Hensel, K. Paul
Hensel, K. Paul
geb. am 24.01.1907, gest. am 20.04.1975
Ausgehend von der Erkenntnis seines Lehrers Eucken, dass die einzelnen Teile einer Gesellschaftsordnung in interdependentem Zusammenhang stehen, machte Hensel die Analyse von zentralverwaltungswirtschaftlichdiktatorischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen der ehemals „sozialistischen“ Länder (vor allem der ehemaligen DDR und Osteuropas) und deren Vergleich mit marktwirtschaftlich-demokratischen Ländern zum Schwerpunkt des Forschungsprogramms an seinem Lehrstuhl und an der von ihm geleiteten „Forschungsstelle zum Vergleich wirtschaftlicher Lenkungssysteme“. Wohl an keinem anderen Institut, vielleicht mit Ausnahme des „Osteuropa-Instituts“ an der Freien Universität Berlin, sind zu diesem Themenbereich so viele Diplomarbeiten, Dissertationen und Habilitationsschriften entstanden, wie in Hensels Marburger Forschungsstelle. Dieses Feld der Wirtschaftswissenschaft hat er bis zu seinem Tod entscheidend geprägt.
Aufgrund seiner Erfahrungen und Erlebnisse
aus der Zeit seines beruflichen
Werdegangs vor Studienbeginn
und später beeinflusst durch die Arbeiten
seines akademischen Lehrers
Walter Eucken, des Begründers der
ordnungstheoretischen und -politischen
„Freiburger Schule“ der Nationalökonomie,
war Hensels besonderes
wissenschaftliches Interesse auf
die geistige Auseinandersetzung um
die Funktionsweise von „sozialistischen“ und „kapitalistischen“ Wirtschaftssystemen
und deren Konsequenzen
für die Menschen gerichtet,
also auf ein Problem, das nicht nur
von abstraktem theoretischem Interesse
war, sondern das jahrzehntelang
die Welt politisch in Atem hielt
und das Schicksal von Millionen von
Menschen mitbestimmte (Sozialismus/Planwirtschaft).
In der Wirtschaftstheorie gab es bereits
seit Beginn des vorigen Jahrhunderts
eine dann ab den 30er Jahren
heftiger werdende Kontroverse um
die Frage, ob einem „sozialistischen“
Wirtschaftssystem, das auf der
Grundlage von staatlicher Planung
des Wirtschaftsprozesses und kollektivem
Eigentum an den sachlichen
Produktionsmitteln arbeitet, eine rationale
und geschlossene „Wirtschaftsrechnung“
eingebaut werden
kann, die – wie man das für Modelle
eines marktwirtschaftlichen Systems
kannte – dafür sorgt, dass die stets
knappen, nur in begrenztem Umfang
verfügbaren Produktionsfaktoren (Arbeit,
Natur, Sachkapital) in die volkswirtschaftlich
sinnvollen und damit
richtigen Verwendungen gelenkt werden
Im Gegensatz zu seinem Lehrer Eucken
kam Hensel in seiner 1954 erschienenen
Habilitationsschrift zu
dem Ergebnis, dass das abstrakte Modell
eines zentral geplanten Wirtschaftssystems
sehr wohl eine solche
„Rechenmaschine“ enthält. Freilich
war er sich völlig darüber im Klaren,
dass die real existierenden sozialistischen
Zentralverwaltungswirtschaften
einem solchen Modell ebenso wenig
entsprachen, wie die in der Wirklichkeit
vorhandenen Marktwirtschaften
dem sehr abstrakten theoretischen
Modell einer Wirtschaft mit „vollständiger
Konkurrenz“. Hinsichtlich der
Realisierbarkeit einer wirklich funktionsfähigen
zentralverwaltungswirtschaftlichen
Ordnung war und blieb
er außerordentlich skeptisch – wie
der spätere Zusammenbruch der
Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme
von „sozialistischen“ Staaten eindrucksvoll
bewies, völlig zu Recht.
Wissenschaftlicher und beruflicher Werdegang
1925 Abschluss einer Schreinerlehre durch die Gesellenprüfung; 1931 erfolgreich bestandene Begabtenprüfung und anschließend Studium der Nationalökonomie in Berlin und Freiburg; 1937 Promotion und danach Studium an der London School of Economics; 1951 Habilitation in Freiburg; 1957 Berufung auf einen volkswirtschaftlichen Lehrstuhl an der Universität Marburg; 1963/64 Dekan der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Marburg und 1965-1967 Rektor dieser Universität.
Literaturhinweise:
- HENSEL, K. P. (1972), Einführung in die Theorie der Zentralverwaltungswirtschaft, 2. Aufl., Stuttgart;
- HENSEL, K. P./ BLAICH, F./ BOG, I./ GUTMANN, G. (1971), Wirtschaftssysteme zwischen Zwangsläufigkeit und Entscheidung, Stuttgart;
- HENSEL, K. P. (1972), Grundformen der Wirtschaftsordnung. Marktwirtschaft – Zentralverwaltungswirtschaft, München.