabaur, Hessen und Pfalz am 14. Februar 1947 den Landesverband Rheinland-Pfalz und wählten Peter Altmeier zum ersten Landesvorsitzenden. Die Landtagswahl am 18. Mai 1947, die mit einer Volksabstimmung über die Verfassung und deren Abschnitt 3 (Schulfragen) verbunden war, brachte der CDU 47,2% der Stimmen ein. Peter Altmeier wurde Ministerpräsident einer Allparteienregierung.

In Südbaden hatte die am 20. Dezember 1945 in Freiburg gegründete Badische Christlich-Soziale Volkspartei heftige Auseinandersetzungen mit der wiedergegründeten Zentrumspartei unter dem Prälaten Ernst Gottlieb Föhr zu bestehen, der im Gegensatz zu seinem Erzbischof, Conrad Gröber, eine Rekatholisierung anstrebte, während dieser der interkonfessionellen Idee anhing und ihr schließlich zum Durchbruch verhalf. Die erfolgreichen Landtagswahlen am 18. Mai 1947 mit 55,9% der Stimmen führten Leo Wohleb ins Amt des Staats- und Ministerpräsidenten. Er verlieh der neuen Partei ein ausgesprochen föderalistisches Gepräge und führte sie mit seiner Bewegung zur Erhaltung eines eigenständigen Freistaats in der Bundesrepublik in eine schwere Belastung und zu Konflikten mit den CDU-Landesparteien in Nordbaden und Nord-Württemberg sowie Württemberg-Hohenzollern, die eine Länderneugliederung und die Bildung des Südweststaats befürworteten.

Vergleichbar erfolgreich war die CDU in Südwürttemberg-Hohenzollern, begünstigt durch die soziale und konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung. Bei den Landtagswahlen 1947 erreichte sie 54,2% und stellte mit dem ehemaligen Zentrumsabgeordneten Lorenz Bock den Staatspräsidenten in einer Koalition mit SPD und DVP. Nach seinem überraschenden Tod im August 1948 folgte ihm der Fraktionsvorsitzende Gebhard Müller nach. Beide setzten der französischen Demontagepolitik Widersund entgegen und kämpften für die Zusammenlegung der südwestdeutschen Länder. Eine dem Zusammenschluss in der britischen Zone vergleichbare Organisation der CDU-Landesparteien in der französischen Zone wurde von der Militärregierung untersagt.

Im Saarland, das im Dezember 1945 aus der französischen Zone ausgegliedert wurde und in seiner Verfassung vom 15. Dezember 1947 von der „politischen Unabhängigkeit vom Deutschen Reich“ sowie vom „wirtschaftlichen Anschluss an die Französische Republik“ ausging, herrschten besondere politische Bedingungen. Mit Unterstützung des Trierer Ordinariats gründete sich am 10. Januar 1946 die überkonfessionelle Christliche Volkspartei des Saarlands (CVP), die keine offiziellen Kontakte zu den CDU-Landesverbänden im übrigen Deutschland pflegte, obwohl sie sich an deren Programme anlehnte. Zu ihrem Vorsitzenden wählte sie den aus dem Exil zurückgekehrten Johannes Hoffmann, der auch erster Ministerpräsident wurde. Er legte die Partei auf einen einseitigen profranzösischen Kurs fest, der allerdings von zahlreichen Mitgliedern scharf kritisiert wurde und zu heftigen parteiinternen Spannungen führte. Kritiker dieses Kurses wurden ausgewiesen. Die Auseinandersetzungen im christlichen Lager führten schließlich Anfang der 1950er Jahre zur Bildung einer oppositionellen CDU-Saar, die der CVP unversöhnlich gegenüberstand.

 

Amerikanische Zone

In dem am 19. September 1946 neugebildeten Land Großhessen tat sich die CDU nach anfänglichen Erfolgen schwer. Bei den Kreistagswahlen 1946 erreichte sie 38% und bei den Landtagswahlen immerhin 30,9% und stellte mit dem früheren Zentrumspolitiker Werner Hilpert den stellvertretenden Ministerpräsidenten sowie die Hälfte der Minister in der Koalitionsregierung mit der SPD. Doch führten die Spannungen innerhalb der Partei, die sich in konservative bis hin zu sozialistischen Gruppierungen auffächerte, zu einer Glaubwürdigkeitskrise. Mit ihrer bewussten Anlehnung an SPD-Positionen gab die Führung den Anspruch der Partei auf, die Mitte zu vertreten, und verlor ihre Reputation. Die Quittung erhielt sie bei der Landtagswahl 1950, bei der die CDU mehr als die Hälfte ihrer Stimmen von 1946 einbüßte, die der FDP und dem BHE zugutekamen.

Schwierig war die Ausgangssituation in den industrialisierten und evangelischen Teilen Württemberg-Badens, wo die neue Partei auf die traditionell starken Liberalen, aber auch auf den Vorwurf traf, ein verkapptes Zentrum zu sein. Doch vermochten ihre Vorsitzenden, in Nordbaden Fridolin Heurich, in Nordwürttemberg Josef Andre und Wilhelm Simpfendörfer, den interkonfessionellen Ansatz glaubhaft zu propagieren und breite Bevölkerungsschichten zu gewinnen. Lag die CDU bei den Kommunal- und Kreistagswahlen am 28. April bzw. 26. Mai 1946 noch knapp hinter der SPD, so konnte sie die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl im November 1946 deutlich mit 36,8 zu 31,9% überflügeln. Als stärkste Partei gelang es ihr aufgrund innerer Auseinandersetzungen, unklarer Positionen in der Schulfrage und ungeschickten Taktierens in der Südweststaatsfrage aber nicht, den Ministerpräsidenten Reinhold Maier (DVP/FDP) abzulösen, der bis 1953 im Amt blieb.

In Bayern traf die CSU auf die prononciert katholischen und föderalistischen Traditionen der ehemaligen BVP, fand aber mit ihrem interkonfessionellen Ansatz und ihrem gegenüber der BVP veränderten Programm und Selbstverständnis bei den Stadt- und Landkreiswahlen vom April/Mai 1946 mit 60,1% der Stimmen beträchtliche Resonanz. Erster Vorsitzender wurde Josef Müller. Seine Vorstellungen, die von Franz-Josef Strauß, Otto Schedl und Michael Horlacher geteilt wurden, zielten auf eine gesamtdeutsche, interkonfessionelle, konservativ-liberale-soziale Volkspartei. Die Traditionalisten hingegen, die sich um Fritz Schäffer, Alois Hundhammer und Anton Pfeiffer scharten, wollten bewusst an die bayerische katholische Tradition der BVP anknüpfen und eine eigenständige Partei ohne Unionsmitgliedschaft etablieren.

Bei den Auseinandersetzungen zwischen diesen Lagern spielte auch die Frage des Parteicharakters, insbesondere das Problem einer Integrations- bzw. Honoratiorenpartei, eine wesentliche Rolle. Diese Spannungen, die Müller nicht ausgleichen konnte, führten dazu, dass Hundhammer nach den Landtagswahlen am 1. Dezember 1946 eine Beteiligung Müllers an der Regierungsbildung und die Übernahme des Amtes des Ministerpräsidenten verhinderte. An seiner Stelle wurde Hans Ehard gewählt, der als entschiedener Föderalist die Eigenständigkeit der CSU im Verhältnis zur CDU nicht in Frage stellte. Der schwere Führungsstreit erschütterte die CSU bis 1949, hatte 1950 eine schwere Wahlschlappe Zur Folge und führte zum Verlust der Mehrheit. Die verlorenen CSU-Stimmen gingen im Wesentlichen an den BHE und die Bayernpartei (BP). Gelöst wurde dieser innerparteiliche Konflikt durch Kompromiss: Josef Müller wurde bereits 1949 entmachtet, seine Konzeption einer interkonfessionellen Sammlungspartei aber blieb erhalten. Sie trat der Union nicht als Landesverband bei, sondern bestand als eine eigenständige bayerische Partei weiter, nicht zuletzt deshalb, um die Bayernpartei klein zu halten.

 

Zonenübergreifende Zusammenarbeit

Die unterschiedlichen regionalen Profile der Landesparteien und ihre z.T. höchst eigenwilligen Führungspersönlichkeiten erschwerten den zonenübergreifenden organisatorischen Zusammenschluss der neuen Partei. Zwar konstituierte sich die „Arbeitsgemeinschaft der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union Deutschlands“ am 5./6. Februar 1947 in Königstein/Taunus. Die einzige Dachorganisation der Union mit Sitz in Frankfurt konnte sich jedoch nicht zu einer wirklichen Parteizentrale entwickeln; sie blieb im Wesentlichen eine Konferenz der Landesvorsitzenden mit konkurrierenden Führungsansprüchen bis hin zu offener Konfrontation zwischen Konrad Adenauer und Jakob Kaiser, um den es erst stiller wurde, als er in Berlin gescheitert war.

Immerhin vermochte die Arbeitsgemeinschaft als Integrationsorgan die verschiedenen regionalen und sozialen, interessen- und generationsbedingten Strömungen in übergreifenden Ausschüssen und Vereinigungen aufzufangen. Im August 1948 entstand die „Kommunalpolitische Vereinigung (KPV)“ unter dem Vorsitz von Wilhelm Bitter, am 1. Mai 1948 die „Frauen-Arbeitsgemeinschaft der CDU/CSU aller Zonen“ unter Helene Weber. Aus dem Verfassungsausschuss ging der „Ellwanger Kreis“ hervor, der Verfassungsvorstellungen für die CDU/CSU entwickelte. Ende 1947 konstituierte sich die „Arbeitsgemeinschaft der Sozialausschüsse der CDU/CSU“ unter Johannes Albers mit Sitz in Köln, die das „soziale und immer wahre Gewissen der Union“ sein wollte.

Erstaunlicherweise war bereits vor der Gründung der CDU/CSU-Arbeitsgemeinschaft die Bildung der „Jungen Union (JU)“ gelungen, die ihren ersten Deutschlandtag mit Vertretern aus allen Zonen in Königstein/Taunus am 17.-21. Januar 1947 abhielt. Ihr erster Vorsitzender, Bruno Six, definierte sie als „Motor der Partei“. Die zahlreichen Orts- und Landesflüchtlingsausschüsse versammelten sich zu ihrer ersten Reichstagung im April 1948 in Braunschweig und bildeten ebenfalls eine Arbeitsgemeinschaft, die ihre Interessen besonders aktiv vertrat. Und nicht zuletzt knüpfte das Generalsekretariat der Arbeitsgemeinschaft die ersten Fäden zu Vertretern der europäischen christlich-demokratischen Parteien. Nach vorbereitenden Treffen in Montreux und Luzern erfolgte am 31. Mai 1947 in Lüttich die Bildung der internationalen Union Christlicher Demokraten unter dem Namen „Nouvelles Équipes Internationales“. Beim 2. Kongress in Luxemburg 1948 war Konrad Adenauer wesentlich beteiligt an der Diskussion des wichtigsten Tagesordnungspunkts, der deutschen Frage. Auch schlug er dem Kongress „eine gemeinsame Verwaltung der europäischen Grundstoffindustrie“ vor, einen Plan, den er schon in den 1920er Jahren ventiliert hatte und der schließlich in der Montanunion verwirklicht wurde.

Das Zusammenwachsen regionaler Parteien und die Bildung zonaler und schließlich zentraler Parteiorganisationen verlief parallel zur Bildung überzonaler, größerer Verwaltungs- und Wirtschaftseinheiten, ohne die die drängenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme in Deutschland nicht zu lösen waren. Ein erster Schritt in diese Richtung war die Bildung des Wirtschaftsrats für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet, der nach dem Willen der britischen und amerikanischen Besatzungsmächte am 25. Juni 1947 in Frankfurt zusammentrat. In ihm standen sich die Fraktionen von CDU/CSU und SPD in gleicher Stärke gegenüber. Dies erforderte von den neuen Unionsparteien einen auf ganz Deutschland gerichteten einheitlichen politischen Willen, gemeinsames politisches Handeln und politische Durchsetzungskraft. Die integrierende Wirkung, die von der Arbeit im Wirtschaftsrat auf die kaum gefestigte CDU und CSU ausging, insbesondere in der Auseinandersetzung um die Wirtschaftspolitik mit den politischen Kräften der Linken, kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Diese Auseinandersetzung zwischen dem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft, für die ab März 1948 der Direktor für Wirtschaft, der parteilose Ludwig Erhard, stand und die der Fraktionsvorsitzende der Union, Friedrich Holzapfel, nach außen verteidigte und nach innen erläuterte, und den planwirtschaftlichen Vorstellungen der SPD und KPD ließ die Differenzen mit der FDP und der DP zurücktreten.

Diese Konstellation setzte sich trotz aller Auseinandersetzungen über Föderalismus und Kulturpolitik im Parlamentarischen Rat fort, der am 1. September 1948 in Bonn zusammentrat. Der Erfolg bei den ersten Bundestagswahlen, die der Union von CDU und CSU, der „Sammlung der Landesparteien“, mit 31% der Stimmen die Mehrheit einbrachte – die Deutsche Zentrumspartei kam auf 3,1%, die DP auf 4%, die FDP auf 11,9% –, beruhte nicht zuletzt auf dem Wahlkampfprogramm der „Düsseldorfer Leitsätze“, dem ersten für die Union verbindlichen Programm zur „Verwirklichung der Sozialen Marktwirtschaft“, das – am 15. Juli 1949 veröffentlicht – die eigentumsrechtlichen und gesellschaftspolitischen Grundsätze des Ahlener Programms für die britische Zone „nach der marktwirtschaftlichen Seite hin“ erweiterte und fortentwickelte und dem „Liberalismus unsozialer, monopolistischer Prägung“ sowie allen planwirtschaftlichen Vorstellungen eine klare Absage erteilte. Die Koalition im 1. Deutschen Bundestag zwischen CDU, CSU, FDP und DP, die Adenauer in schwierigen Gesprächen mit jenen Parteifreunden zustande brachte, die eine große Koalition befürworteten, war durch die Kooperation in Frankfurt und Bonn vorgeprägt.

Die Gründung der Bundesrepublik beschleunigte den Prozess des Zusammenwachsens der Union zum „Ausdruck eines einheitlichen Willens der Partei“. Er wurde von den außerbayerischen Landesverbänden auch nicht in Frage gestellt. Doch erst am 11. Mai 1950 beschlossen die Vorsitzenden und Vertreter aller Landesverbände in Königswinter die Gründung der Bundes-CDU. Bundeskanzler Konrad Adenauer, der Vorsitzende des größten und am besten organisierten Zonenverbandes, wurde einstimmig zum vorläufigen Vorsitzenden gewählt und firmierte von nun an als „Bundesvorsitzender der CDU“ bzw. „Der Vorsitzende der CDU Deutschlands“. Am 31. Juli 1950 wurde die Beratung der Satzung von den Landesvorsitzenden abgeschlossen. Als Organe wurden der Bundesparteitag, der Parteiausschuss und der Bundesvorstand vorgesehen. Beim 1. Bundesparteitag in Goslar vom 20.-22. Oktober 1950 wurde Adenauer von den Delegierten mit 302 von 335 Stimmen in seinem Amt bestätigt; Stellvertreter wurden Friedrich Holzapfel und Jakob Kaiser. Mit der Bildung von Parteitag und Parteiausschuss und der Wahl des Vorstands war die Gründungsphase der Bundespartei abgeschlossen. Goslar kann daher sowohl als Endpunkt für die Phase der Verschmelzung zur überregionalen Partei betrachtet werden wie auch als Beginn gemeinsamer Parteiarbeit der CDU auf Bundesebene.

 

Günter Buchstab

 

Literatur:
  • P.-L. Weinacht (Hg.), Die CDU in Baden-Württemberg und ihre Geschichte (1979);
  • G. Bauer, Vom Zentrum zur CDU. Hundert Jahre christliche Politik an der Saar (1981);
  • H. Rüschenschmidt, Gründung und Anfänge der CDU in Hessen (1981);
  • P.-L. Weinacht / T. Mayer, Ursprung und Entfaltung christlicher Demokratie in Südbaden (1982);
  • U. Schmidt, Die Christlich Demokratische Union Deutschlands, in: R. Stöss (Hg.), Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, 1 (1983);
  • Dies., Die Deutsche Zentrumspartei, in: R. Stöss (Hg.), Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, 1 (1983);
  • H. W. Schmollinger, Die Deutsche Partei, in: R. Stöss (Hg.), Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, 1 (1983);
  • H. Stubbe da Luz: Von der „Arbeitsgemeinschaft“ zur Großstadtpartei – 40 Jahre Christlich-Demokratische Union in Hamburg 1945-1985 (1985);
  • H. Rüschenschmidt, Gründung und erste Jahre – Mitgestaltung und Rückschlag. Die CDU Hessen unter Werner Hilpert 1945-1982, in: W. Wolf (Hg.), CDU Hessen 1945-1985 (1986);
  • W. Becker, CDU und CSU 1945-1950. Vorläufer, Gründung und regionale Entwicklung bis zum Entstehen der CDU-Bundespartei (1987);
  • U. Schmidt, Zentrum oder CDU. Politischer Katholizismus zwischen Tradition und Anpassung (1987);
  • H. Heitzer, Die CDU in der britischen Zone (1988);
  • G. Buchstab / K. Gotto (Hg.), Die Gründung der Union. Tradition, Entstehung und Repräsentanten (21990);
  • M. Richter, Die Ost-CDU 1948-1952. Zwischen Widerstand und Gleichschaltung (1990);
  • I. Nathusius, Am rechten Rand der Union (1992);
  • A. Martin, Die Entstehung der CDU in Rheinland-Pfalz (1995);
  • T. Schlemmer, Aufbruch, Krise und Erneuerung. Die Christlich-Soziale Union 1945-1995 (1998);
  • J. Rotberg, Zwischen Linkskatholizismus und bürgerlicher Sammlung. Die Anfänge der CDU in Frankfurt am Main 1945-1946 (1999);
  • R. Baus, Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands in der sowjetisch besetzten Zone 1945-1948. Gründung – Programm – Politik (2001);
  • F. Bösch, Die Adenauer-CDU. Gründung, Aufstieg und Krise einer Erfolgspartei 1945-1969 (2001);
  • P. Wulf, Sammlung rechts von der Sozialdemokratie. Geschichte der CDU in Schleswig-Holstein 1945/46, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 126 (2001);
  • R. Schmeer, Volkskirchliche Hoffnungen und der Aufbau der Union. Evangelische Kirche und CDU/CSU in den Nachkriegsjahren (2001).

 

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