Schiller, Karl
Schiller, Karl
geb. am 24.04.1911, gest. am 26.12.1994
Wissenschaft als Beruf und Politik als Beruf sind nur selten in einer Person vereinigt. Zwei Persönlichkeiten mit dieser Kombination prägten die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland: Erst Ludwig Erhard, dann Karl Schiller. Beide kamen von der Wissenschaft zur Politik, beide erlebten die Spannungen zwischen längerfristigen wirtschaftspolitischen Konzeptionen und der kurzfristigen Orientierung der Politik. Schiller verband die Fähigkeit zur fundierten Analyse mit großer rhetorischer Brillanz und Überzeugungskraft. Er wandte sich im Laufe seiner wissenschaftlichen und ministeriellen Karriere immer stärker der Marktwirtschaft zu. Folgerichtig hat er seine große Fachbibliothek dem Walter-Eucken Institut in Freiburg i. Br. vermacht.
1953 formulierte Schiller seine berühmt
gewordene Leitregel „Wettbewerb
soweit wie möglich, Planung
soweit wie nötig“, die gegen manchen
Widerstand 1959 in das Godesberger
Programm der SPD übernommen
wurde. Die 1964 erschienene
Aufsatzsammlung „Der Ökonom und
die Gesellschaft“ trug bereits den bezeichnenden
Untertitel „Das freiheitliche
und das soziale Element in der
modernen Wirtschaftspolitik“. In seiner
Zeit als Bundeswirtschaftsminister
der Großen Koalition wurde 1967 das
Stabilitäts- und Wachstumsgesetz verabschiedet,
das in wesentlichen
Punkten seine Handschrift trägt. Er
selbst wies später der wettbewerbsorientierten
Ordnungspolitik einen
immer größeren Raum zu und wurde
zum „marktwirtschaftlichen Gewissen“
der SPD. Der Wiedervereinigung
der beiden deutschen Staaten stand
er im Prinzip positiv, im Detail mit
mancherlei Kritik gegenüber.
Wissenschaftlicher und beruflicher Werdegang
1931-1935 Studium in Kiel, Frankfurt/ M., Berlin, Heidelberg; 1934 Diplom-Volkswirt, 1935 Dr. rer. pol., 1935-1941 Forschungsgruppenleiter am Institut für Volkswirtschaft an der Universität Kiel; 1939 Habilitation in Kiel; 1941-1945 Kriegsdienst; 1944 Ruf an die Universität Rostock (nicht angetreten). 1946 Gastprofessor an der Universität Kiel; 1947-1972 Professor an der Universität Hamburg (1956-1958 Rektor); 1958-1960 Mitglied des Wissenschaftsrates.
Politisches Wirken:
1946 Eintritt in die SPD; 1948-1953 Wirtschafts- und Verkehrssenator in Hamburg; 1949-1953 Mitglied des Bundesrates; 1961-1965 Wirtschaftssenator in Westberlin; 1964 Wahl in den Vorstand der SPD; 1965 Bundestagsabgeordneter, stv. Fraktionsvorsitzender und wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion; 1966-1972 Bundeswirtschafts-, ab 1971 auch Bundesfinanzminister; 1972 Rücktritt wegen grundlegender Meinungsverschiedenheiten in der Fiskalpolitik; 1972 Austritt aus der SPD, 1980 Wiedereintritt; Später umfangreiche Schlichter- und vor allem Beratertätigkeit, auch im Ausland.
Literaturhinweise:
- SCHILLER, K. (1936), Arbeitsbeschaffung und Finanzordnung in Deutschland, Berlin (Dissertation, bald nach Erscheinen verboten);
- DERS. (1940), Marktordnung und Marktregulierung in der Weltagrarwirtschaft, Kiel (Habilitationsschrift);
- DERS. (1964), Der Ökonom und die Gesellschaft. Das freiheitliche und das soziale Element in der modernen Wirtschaftspolitik, Stuttgart;
- DERS. (1994), Der schwierige Weg in die offene Gesellschaft. Kritische Anmerkungen zur deutschen Vereinigung, Berlin.